Niederlage für den nordirischen LGBTI-Aktivisten Gareth Lee: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am Donnerstag einen seit rund acht Jahren schwelenden Streit um Diskriminierung bei einer Tortenbestellung abgewiesen, weil der offen schwule Kläger aus Belfast noch nicht alle rechtlichen Mittel in seinem Heimatland ausgeschöpft habe (Az. 18860/19). Das Straßburger Gericht teilte mit, dass die Entscheidung nicht einstimmig gefallen sei, erklärte aber nicht, wie viele der sieben Richter*innen dagegen gestimmt haben.
Der Fall geht auf das Jahr 2014 zurück: Gareth Lee hatte anlässlich des Tages gegen Homophobie eine Torte bei der "Ashers Baking Company" bestellt. Er bezahlte im Voraus 36,50 Pfund (knapp 44 Euro). Auf der Torte sollten die "Sesamstraßen"-Figuren Ernie und Bert und die Aufschrift "Unterstützt die Ehe-Öffnung" samt dem Logo von Lees Gruppe "Queerspace" abgebildet sein. Zu diesem Zeitpunkt war die gleichgeschlechtliche Eheschließung in Nordirland noch verboten.
Die Bestellung war damals von der Konditorei storniert worden mit dem Argument, dass man als christlicher Betrieb nicht gezwungen werden dürfe, Produkte anzubieten, die religiösen Überzeugungen entgegen stünden. "Wir wollen nichts unterstützen, was unserem biblischen Glauben widerspricht", begründete der evangelikale Konditorei-Geschäftsführer Daniel McArthur die Ablehnung.
Daniel McArthur und seine Frau führen die "Ashers Baking Company" als christliches Unternehmen (Bild: Screenshot Sky News)
Britisches Höchstgericht entschied zugunsten der christlichen Konditorei
Der Fall ging daraufhin durch mehrere Instanzen. Aktivist Lee erklärte, dass die Konditorei mit ihrer Weigerung gegen das britisch-nordirische Gleichbehandlungsgesetz verstoßen habe, das Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung beim Zugang zu Dienstleistungen verbietet. 2018 entschied der Londoner Supreme Court, der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs, dass die Ablehnung des schwulen Kunden nicht wegen dessen sexueller Orientierung erfolgt sei. "Die Konditoren durften nicht Herrn Lee ablehnen, weil er ein schwuler Mann war. Aber es handelt sich um einen anderen Sachverhalt, wenn sie eine Torte mit einer Botschaft, der ihnen zutiefst widerstrebt, anbieten müssen", heißt es in der Urteilsbegründung. Die Richter*innen beriefen sich dabei auf die Grundrechte von Religionsfreiheit und Gewissensfreiheit.
Lees Anwaltskanzlei argumentierte jedoch, dass das britische Höchstgericht die Europäische Menschenrechtskonvention in ihrer Entscheidung "nicht angemessen" berücksichtigt habe, und ging deshalb nach Straßburg. Dort erklärten die Richter*innen in ihrer Entscheidung jedoch, dass der Kläger seine "Konventionsargumentation" nicht ausreichend vor britischen Gerichten vorgetragen habe. Wegen des Subsidaritätsprinzips – also der Regel, das Straßburg erst einschreitet, wenn alle Möglichkeiten vor nationalen Gericht ausgeschöpft sind – könne die Klage nicht angenommen werden.
Die nordirische Bürgerrechtsorganisation Committee on the Administration of Justice kritisierte, dass es das Europa-Gericht wegen einer "Formalie" abgelehnt habe, sich mit dem Fall zu beschäftigen. Damit habe Straßburg eine Chance verpasst.
Erfreut zeigte sich das Christian Institute. Die LGBTI-feindliche christliche Lobbygruppe hatte die Konditorei in dem Rechtsstreit unterstützt. Die Entscheidung aus Straßburg sei "eine gute Nachricht für die Meinungsfreiheit, eine gute Nachricht für Christen und eine gute Nachricht für die McArthurs", hieß es in einer ersten Reaktion.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat, nicht zur Europäischen Union. Er entscheidet auf Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dem Europarat gehören 47 Mitgliedstaaten an. Die Urteile des EGMR sind für die Mitgliedstaaten bindend; allerdings hat der Europarat vergleichsweise wenig Macht, eine Umsetzung der Urteile seines Gerichtshofs zu erwirken. Dem Europarat gehören alle europäischen Länder mit Ausnahme von Belarus, Kasachstan, dem Kosovo und dem Vatikanstaat an. (dk)
Update 14.50 Uhr: Gareth Lee kritisiert Entscheidung scharf
Kläger Gareth Lee hat sich enttäuscht über die Entscheidung des Straßburger Gerichts gezeigt: "Niemand von uns sollte zugemutet werden, erst einmal den Glauben von Firmenbesitzern herauszufinden, bevor man in deren Laden geht und für ihre Dienstleistungen bezahlt", sagte er. Die Abweisung seiner Klage aufgrund formaler Gründe bezeichnete er als "frustrierend".
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