Jürgen von der Lippe hält geschlechtersensible Sprache für einen aufgesetzten Trend. "Es ist doch ein Skandal, dass Universitäten verlangen, dass Arbeiten von den Studenten gegendert und so in einem falschen Deutsch eingereicht werden", empörte sich der 73-jährige Entertainer in der "Bild am Sonntag" (Bezahlartikel). "Es entsteht der Eindruck, dass es eine breite Bewegung wäre. Aber das Gegenteil ist der Fall. Je nach Umfrage wollen bis zu 91 Prozent der Deutschen nicht gendern." Am meisten regen ihn demnach "die sinnfreien Partizipien" auf. Von der Lippe: "Der Bäcker ist ein Backender, wenn er in der Backstube steht. Wenn er auf dem Klo sitzt, dann nicht mehr."
Seit Jahren wird in Deutschland debattiert, ob und wie männliche Formen in der Sprache durch weiter gefasste Begriffe ersetzt werden – um Frauen, aber auch nichtbinäre und intergeschlechtliche Menschen einzubeziehen. Das Gendersternchen wie bei Lehrer*innen ist eine Möglichkeit. Manche setzen an die Stelle auch einen Doppelpunkt oder einen Unterstrich.
Von der Lippe findet diese Versuche gar nicht gerechter: "Wenn ich selbst queer wäre, also schwul, lesbisch, bi-, trans- oder intersexuell, wäre ich beleidigt, dass ich nur von so einem kleinen Zeichen repräsentiert werden soll." Außerdem frage er sich, was mit all den anderen Menschen sei, die benachteiligt seien. Solle für die auch etwas eingeführt werden? "Ein Emoji vielleicht? Das stimmt doch alles hinten und vorne nicht. Warum bleiben wir nicht einfach beim generischen Maskulinum, da kann sich jeder zu Hause fühlen."
Dreifach diskriminiert als "alter weißer Mann"?
Er bekenne, "ein alter weißer Mann" zu sein, der als Wurzel von Übeln wie Kolonialismus und Klimawandel ausgemacht sei, führte von der Lippe aus – wohl um Kritik vorwegzunehmen. "Nur wenn man es als Dreifach-Diskriminierung nutzt, ist es unzulässig. Denn ich darf wegen meines Alters, meiner Hautfarbe und meines Geschlechts nicht beleidigt werden. Da muss schon gleiches Recht für alle gelten."
Für ihn sei das "Gendern" eine Veränderung der Sprache "von oben", behauptete von der Lippe in dem "BamS"-Interview. Doch Sprache ändere sich "von unten". Ausnahme sei "das Beamtendeutsch. Wer sich so etwas wie 'Personenvereinzelungsanlage' ausdenkt, ist vielleicht auch vom Gendern begeistert."
Was gehässig ist und was nicht, bestimmt er selbst
Mit Genderstern-Bashing macht von der Lippe Werbung für sein neues Buch
Jürgen von der Lippe, der gerade ein neues Buch herausbringt ("Sex ist wie Mehl"), hatte in den 80ern und 90ern seine größte Fernsehzeit ("Donnerlippchen", "Geld oder Liebe"). Aus dieser Zeit bleiben auch zahlreiche Witze in Erinnerung, die auf Kosten queerer Menschen gingen. In seinem Buch "Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber…" erinnerte der Autor Johannes Kram u.a. an einen Witz über die Vergewaltigung eines heterosexuellen Ehemanns durch einen schwulen Einbrecher.
Während von der Lippe bereits 2007 zusammen mit anderen Prominenten einen Aufruf für einen Diskriminierungsschutz für Lesben und Schwule im Grundgesetz unterzeichnete, verteidigt er bis heute seine abwertenden Witze und kann in ihnen keine latente Homosexuellenfeindlichkeit erkennen. "Normalität schafft man nur durch Normalbehandlung", erklärte der Entertainer 2018 gegenüber "Spiegel" (queer.de berichtete). Homosexuelle müssten wie Blinde, Behinderte oder Ausländer in Witzen vorkommen dürfen – "solange diese nicht gehässig sind oder die Person verächtlich machen".
Bereits im vergangenen Sommer hatte sich Dieter Hallervorden über geschlechtergerechte Sprache echauffiert – und erklärt, dabei handle es sich um eine Vergewaltigung der Sprache (queer.de berichtete). Im November veröffentlichte Hallervorden sogar ein eigenes Lied gegen das "Gendern" (queer.de berichtete). "Ich muss wirklich nicht zu Sensibilität erzogen werden", beschwerte er sich erst am Montag gegenüber dem Berliner "Tagesspiegel". Das Thema geschlechtergesrechte Sprache, behauptete er, "bringt mich absolut nicht auf die Palme, ich erlaube mir vielmehr sachlich darüber zu diskutieren". (cw/dpa)