Ein Weihnachtsfilm im Januar? Gut, die Erinnerungen sind ja noch nicht ganz verblasst. Und nicht wenige werden sich kürzlich gefühlt haben wie Prinzessin Diana im Dezember 1991: Eigentlich gar keine Lust, zur Familie aufs Land zu fahren, auf ihre albernen Traditionen und das steife Miteinander. Doch nur drei Tage, mehr sind es nicht, dann ist es wieder einmal geschafft. Nur dass das Ganze eine andere Fallhöhe hat, wenn man Prinzessin ist, kurz vor der Scheidung vom Thronfolger steht und die ganze Welt auf Neuigkeiten wartet.
Entsprechend gestresst fährt Diana (Kristen Stewart) in ihrem Porsche 911 zum Schloss Sandringham. Sie verfährt sich, dabei ist sie ganz in der Nähe aufgewachsen. Sie kommt zu spät – wieder einmal. Sie musste ja noch mit ihren Chanel-Pumps und mit Chanel-Sonnenbrille durch einen Acker stapfen, um einer Vogelscheuche die Jacke zu stibitzen.
Im Schloss ist es kalt – auch die Familie wärmt sie nicht
Poster zum Film: "Spencer" startet am 13. Januar 2022 im Kino
Dort angekommen, findet sich Lady Di wieder in einer Umgebung, von der sie sich zunehmend entfremdet hat. Alles ist bedrückend. Hier gibt es nur Vergangenheit, denn auch die Gegenwart ist Vergangenheit, sagt sie ihren zwei Söhnen William und Harry. Die Kinder spüren, dass es ihrer Mutter nicht gut geht.
Jeder ihrer Schritte wird von allen beobachtet. Ob sie das richtige Kleid anzieht, ob sie endlich mal einen Bissen vom Essen zu sich nimmt. Es ist zugig in dem alten Schloss, Diana friert andauernd. Doch es ist auch die Kälte innerhalb der Familie, die sie zum Zittern bringt. Hier gibt es keinen Raum zur Entfaltung, das macht der chilenische Regisseur Pablo Larraín in seinem Biopic deutlich. Die Musik, eine Mischung aus Popsongs wie dem sehr passenden "All I Need Is A Miracle" und dissonanten Klängen, unterstützt das.
Manchmal wird "Spencer" allzu kitschig
Diana (Kristen Stewart) im gelben Kostüm im Park von Schloss Sandringham (Bild: Pablo Larraín / DCM)
Doch er zeichnet seine Hauptfigur nicht als reines Opfer. Das würde Diana nicht gerecht werden. Sie ist eine komplexe Persönlichkeit, die ihr Bild in der Öffentlichkeit zu kontrollieren weiß. Sie wusste, damals noch unter ihrem titelgebenden Geburtsnamen Spencer, worauf sie sich einlassen würde.
Natürlich ist es Kristen Stewart, durch die "Spencer" überhaupt erst ein sehenswertes Spektakel wird. Die bisexuelle US-Amerikanerin hat sich nicht nur einen authentischen Akzent zugelegt, sie verkörpert Diana durch und durch. Ihre Blicke, Gesten und ihr Gang gleichen denen der Prinzessin – eine perfekte Illusion. Verdientermaßen stellen ihr viele Kritiker*innen für ihre Leistung eine Oscar-Nominierung in Aussicht. Doch auch Timothy Spall als Oberaufseher Major Gregory glänzt in seiner Rolle.
An manchen Stellen übertreibt es das Drehbuch von Steven Knight jedoch. Insbesondere einige Szenen mit Harry und Charles wirken zu aufgesetzt und triefen vor Kitsch. Das hätte es gar nicht gebraucht, denn die Geschichte ist bewegend genug. Und traurig, wo alle wissen, dass die Befreiung am Ende des Films nicht lange anhalten wird: Keine sechs Jahre später stirbt Diana in Paris bei einem Autounfall.
Infos zum Film
Spencer. Biopic. Großbritannien, Deutschland 2021. Regie: Pablo Larraín. Darsteller*innen: Kristen Stewart, Jack Farthing, Richard Sammel, Amy Manson, Sally Hawkins, Sean Harris, Timothy Spall. Laufzeit: 111 Minuten. Sprache: deutsche Synchronfassung. FSK 12. Verleih: DCM. Kinostart: 13. Januar 2022
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