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Tübingen
OB-Wahl: Palmer tritt nicht mehr als Grünen-Kandidat an
Der wegen rassistischer und homophober Ausfälle berüchtigte Kommunalpolitiker will sich nicht an der Urwahl seiner Partei beteiligen – möglicherweise tritt er als Unabhängiger an.

Tritt Boris Palmer dieses Jahr noch mal an? Wenn er dies tut, müsste er sich wohl mit einer grünen Gegenkandidatin messen
- 18. Januar 2022, 12:11h 2 Min.
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer will bei der OB-Wahl seiner Stadt im Herbst nicht als Kandidat der Grünen antreten. Er werde sich wegen des beginnenden Parteiausschlussverfahrens nicht am Nominierungsprozess seiner Partei beteiligen, teilte der Grünen-Politiker dem Stadtverband Tübingen in einem Schreiben mit, über das die "Stuttgarter Zeitung" am Montagmorgen zuerst berichtet hatte. Das Blatt erklärte weiter, dass Palmer wohl als unabhängiger Kandidat antreten werde. Allerdings gibt es dazu noch keine Bestätigung des langjährigen Oberbürgermeisters. Die letzten beiden Wahlen hatte Palmer mit 50,4 Prozent (2006) bzw. 61,7 Prozent (2014) jeweils im ersten Wahlgang für sich entschieden.
Inzwischen veröffentlichte Palmer das Schreiben auch auf seiner Facebook-Seite. In dem Brief erklärte der 49-Jährige, es sei "logisch und sachlich unmöglich, gleichzeitig ein Verfahren zur Nominierung und zum Ausschluss zu betreiben". Ein Kandidat könne nicht beides sein – "nominiert und ausgeschlossen".
Auch die Antwort des Stadtvorstands veröffentlichte Palmer: Dieser erklärte, das grüne Angebot zur Teilnahme an der Urwahl gelte weiterhin.
@heute 0938h: Liebe Mitglieder des Stadtverbands Tübingen von Bündnis 90/Die Grünen, Boris Palmer bat uns gestern,...
Posted by Boris Palmer on Tuesday, January 18, 2022
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Palmer ist seit inzwischen 15 Jahren Oberbürgermeister von Tübingen und gilt als einer der profiliertesten, aber auch umstrittensten Politiker*innen seiner Partei. Er war unter anderem wegen queerfeindlicher Äußerungen kritisiert worden. 2011 hatte er etwa in einem internen Thesenpapier gefordert, dass die Grünen die Forderung nach der Gleichberechtigung beim Adoptionsrecht hintenan stellen sollten, da dies "vorerst keine Forderung [ist], mit der sich 25 Prozent der Deutschen gewinnen lassen" (queer.de berichtete). 2016 warf er LGBTI-Aktivist*innen eine "überspannte Aggression gegenüber der Mehrheitsgesellschaft" vor (queer.de berichtete). Zuletzt profilierte sich der Kommunalpolitiker auch vermehrt mit transfeindlichen Anspielungen und Äußerungen (queer.de berichtete).
Bereits jetzt gibt es eine grüne Bewerberin um den OB-Posten: Die Ortsvorsteherin des Tübinger Stadtteils Weilheim, Ulrike Baumgärtner, hat ihre Kandidatur zur Urwahl angemeldet. Die Grünen sind in der Universitätsstadt die mit Abstand führende Macht: Bei der Gemeinderatswahl 2019 holte die Partei 34,6 Prozent – die zweitplatzierte SPD schaffte es lediglich auf 13,9 Prozent.
Das Parteiausschlussverfahren gegen Palmer war im November eingeleitet worden (queer.de berichtete). Anlass war ein angeblich satirisch gemeinter Facebook-Post zum Fußballer Dennis Aogo, in dem der Oberbürgermeister das N-Wort verwendet hatte. Die baden-württembergische Grünen-Führung betonte, dass das Verfahren eingeleitet wurde, weil es sich bei dieser rassistischen Beleidigung nicht um einen Einzefall gehandelt, sondern es eine lange Liste von kalkulierten Ausrutschern und inszenierten Tabubrüchen gegeben habe. Als Beispiel wurde auch die queerfeindliche Rhetorik genannt. (AFP/dpa/dk)
