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"Bedenklicher Content"
Queerbeauftragter der Bundesregierung warnt vor queerem Verein "Liebe wen Du willst"
"Liebe wen Du willst" brachte in den letzten Tagen die queere Community mit abwertenden Kommentaren gegen sich auf. Jetzt reagiert auch Sven Lehmann.

Sven Lehmann ist seit dem 5. Januar erster Beauftragten der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Bild: Grüne / Cornelis Gollhardt)
19. Januar 2022, 11:30h 4 Min. Von
Der Grünenpolitiker Sven Lehmann, seit zwei Wochen Queerbeauftragter der Deutschen Bundesregierung, hat auf seiner Twitterseite vor "Liebe wen Du willst" gewarnt. Der in Berlin ansässige Verein hilft eigenen Angaben zufolge ehrenamtlich "Opfern von Diskriminierung, Homophobie, Mobbing und Gewalt".
"Der Verein #LiebeWenDuWillst fällt derzeit durch bedenklichen Content bei Instagram auf. Insbesondere gegenüber trans & nicht-binären Menschen", so Lehmann in dem Eintrag vom Mittwochvormittag. "Ich möchte ausdrücklich junge Menschen davor warnen. Bitte wendet Euch an professionelle Beratungsstellen, wenn ihr Hilfe braucht."
Twitter / svenlehmannDer Verein #LiebeWenDuWillst fällt derzeit durch bedenklichen Content bei Instagram auf. Insbesondere gegenüber trans & nicht-binären Menschen.
Sven Lehmann (@svenlehmann) January 19, 2022
Ich möchte ausdrücklich junge Menschen davor warnen.
Bitte wendet Euch an professionelle Beratungsstellen, wenn ihr Hilfe braucht!
Hintergrund ist Kritik, die in den letzten Tagen viel Widerhall in sozialen Netzwerken fand – am Montag äußerte sich unter anderem Podcaster und "Prince Charming"-Gewinner Lars Tönsfeuerborn: "Bei genauerer Betrachtung dieser Organisation sind mir einige Missstände aufgefallen, dazu gehören Diskriminierung, Kritikunfähigkeit und die mögliche Gefährdung von Jugendlichen", so Tönsfeuerborn in einem achtminütigen Instagram-Video.
Der 31-Jährige erklärte, dass der vor allem bei Instagram und TikTok aktive Verein "Liebe wen Du willst" ein Krisen- und Notfalltelefon aktiv bewerbe, dass von einem Jugendlichen geleitet werde. "Wo ist da das Fachpersonal?", fragte er. Gerade wenn es um seelische Gesundheit gehe, brauche man Expert*innen, besonders wenn man sich an einer Gruppe mit überdurchschnittlicher Suizidrate wende.
Tönsfeuerborn: Verein "respeklos" gegenüber geschlechtlichen Minderheiten
In dem Video kritisierte Tönsfeuerborn auch den respektlosen Umgang von "Liebe wen Du willst" mit anderen. Er bezieht sich dabei auf ein kurz zuvor veröffentlichtes Video von Vereinsgründer Steve Hildebrandt, der Unverständnis zeigte über den Wunsch von nichtbinären Menschen, geschlechtsneutrale Pronomen zu benutzen. In einem von Tönsfeuerborn geteilten Ausschnitt eines Live-Videos des Vereins machte sich Hildebrandt mit einer Co-Moderatorin zudem regelrecht über eine zugeschaltete nichtbinäre Person lustig – darin lachten sie eine mutmaßlich minderjährige Person sogar aus und blockierten sie anschließend. "Ich habe keine Lust, mich mit Menschen zu unterhalten, die einfach keine Ahnung von dem haben, was sie sagen", so Hildebrandt. Tönsfeuerborn bezeichnete diesen Umgang als "respektlos". Und erklärte: "Ganz ehrlich, Freunde: Am Ende kann jeder entscheiden, welche Pronomen er nutzt – und dies sollte auch so akzeptiert werden."
Mehrere queere Organisationen distanzierten sich von "Liebe wen Du willst". Der Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes erklärte etwa auf Twitter (Rechtschreibung korrigiert): "Wir finden die Aussagen und das Verhalten von [Liebe wen Du willst] schrecklich. Es gab keine Zusammenarbeit zwischen Bundesverband & dieser Organisation."
Twitter / lsvddanke für den hinweis. wir finden die aussagen und das verhalten von lwdw schrecklich. es gab keine zusammenarbeirt zwischen bundesverband & dieser organisation. der landesverband berlin-brandenburg ist auf deren homepage mit logo als partner gelistet. wir haben bescheid gegeben
LSVD-Bundesverband (@lsvd) January 18, 2022
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Auch der Berliner Respektpreis-Träger SchwuZ reagierte ablehnend auf die Debatte: "Wir arbeiten nicht mit dem Verein zusammen und werden diesen auch bitten unser Logo von der Website zu entfernen", schrieb der 1977 als SchwulenZentrum gegründete Verein auf Instagram.
Instagram / dimxoo | Der Tiktoker und Instagramer Dimxoo kritisiert, dass der "Liebe wen du willst"-Chef über sein Video über nichtbinäre Pronomen ins Lächerliche zieht
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"Es ist gerade lustig zu sehen, wie sich jetzt irgendwelche Menschen zusammenrotten"
"Liebe wen Du willst" reagierte bislang recht dünnhäutig auf Kritik und verteidigte zunächst das bisherige Verhalten – inzwischen entschuldigte sich der Verein, allerdings mit Vorbehalten. Einige der teils aggressiven Einträge in sozialen Medien der letzten Tage wurden inzwischen wieder gelöscht. In einem derzeit noch öffentlichen Video warf Hildebrandt den Kritiker*innen vor, aus unlauteren Motiven zu handeln: "Es ist gerade lustig zu sehen, wie sich jetzt irgendwelche Menschen zusammenrotten, darunter Straftäter, die angezeigt wurden, bis hin zu ehemaligen Teammitgliedern, die jetzt irgendwelchen Nonsens von sich geben – also Teammitglieder, die rausgeworfen wurden, und das ganze Thema jetzt nutzen, um zu hetzen", so eines der anklagenden Videos vom Montag, das unter anderem mit dem Hashtag #gegenfakenews verlinkt worden war.
Statement zum Pronomenvideo und allen anderen Gegebenheiten. 1/3 #statement #pronomen #jedersollakzeptiertwerden #keinechancedemhass #realtalk #gegenhetze #gegenfakenews
Posted by Liebe wen Du willst on Monday, January 17, 2022
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In einem am späten Dienstagabend veröffentlichten "abschließenden Statement" ruderte "Liebe wen Du willst" ein wenig zurück: "Wir möchten uns nochmal bei allen entschuldigen, die sich durch unser Video verletzt fühlten, auch wenn das nicht unsere Intention war Menschen auszugrenzen oder zu diskriminieren, ist uns bewusst geworden, dass es nicht relevant ist wie wir es meinten, sondern so, wie es bei anderen angekommen ist", heißt es in einem in den Kanälen des Vereins verbreiteten Eintrag. Einschränkend wurde aber hinzugefügt: "Dennoch war es nicht in Ordnung, was da teilweise passierte."
In einem dazugehörigen Video wurde weiter erklärt: "[...] wir waren respektlos, unüberlegt, unprofessionell und haben nicht gemerkt, dass wir damit Menschen verletzen können." Für das kommende Wochenende kündigte der Verein einen "respektvollen und aufklärenden Livestream" an.
ABSCHLIESSENDES STATEMENT Nach den vergangenen Ereignissen, haben wir uns mit verschiedensten Personen ausgetauscht,...
Posted by Liebe wen Du willst on Tuesday, January 18, 2022
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Eine generelle Notfall-Seelsorge für Menschen mit Suizidgedanken ist unter der kostenlosen Nummer 0800 111 0 111 zu erreichen (für Kinder und Jugendliche gibt es auch die kostenlose "Nummer gegen Kummer" unter 116 111).
Für trans Personen gibt es in Deutschland ein großes Netzwerk aus Treff-, Unterstützungs- und Beratungsangeboten. So bietet etwa die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität mehrere Beratungsstellen. Weitere lokale Angebote lassen sich oft über Suchmaschinen finden.

Kommt halt schön nichtssagend und angeblich harmlos flapsig daher, aber offenbar wenig Substanz dahinter.
Ich habe mir übrigens auch das von Lars Tönsfeuerborn wiedergegebene Video teilweise angesehen, in dem die NB-Person verspottet wird. Ich konnte es vor lauter Wut leider nicht bis zum Ende ansehen. Ich kann nur sagen, wer sich an eine solche "Hilfs"organisation wendet, braucht danach erstmal richtig und ernsthaft Hilfe. Und zwar von Leuten, die sich a) damit auskennen, b) JEDEN Menschen gleich respektvoll behandeln und dabei gleichzeitig c) jederzeit voll klare Kante gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit zeigen.
Danke, Sven, danke, Lars, danke, Queer.de, fürs Aufdecken dieser unhaltbaren Zustände!