Mit eigentlich illegalen Tricks versucht das BAMF offenbar, möglichst viele queere Menschen abzuschieben, die nach europäischen Recht eigentlich in Deutschland aufgenommen werden müssten (Bild: flickr / brx0 / by 2.0)
Der Lesben und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) hat scharfe Kritik am Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geübt. Die Nürnberger Behörde weise queere Asylsuchende "immer wieder in die schlimmsten Verfolgerstaaten wie beispielsweise Pakistan oder Iran" ab. Pakistan kann eine lebenslängliche Haftstrafe gegen Homosexuelle verhängen, im Iran ist sogar die Todesstrafe möglich, die dort immer wieder verhängt wird.
Das BAMF nutzt – wie queere Organisationen schon seit Jahren beklagen – für die Abschiebungen von queeren Menschen einen Trick: Das Amt behauptet schlicht, dass queere Menschen ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität in ihren Heimatländern heimlich ausleben könnten und dann ja nicht verfolgt würden.
Dabei ist diese Argumentation schon lange auf EU-Ebene nicht mehr erlaubt: Bereits 2013 hatte der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass es nicht zumutbar sei, schwule und lesbische Geflüchtete mit der Argumentation abzuweisen, dass sie ihre Sexualität im Heimatland ja geheim ausleben könnten (queer.de berichtete).
Zudem verweist der LSVD darauf, dass erst letztes Jahr zwei deutsche Gerichte diese Praxis ebenfalls bestätigt hätten: das Verwaltungsgericht Braunschweig, das im August über den Antrag eines Geflüchteten aus dem Iran verhandelt hatte, und das Verwaltungsgericht Leipzig, das sich im November mit dem Fall eines Antragstellers aus Nigeria befasste und dessen Urteil nun durch den LSVD öffentlich wurde. Die Gerichte hatten entschieden, dass bei der Prüfung eines Asylantrages nicht vom Antragsteller diskretes Verhalten verlangt werden dürfe und dass es im Heimatland ohnehin zu weiterer Verfolgung wegen des Queerseins kommen könne, selbst wenn sich eine Person diskret verhalte.
LSVD liegen 70 illegale Bescheide vor
2021 habe der LSVD dem BAMF zirka 70 negative Asylbescheide von queeren Geflüchteten zur Überprüfung vorgelegt, erklärte LSVD-Bundesvorstandsmitglied Patrick Dörr: "In allen diesen Bescheiden hat das BAMF ein mehr oder weniger ungeoutetes Leben zur Grundlage genommen, um die Verfolgungswahrscheinlichkeit bei Rückkehr zu beurteilen", so Dörr.
Weiter erklärte er: "Wir fordern das BAMF auf, sich endlich an geltende Rechtsprechung zu halten und queeren Geflüchteten ein faires Asylverfahren zu gewährleisten." Das BAMF müsse daher bei queeren Geflüchteten stets von einem "offenen, geouteten Leben und nicht von einem vermuteten 'Doppelleben'" ausgehen.
Innenministerin Faeser zum Handeln aufgerufen
Dörr zeigte sich erfreut, dass die Gerichte inzwischen in ihren Urteilen erklären, "dass die Behörden die Verfolgungswahrscheinlichkeit bei queeren Geflüchteten nicht anhand von fragwürdigen Prognosen beurteilen dürfen, ob diese bei Rückkehr ungeoutet und 'diskret' leben würden". Die neue Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) müsse "diesem rechtswidrigen Vorgehen im BAMF endlich einen Riegel vorschieben", forderte er. (dk)