Eine neue Steinstele in der bayerischen KZ-Gedenkstätte Flossenbürg erinnert künftig an die homosexuellen Opfer des NS-Regimes. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) weihte am Mittwoch gemeinsam mit Karl Freller, dem Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, den Gedenkstein ein. Geschaffen hat ihn der Bildhauer und Vorsitzende des CSD Nürnberg, Bastian Breuwer, der bei der live im BR übertragenen Zeremonie in einer Ansprache auch an die Verfolgung in der Nachkriegszeit erinnerte.
Das Denkmal, eine dreieckige Säule, die nach oben hin zu einem Winkel wird, sollte bereits im Oktober 2020 durch die damalige Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth und Landtagsabgeordnete eingeweiht werden (queer.de berichtete). Die Veranstaltung musste aber aufgrund von Corona abgesagt werden.
Nun standen die Stele und die homosexuellen NS-Opfer im Mittelpunkt des jährlichen Gedenkens des bayerischen Landtags und der Gedenkstätten-Stiftung an die Opfer des Nationalsozialismus. Zum Gedenken legte Aigner auch einen Kranz in der Gedenkstätte in der Oberpfalz nieder.
"Mit dem diesjährigen Schwerpunkt wollen wir den homosexuellen Opfern eine Stimme geben", sagte Aigner. "Das Schweigen zu brechen, ist zentrale Aufgabe des Gedenkens rund um den 27. Januar. Vor 77 Jahren befreiten die Soldaten der Alliierten die deutschen Konzentrationslager. Sie stießen Tore des Schreckens auf und offenbarten der Welt Dimensionen der Unmenschlichkeit, die bis dato unbekannt waren."
Im Konzentrationslager Flossenbürg, das circa auf halber Strecke zwischen Nürnberg und Prag lag und fast 90 Außenlager umfasste, wurden zwischen 1938 und 1945 mindestens 379 Männer von der SS als "Homosexuelle" registriert. Nachweislich 95 von ihnen starben im Lager. Sie waren nicht nur gewalttätigen Übergriffen durch die SS ausgesetzt, sondern wurden auch durch andere Insassen bedroht.
"Wer vergessen will, bahnt der Wiederholung den Weg. Nicht die Geschichte wiederholt sich", sagte Aigner. "Es sind Menschen, die bereit sind, Unmenschlichkeit wieder zuzulassen." Die CSU-Politikerin erinnerte daran, dass Mitglieder der queeren Community weltweit immer noch unter Diskriminierung, Anfeindung und Gesetzgebung gegen sie zu leiden hätten. Im allgemeineren Teil der Rede kritisierte Aigner auch "Spaziergänge" gegen Corona-Maßnahmen: "Wenn rechts und links Extremisten marschieren, wenn sie das Geschehen dominieren oder gar initiiert haben, dürfen Demokratinnen und Demokraten sich nicht gemein machen mit Feinden der freien Gesellschaft". Wer Corona-Maßnahmen mit NS-Verfolgung gleichsetze, den Holocaust verharmlose, habe jedes Maß und jeden Anstand verloren.
"Aus der Vergangenheit lernen heißt, die Zukunft zu ändern!", betonte Gedenkstätten-Direktor Freller. "Ich möchte in einer Welt der Freiheit und Toleranz leben, und nicht in einer, in der gewaltbereite Demokratie-Gegner fackeltragend durch die Straßen spazieren und Nazi-Parolen skandieren – wie in vielen deutschen Städten derzeit – oder Denkmäler für homosexuelle Opfer der Nazizeit schänden, wie vor wenigen Tagen wieder in Köln geschehen" (queer.de berichtete).
Musikalisch wurde der Gedenkakt von jungen Musikerinnen und Musikern des Hornensembles des Symphonieorchesters der Universität Regensburg gestaltet. Zudem trug Luca Fabièn Dotzler, nicht-binäre*r Künstler*in, "Das lila Lied" vor, die erste Hymne der homosexuellen Bewegung aus dem Jahre 1920. Vier Jugendliche, die sich in besonderer Weise für das Projekt "ReMember – deine Geschichte zählt" engagierten, trugen während des Zugs zur neuen Stele die Kränze.
Das neue Denkmal, das im sogenannten "Tal des Todes" errichtet wird, ist bereits seit vielen Jahren ein aktives Anliegen des queeren Zentrums Fliederlich e.V. aus Nürnberg und der LGBTI-Community der Stadt. Der Verein hatte in den letzten Jahren zahlreiche Spenden für die Realisierung gesammelt sowie den Entwurf und die Gestaltung des Denkmals in Auftrag gegeben.
"Homosexuelle Männer waren eine der wenigen Opfergruppen des NS-Regimes, deren staatliche Verfolgung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in der Bundesrepublik fortgesetzt wurde", sagte Bildhauer und CSD-Vorstand Bastian Breuwer. "An ein Gedenken an diese Männer oder gar eine Rehabilitierung war Jahrzehnte nicht zu denken – im Gegenteil – dieselben Polizisten verfolgten sie weiter und dieselben Richter sprachen das Unrecht fort. […] Es ist nun an der Zeit, dieser Opfergruppe ein würdiges Gedenken zu schaffen, und ich danke besonders dafür, dass ich meinen Teil dazu beitragen durfte."
Bastian Breuwer bei seiner Rede. Bild: Bayerischer Landtag / Rolf Poss
Der Fliederlich e.V. hatte 2020 bereits mit der Ausstellung "Schwules Leiden im KZ Flossenbürg" den Männern gedacht. Am Nürnberger Magnus-Hirschfeld-Platz erinnert ein steinerner Winkel an die schwulen Opfer und eine Steinkugel an die lesbischen Opfer der NS-Zeit, während eine Tafel die Verfolgung auch in der Nachkriegszeit thematisiert (queer.de berichtete).
Im Rahmen der jährlichen Gedenkveranstaltungen von deutschen Parlamenten an NS-Opfer, zeitlich angelehnt an die Befreiung vom KZ Auschwitz am 27. Januar 1945, hatten zuletzt mehrere Landtag schwerpunktmäßig an homosexuelle NS-Opfer gedacht, darunter Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg. Ein entsprechendes Gedenken im Bundestag steht noch aus (queer.de berichtete). An Mahnmalen zu homosexuellen NS-Opfern finden am Donnerstag Gedenkveranstaltungen in Berlin, Köln (online) und Mainz statt. (cw/dpa/pm)