Die Heilsarmee hat in der Regel ein positives Image als Hort der christlichen Nächstenliebe. Wie eine Reportage des Schweizer Fernsehens SRF zeigt, ist sie aber auch ein Hort der Homophobie: SRF-Journalist Livio Chistell zeigt in der Dokumentation "Plötzlich hetero? Wie bibeltreue Seelsorger:innen queere Menschen umpolen wollen", wie die Heilsarmee im Namen von Jesus Christus Homosexuelle in Heteros verwanden will.
Chistell besuchte undercover unter dem Pseudonym Guido mehrere "Lebensberaterinnen und -berater sowie Seelsorger aus dem evangelikalen Milieu", um sich von seiner Homosexualität "befreien" zu lassen. Die Heilsarmee bot ihm dabei "Befreiung" per Gruppen-Gebet an.
(Bild: Screenshot SRF)
In der Reportage wird gezeigt, wie ein Heilsarmee-Seelsorger sagte: "Herr Jesus Christus, wir preisen dich, dass Guido hierhergekommen ist. Wir finden das so toll. Ich danke dir, dass du diese Lossagung leitest. Damit er heute frei werden kann von diesem Empfinden, das ihn so stört." Dann durfte "Guido" folgende Worte nachbeten: "In deinem Namen, Jesus Christus von Nazareth, löse ich mich von dieser Hingezogenheit zu Männern. Ich löse mich davon. Im Namen Jesu."
Heilsarmee: Reporter hat um Seelsorge gebeten und diese erhalten
In einer Stellungnahme verteidigte die Heilsarmee dieses Vorgehen: "Der Reporter hat unter Vorspielen einer falschen seelischen Not ('homosexuelle Neigungen') uns um Seelsorge gebeten und diese erhalten", heißt es in einer Pressemitteilung der Freikirche. "Hätte sich der Reporter als Homosexueller geoutet und den Wunsch geäußert, diese ausleben zu wollen, wäre unser Seelsorgeteam anders vorgegangen als im Film dargestellt und hätte ihn auch darin begleitet." Ferner hieß es: "Die Heilsarmee bietet keine Konversionstherapien an. Sie distanziert sich in aller Form davon, Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zu beurteilen und ihre sexuelle Orientierung therapieren zu wollen."
Die LGBTI-Organisation PinkCross kritisierte diese Stellungnahme als "dürftig" und erklärte, dass sich die Heilsarmee von der Praxis der "Wegbetung" nicht distanziert habe. "Das ist unhaltbar! Die Heilsarmee als Organisation hat die Verantwortung, dass in ihren Kreisen keine schädlichen Praktiken wie solche 'Umpolungsversuche' stattfinden", so Vorstandsmitglied Jan Müller. "Schwul sein kann nicht 'weggebetet' werden! Wir fordern deshalb den Bundesrat [die schweizerische Regierung] auf, die Vorgänge bei der Heilsarmee national koordiniert zu untersuchen und zu gewährleisten, dass nirgends mit Steuergeldern Konversionsmaßnahmen durchgeführt werden."
Nach Angaben von PinkCross habe die Heilsarmee alleine im Jahr 2020 mehr als 57 Millionen Franken (56 Millionen Euro) staatliche Zuschüsse erhalten. Laut der Heilsarmee fließe dieses Geld aber ausschließlich in die Sozialarbeit.
Forderung nach Verbot der "Homo-Heilung"
In der Schweiz gibt es – anders als in Deutschland – kein Gesetz gegen "Homo-Heilung". Momentan sind mehrere parlamentarische Initiativen im Parlament von Bern hängig, die ein solches schweizweites Verbot und die Bestrafung von Konversionsmaßnahmen fordern. "Ein strafrechtliches Verbot und ein Arbeitsverbot für Anbieter*innen solcher unnützen und schädlichen 'Therapien' ist dringend notwendig", erklärte PinkCross-Chef Roman Heggli. "Es wirkt abschreckend-präventiv und kann weiteren Schaden verhindern."
Bereits vor knapp einem Jahrzehnt hatten in der Schweiz queere Aktivist*innen dagegen protestiert, dass die Heilsarmee trotz ihres homophoben Gedankenguts das Land 2013 mit einer eigenen Band beim Eurovision Song Contest vertreten sollte (queer.de berichtete). Beim ESC in Malmö durfte die Band schließlich nicht unter dem Namen Heilsarmee und nicht in ihren Uniformen auftreten – sie scheiterte bereits im Halbfinale.
Die 1865 in London gegründete Heilsarmee ist eine christliche Freikirche, die sich in der Vergangenheit widersprüchlich gegenüber queeren Menschen verhalten hat. 2004 drohte sie etwa in New York City mit der Schließung aller Suppenküchen für Obdachlose, sollte die Stadt Antidiskriminierungsrichtlinien für Schwule und Lesben einführen (queer.de berichtete). 2013 entschuldigte sich die US-Heilsarmee für die Verbreitung homophober Links und distanzierte sich ausdrücklich von "Homo-Heilung" (queer.de berichtete). (dk)