30 Jahre ist es 2022 her, dass Roland Emmerich mit "Universal Soldier" endgültig auch der in den USA der Durchbruch als Blockbuster-Regisseur gelang. In der eindrucksvollen Hollywoodkarriere des gebürtigen Stuttgarters, zu deren Höhepunkten Welterfolge wie "Independence Day", "Godzilla", "The Day After Tomorrow" und "2012" gehören, schlägt er nun mit "Moonfall" das nächste Kapitel auf.
Der Katastrophen-Science-Fiction-Film ist Kino, wie der 66-Jährige es liebt: groß und laut, bombastisch und nicht gerade bierernst, mit einer Bedrohung aus dem Weltall und Endzeitstimmung auf der Erde. Wir konnten dazu ein kurzes Video-Telefonat mit ihm führen.
Herr Emmerich, Sie waren schon mitten drin in der Vorbereitung für "Moonfall", als 2020 die Corona-Pandemie erst einmal für Stillstand sorgte. Wie weit war das Projekt schon vorangeschritten?
Wir hatten schon drei Monate lang die Dreharbeiten vorbereitet, aber die Kameras liefen noch nicht. Irgendwann war klar, dass wir nicht weitermachen können. Es dauerte dann gut vier Monate, bis wir wussten, dass es doch wieder weitergehen kann.
Sie hatten also wirklich Bedenken, das Projekt könnte gestorben sein?
Absolut. Dass wir überhaupt weitermachen konnten, lag nur an einer Versicherung der Allianz, die damals griff und dabei half, den Film erst einmal zu retten. Trotzdem mussten wir am Ende rund 5,6 Millionen Dollar ausgeben, die nicht eingeplant waren, nur um die gesamten Covid-Maßnahmen durchführen zu können, die für den Dreh nun nötig waren. Das konnten wir nur auffangen, in dem wir unseren Dreh-Zeitraum um acht Tage auf 61 Tage gekürzt haben. Das ist für eine riesige Produktion wie "Moonfall" ein enormer Einschnitt. Das hat mir schwer zu schaffen gemacht.
Hätten Sie wie früher ein großes Hollywoodstudio im Rücken gehabt, wäre die Sache sicherlich weniger stressig gewesen, oder?
Ja, und zum erstem Mal überhaupt fragte ich mich damals: Warum mache ich das hier eigentlich noch alles? Auf der anderen Seite gibt mir die Entscheidung, meine Filme inzwischen als Independent-Produktionen selbst auf die Beine zu stellen, so viel mehr Freiheit, die ich nicht missen möchte. Und das Schwierige an den Dreharbeiten zu Corona-Bedingungen waren nicht nur die verringerten Tage oder die höheren Kosten. Sondern auch, dass ich mich zum Beispiel an den Wochenenden nicht mit meinen Schauspielern treffen durfte. Normalerweise mache ich da Dinner-Parties, wo wir über den Film sprechen. Doch dieses Mal habe ich die Schauspieler nur am Set getroffen, wo ich Maske tragen und Abstand halten musste.
"Moonfall" entspricht genau der Art spektakulären Event-Kinos, mit denen Sie in den 1990er und 2000er Jahren einen Erfolg nach dem nächsten feierten. Heute locken meist nur noch Comicverfilmungen und Remakes das ganz große Publikum an. Fühlt sich Ihr neuer Film heutzutage an wie ein Wagnis?
Das würde ich schon sagen, denn die Leute sind geeicht auf Marvel und "Star Wars", das ist alles. Da ist es fast wahnsinnig, etwas ganz Neues zu produzieren, das nicht auf einer bekannten Marke basiert und entsprechend nicht schon automatisch eine große Fangemeinde mitbringt.
Wo führt das denn aber noch hin? Im Kino nur noch Marvel, und alles andere läuft auf Streamingdiensten?
Gute Frage. Ich mache mir auf jeden Fall Sorgen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass all die Kinoketten nur mit Comicverfilmungen überleben können. Das wird noch sehr heftig für die ganze Branche.
Sie selbst haben auf die Kollaboration mit Streamingdiensten nach wie vor keine Lust?
Wenn es um Serien geht, natürlich schon, das kann ich mir gut vorstellen. Aber die Filme, die ich drehe, gehören auf die Leinwand. Ich weiß nicht, ob ich Lust darauf hätte, so etwas auch für einen Streamingdienst zu machen. Deswegen mache ich fürs Erste mal so weiter wie zuletzt und hoffe darauf, dass die Pandemie irgendwann in diesem Jahr vorbei ist und die Leute wieder ins Kino gehen. Wenn das so weit ist, müssen wir uns ganz genau ansehen, wie die Lage wirklich ist – und erst dann Entscheidungen treffen.
Es ist ja auch nicht so, dass ich nur solche aufwändigen Filme mit vielen Spezialeffekten und großen Bildern drehe. Einiges – wie etwa mein Projekt "Shooting Star" über einen Drehbuchautor im Hollywood der Stummfilmzeit – könnte womöglich doch auch bei einem Streamingdienst ganz gut funktionieren. Zumal sich solche kleineren Filme ohnehin fürs Kino meist noch viel schwieriger finanzieren lassen als die großen. "Stonewall" zum Beispiel wollte niemand machen, also habe ich den komplett selbst gestemmt.
Apropos "Stonewall", der ja damals größtenteils bei der Kritik schlecht wegkam und im Kino floppte. Hoffen Sie manchmal, dass der Film noch eine späte Wiederentdeckung erfährt?
Für mich war die Geschichte eine Herzensangelegenheit, und ich finde immer noch, dass das eine Herzensangelegenheit war. Zuletzt habe ich mitbekommen, dass er auf etlichen Streamingplattformen in Amerika verfügbar ist und auch richtig beworben wird. Das freut mich natürlich. Und ich bleibe dabei, dass der Film damals sehr, sehr gut recherchiert war.
Im Nachhinein wünschte ich, es hätte eine öffentliche Podiumsdiskussion gegeben zwischen mir und der jungen schwarzen trans Frau, die damals nach der Ansicht des Trailers auf Twitter zu einem Boykott des Films aufrief und mir Whitewashing vorwarf. Aber davon wurde mir in meinem Umfeld abgeraten, und ich sollte stattdessen auf die Sache gar nicht reagieren. Das war vielleicht ein Fehler.
ich habe schon damals nicht verstanden, warum manche den Film so hassen und sogar zum Boykott aufgerufen hatten. Vorzugsweise Leute, die den Film gar nicht gesehen hatten, sondern nur anhand von Trailern ihr Urteil bildeten.
Der Hauptkritikpunkt war, dass die Rolle der Dragqueens und Transsexuellen zu kurz gekommen sei. Aber was diese Leute nicht verstanden haben war, dass der Film eben keine Doku ist, sondern ein Spielfilm, der Stonewall anhand der Erlebnisse eines jungen, weißen, schwulen Mannes erzählt und wie ihm dies erwachsen gemacht hat. Das ist keine Geschichtsklitterung, sondern einfach nur eine Perspektive auf eine Facette der Geschichte.
Und es ist ja auch keineswegs so, dass Schwarze, Trans, und Dragqueens in dem Film unsichtbar gemacht wurden. Aber die Hauptfigur ist halt Danny und die Geschichte wird aus seiner Perspektive erzählt. Das heißt nicht, dass das die einzige Perspektive ist, aber es ist halt eine mögliche Perspektive, denn es waren eben auch weiße schwule Männer an Stonewall beteiligt.
Diese Boykotte haben wieder mal gezeigt, dass wir selbst oft unsere größten Feinde sind. Denn hätten wir diesen Film nicht so runtergeputzt inkl. Boykottaufrufe an aufführende Kinoketten, dann hätten vielleicht auch mehr Heteros diesen Film gesehen und das hätte vieles beschleunigt.
Der Film ist und bleibt toll. Ja, nicht der beste LGBTI-Film aller Zeiten - bei weitem nicht. Aber auch viel besser als viele andere LGBTI-Filme.