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Erinnerung
Hans Neuenfels gestorben
Der Theater- und Opernregisseur wurde 80 Jahre alt. Sein homoerotischer TV-Film "Reise in ein verborgenes Leben" wird bis heute unter Verschluss gehalten.
8. Februar 2022, 16:55h 2 Min. Von
In Berlin ist am Sonntag Hans Neuenfels im Alter von 80 Jahren gestorben. Just zu der Zeit, als die AIDS-Hysterie in der Bundesrepublik Deutschland ihren Höhepunkt erreichte, wollte der Theater- und Opernregisseur eine halb pornografische Phantasie über Jean Genets Homosexualität ins Fernsehen bringen. Neuenfels, der mit der Schauspielerin Elisabeth Trissenaar verheiratet war, hatte selbst wohl keine gleichgeschlechtlichen Gelüste, offenbar jedoch auch nicht die geringsten Berührungsängste.
In dem 1983 gedrehten Film "Reise in ein verborgenes Leben" trifft ein Wanderer auf einen Polizisten, mit dem es zu sadomasochistischen Spielchen kommt. Später gesellt sich noch ein Matrose dazu, der sich nach einem erotischen Erlebnis mit den Worten verabschiedet: "Denk an mich, wenn dir mein Saft aus dem Arsch läuft!"

Szene aus "Reise in ein verborgenes Leben"
Für den damaligen Fernsehspielchef des SFB war das Werk ein Verstoß gegen die guten Sitten – er untersagte die Ausstrahlung wegen "Pornografieverdachts". Auch andere ARD-Sender zeigten sich empört. Bis heute wurde der Film nie ausgestrahlt. Nur online war er mal zu sehen, beinahe unbemerkt und auch nur für wenige Stunden. Das kommt praktisch einer Zensur gleich. Es wäre an der Zeit, ihn endlich für alle frei zugänglich zu machen.
Hans Neuenfels war ein Universalgenie, das Filmemachen stellte nur einen Teil seiner Arbeit dar. Er galt vor allem als Theater- und Opernregisseur, der für seinen Scharfsinn, seinen bestechenden Weitblick und für seine Courage geschätzt wurde. Nicht selten kam es bei seinen Premieren zu Tobsuchtsanfällen im konservativ-bürgerlichen Publikum, das sich von den gezielt eingesetzten Tabubrüchen provozieren ließ.
Auch in seinen Bühneninszenierungen setzte Neuenfels häufig Bezüge zu queeren Themen ein, wie zuletzt in Richard Strauss' "Salome" an der Berliner Staatsoper, wo er in die Handlung um die grausame Tochter des Herodes die Figur des schwulen Oscar Wilde einflechten ließ.

Szene aus "Salome". Bild: Berliner Staatsoper
Auf dessen Vorlage beruht das Libretto des Stücks. Salome und Oscar, so die Botschaft, waren Schwestern im Geiste, die sich beide in ihrem sexuellen Begehren und in der Zurückweisung durch die Gesellschaft ausgegrenzt fühlten. Ein heterosexueller Regisseur, der auf so eine Idee kommt, muss sehr einfühlsam gewesen sein.

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