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Pop-Neuentdeckung
Nach diesen Songs sehnen sich queere Kids!
Als nichtbinäre Person nutzt Miki Ratsula die eigene Plattform, um das Leben offen zu dokumentieren – vom Coming-out über die Brust-OP bis hin zu Mental Health. Bald erscheint das Debütalbum "i owe it to myself".

Miki Ratsula lebt in Südkalifornien. Das Debütalbum "i owe it to myself" erscheint am 25. März 2022 (Bild: Ashley Osborn)
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12. Februar 2022, 10:56h - 5 Min.
Verrückte Zeiten für den Pop. Irgendwo zwischen TikTok-Snippets, dem nächsten Spotify-Skandal, schnell gefeierten und kurz darauf vergessenen Sternschnuppen und den alten "big playern" ist es als queerer, junger und kreativ arbeitender Mensch mehr als herausfordernd, echt zu bleiben und den eigenen Weg zu gehen. Zu verlockend sind die schnellen Versprechen einer Industrie, die ihren Kern sucht und doch häufig nur die Schale verspricht. Dass es auch anders geht, ohne Angst vor großen Emotionen und Melodien zu haben, zeigt die beeindruckende Geschichte von Miki Ratsula.
Schon gleich zu Beginn wird klar: Miki ist Miki. What you see is what you get, strahlt they schon sofort zu Beginn unseres Gesprächs aus. Zunächst darf erstmal der Kater mit ins Studio, bevor weitergesprochen werden kann. "Er hört einfach, dass ich hier drin bin, und dann muss ich ihn reinlassen", erklärt Miki grinsend, und es wirkt für mich sofort so, als säße ich mit im Raum. Dann steigen wir gleich ein, und they erzählt vom ganz eigenen Frieden machen und Ängste reinlassen, den Sound finden und anzunehmen, was das Leben jedem gibt.
Coming-out im Lockdown

Miki Ratsula mach der Brust-OP (Bild: Ashley Osborn)
Aufgewachsen als Kind finnischer Eltern in Kalifornien begann Miki Ratsula schon in der Highschool, die Gitarre in die Hand zu nehmen, Lieblingssongs zu covern und auf Youtube bereitzustellen. Sofort fand sich ein größeres Publikum, das die zutiefst besonderen Versionen feierte, und schnell weckte Mikis Können und eigener Stil Begehrlichkeiten. Ein eigener Manager kümmerte sich fortan um das aufstrebende Talent. Mikis natürliche und einnehmende Persönlichkeit machten es leicht, mit anderen Songwriter-Kolleg*innen an eigenen Tracks zu arbeiten und damit die Weichen zu stellen für die erste, große Veröffentlichung.
Doch dann kam die Pandemie. Der Lockdown. Alles änderte sich. Nicht nur im Außen, sondern auch im Inneren von Miki Ratsula.
"Ich realisierte, dass ich nichtbinär bin und mir auch eine Brust-OP wünschte. Das hat ganz schön lange gedauert, weil ich immer dachte, dass es normal sei, dass man als AFAB-Person seine Oberweite hasst und sie weghaben will. Doch dann kamen immer mehr Situationen, in denen ich spürte, wie schlecht es mir in meinem Körper und dem Geschlecht geht, das mir bei der Geburt zugewiesen wurde. Ich war neidisch und wütend auf meinen kleinen [cis-männlichen; Anm. d. Red.] Bruder, weil er einfach so sein cooles Shirt anziehen konnte und alle sagten, wie gut er aussah und dass er modeln solle. Ich fühlte mich hundeelend damit, vor allem weil ich ihn sehr liebe und diese negativen Gefühle gar nicht einsortieren konnte und zulassen wollte. Ich glaube, ich war echt unfair zu meinem Umfeld. Ich spürte, dass sich etwas ändern musste."
Mutige, klare und authentische Songs
All diese Gedanken kamen im Lockdown wieder hoch. Und Miki sprang vom Beckenrand ins ungewisse Wasser der neuen Identität. Auch vom Manager musste they sich im Laufe dieser Entwicklung trennen, bleibt über Details vage, schiebt aber dann nach, dass es sich um transfeindliche Aussagen drehte, die den Bruch verursachten. "Er war kein guter Mensch, davon musste ich mich distanzieren", erzählt Miki noch sichtlich betroffen und doch so klar und geerdet, dass schnell klar wird – dieser Weg geht nur in Richtung der eigenen Wahrheit und nicht mehr drumherum.
So mutig, klar und authentisch klingen auch die Songs vom bald erscheinenden Album "i owe it to myself". Diesen Satz hat sich Miki sogar kurz vor dem Videodreh zur Single "second" auf die Hand tätowieren lassen. Ein Filzstift hätte es sicher auch getan, doch they ist der "real deal". Kein Drumherum-Reden, Verletzlichkeit zulassen, Dinge aussprechen. Das berührt und stimmt nachdenklich.
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"I just need to love myself so I can love you better", heißt es im oben genannten Song, der von der Angst erzählt, einen geliebten Menschen zu verlieren, sobald sich die inneren Landkarten ändern. Und der klingt beeindruckend reif, reflektiert und tief. Ein Song, der spielerisch leicht mit nichts als einer wabernden Gitarre, dezent gesetzten, perkussiven Highlights und insgesamt sehr geschmackssicherer Produktion daherkommt und dabei so treffsicher ins Herz klatscht, als sei dieser Song die zwölfte und nicht die zweite Single.
Musik, die sich etwas traut
Diese Musik berührt, weil sie sich etwas traut. Weil sie Themen anspricht, die viele junge Menschen heute beschäftigen. Mentale Gesundheit, Body Dysphoria, Familiensysteme, Beziehung und Liebe, Zweifel und Hoffnung, Vergangenheit und Zukunft. Weil sie aber auch etwas von den Zuhörenden will. Sie fordert heraus, sich mit der eigenen Menschlichkeit auseinander zu setzen. Denn Mikis Songs sagen: "Seht her, ich bin hier. Ich gehe nicht weg. Ich singe von all dem, was euch auch berührt. Ich bin ein Mensch, so wie ihr."
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Diese erfrischende Unmissverständlichkeit zeigen wenige junge Pop Künstler*innen dieser Tage. Doch die Sehnsucht danach ist größer als je zuvor. Vor allem in diesen unsicheren Zeiten.
"Für mich haben sich dank des Lockdowns alle Dinge verändert", sagt Miki Ratsula. "Ich hatte schon ein Album in der Pipeline mit wirklich guten Songs, aber auch dadurch, dass ich meinen Weg finden und gehen konnte, ist es jetzt wirklich mein Album geworden. So bin ich, so ist Miki."
Zwei Jahre sind seit Beginn der Pandemie vergangen;m und für viele bedeutete diese Zeit Leid und Not. Doch Miki Ratsula zeigt mit "i owe it to myself", dass es immer Licht am Ende des Tunnels gibt. Wenn Mensch sich traut, wirklich hinzusehen. Und sich auf den Weg zu machen.
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Links zum Thema:
» Homepage von Miki Ratsula
» Miki Ratsula auf Instagram














