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Bundesversammlung

Steinmeiers Wahl ist eine gute Nachricht für queere Menschen

Frank-Walter Steinmeier bleibt Bundespräsident. Als Mitarchitekt der Agenda 2010 ist er umstritten, Floskeln prägen seine Reden – doch als erstes Staatsoberhaupt bat er LGBTI um Vergebung für staatliche Verfolgung.


Frank-Walter Steinmeier bleibt für weitere fünf Jahre Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland (Bild: The Presidential Office of Ukraine / wikipedia)

Frank-Walter Steinmeier bleibt Bundespräsident. Die Bundesversammlung stimmteEs am Sonntag mit großer Mehrheit für eine zweite Amtszeit des 66-jährigen ehemaligen Außenministers und Vizekanzlers. Eine Überraschung war es nicht: Steinmeier war von den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP sowie von der CDU/CSU-Opposition nominiert worden. AfD, Linke und Freie Wähler hatten jeweils eigene Kandidat*innen aufgestellt.

Steinmeier erhielt 1.045 von 1.437 abgegebenen Stimmen. Der von der Linken aufgestellte Mediziner Gerhard Trabert bekam 96 Stimmen, der AfD-Kandidat Max Otte 140 Stimmen und die von den Freien Wählern aufgestellte Physikerin Stefanie Gebauer 58 Stimmen. Es gab 86 Enthaltungen, zwölf Stimmen waren ungültig.

Twitter / georg_ismar | Von Gloria Viagra gab es keine Stimme für Steinmeier
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Das sehr gute Wahlergebnis für Steinmeier bedeutet nicht zwangsläufig, dass ihn eine große Mehrheit für einen wirklich grandiosen Bundespräsidenten hält. Als Mitarchitekt der Agenda 2010 ist er im linken Lager bis heute umstritten. Zwar leistete er sich – mit Ausnahme seines Glückwunschtelegrams an das iranische Regime zur Islamischen Revolution 2019 – keine großen Fehler, doch insgesamt blieb er in den vergangenen fünf Jahren eher blass und mutlos. Nicht wenige Reden waren eine Aneinanderreihung von Floskeln. Seine zweite Amtszeit hat Steinmeier vor allem einer geschickt eingefädelten Kandidatur und dem Ausgang der Bundestagswahl zu verdanken.

Bitte um Vergebung für Leid, Unrecht und Schweigen

Wenn in Massenmedien Frank-Walter Steinmeiers Verdienste aufgelistet werden, fehlt leider fast immer sein bedeutendster Auftritt: Am 3. Juni 2018 bat er queere Menschen um Vergebung für die staatliche Verfolgung in Deutschland, auch nach 1945 (queer.de berichtete). Anlass der unerwarteten Entschuldigung war der Festakt zum zehnten Jahrestag der Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Seine Vorgänger Christian Wulff und Joachim Gauck hatten sich dort nie blicken lassen, nicht einmal einen Kranz abgelegt für die ungeliebte NS-Opfergruppe.


Am 3. Juni 2018 entschuldigte sich der Bundespräsident in einer historischen Rede für die Homosexuellenverfolgung in Deutschland (Bild: Micha Schulze)

"Sich zu korrigieren, sich ehrlich an die Geschichte zu erinnern – und sich nötigenfalls auch zu entschuldigen, wenn Unrecht geschehen ist: das sind große Stärken der Demokratie", sagte Steinmeier in seiner wirklich historischen Rede. "Als Bundespräsident ist mir heute eines wichtig: Ihr Land hat Sie zu lange warten lassen. Wir sind spät dran. Was gegenüber anderen gesagt wurde, ist Ihnen bisher versagt geblieben. Deshalb bitte ich heute um Vergebung – für all das geschehene Leid und Unrecht, und für das lange Schweigen, das darauf folgte."

Meinungsfreiheit "keine Legitimation" für Queerfeindlichkeit

Dieser wichtigen und überfälligen Geste des Bundespräsidenten folgten weitere öffentliche Statements gegen LGBTI-Feindlichkeit und für die Rechte queerer Menschen. So bezeichnete Steinmeier homofeindliche Herabsetzungen im Oktober 2019 als "Anschlag auf unsere Demokratie" (queer.de berichtete). Meinungsfreiheit sei "keine Legitimation" für Queerfeindlichkeit, mahnte er einen Monat später bei der Jahresversammlung der Hochschulrektoren in Hamburg (queer.de berichtete).

Zum 30. Jubiläum des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) lud das Staatsoberhaupt im Oktober 2020 drei Vorstandsmitglieder zu einem Gespräch ein und bedankte sich bei ihnen ausdrücklich für ihr Engagement (queer.de berichtete). "Schwule und Lesben im Schloss Bellevue, Gespräche über die Erfahrungen von queeren, von bi-, trans- und intersexuellen Menschen beim Bundespräsidenten – noch vor wenigen Jahrzehnten wäre wohl so mancher Sittenwächter rot angelaufen und die Meldung hätte einen handfesten Skandal ausgelöst", sagte der Bundespräsident damals in einer Ansprache vor dem Treffen. "Heute ist es umgekehrt: Ein Skandal liegt dann vor, wenn Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität verächtlich gemacht oder benachteiligt werden. Was für eine zivilisatorische Wendung! Welch ein Fortschritt!"

Trotz seiner Schwächen: Für queere Menschen in Deutschland ist Steinmeiers zweite Amtszeit, in der er sich hoffentlich mutiger zeigen und an Kontur gewinnen wird, eine gute Nachricht. Beim zu erwartenden heftigen Widerstand gegen die queerpolitischen Reformen der Ampelkoalition ist es hilfreich, einen Verbündeten im Schloss Bellevue zu haben, der die Rechte und die Würde von LGBTI öffentlich verteidigt. Ich fürchte, dies wird notwendig sein. Wir nehmen den Bundespräsidenten beim Wort!

#1 LothiAnonym
  • 13.02.2022, 16:33h
  • Guter Artikel. Ich behaupte einen besseren Bundespräsident oder vielmehr auch eine neue Bundespräsidentin steht uns momentan nicht zur Verfügung. Und ja, auch ich nehme ihn jetzt beim Wort. Es soll ja auch Staatsoberhäupter geben die noch dazu gelernt haben. Und dies wünsche ich mir.
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#2 AngelikaaAnonym
  • 13.02.2022, 18:08h
  • Eine Schande für D, dass wir immer noch keine Frau als Bundespräsidentin haben. Dabei gab es hervorragende Kandidatinnen, wie z.B. Kathrin Göring-Eckard, Renate Künast oder Clauda Roth. Aber deren Nominierung wurde von Männern verhindert. Als männlicher Präsident ist Frank-Walter natürlich der beste, den man sich wünschen kann.
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#3 tchantchesProfil
  • 13.02.2022, 20:37hSonstwo
  • Göring-Eckardt? Nee, danke.

    Wir haben genug Kirchenleuchten als Bundespräsident gehabt. Nicht schon wieder.
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#4 wozuAnonym
  • 13.02.2022, 21:08h
  • Aus Sicht der Verfassung hat der Bundespräsident eine wichtige Aufgabe, aber allein schon die Wahl ist schon eine Farce. Und dann noch das peinliche Schaulaufen der Wahlmänner. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse steht der Gewinner schon immer in der Phase der Nominierung fest. Politisch nahezu keine Bedeutung, wenn er die Zeichnung eines Gesetzes verneint, im zweiten Durchlauf muss er sie leisten.
    Wir brauchen einen Präsidenten, der gewählt und nicht gedealt, einen mit Befugnissen und politischen Möglichkeiten. Der letzte gute war Roman Herzog, danach kam nur der strategische Beifang.
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#5 LothiAnonym
#6 SakanaAnonym
  • 13.02.2022, 21:44h
  • Antwort auf #4 von wozu
  • "aa) Nach der Weimarer Reichsverfassung sollte der Reichspräsident als unmittelbar vom Volk gewähltes Staatsoberhaupt ein Gegengewicht zum Parlament darstellen [...] und damit einer damals weit verbreiteten Skepsis gegenüber dem parlamentarischen System Rechnung getragen werden [...] bb) Aus der Sicht des Verfassungsgebers der Jahre 1948/49 hatte dieses Präsidialsystem mit seinen weitreichenden Machtbefugnissen jedoch entscheidend dazu beigetragen, der Diktatur den Weg zu bereiten [...] Bei der Schaffung des Grundgesetzes bestand deshalb weitgehend Einigkeit, dass der Bundespräsident nicht unmittelbar vom Volk gewählt [...] und nicht mit einer dem Reichspräsidenten vergleichbaren Machtfülle ausgestattet [...] auf dieses Amt aber auch nicht verzichtet werden sollte. Mit dem Bundespräsidenten sollte weiterhin ein Repräsentant der Volkseinheit. Demgemäß sollte der Bundespräsident gegenüber anderen Organen möglichst unabhängig, insbesondere nicht verantwortlich im parlamentarischen Sinne sein [...] und eine ausgleichende Stellung haben [...] Der Bundespräsident lässt sich nach der Ausgestaltung seines Amtes nicht einer der drei klassischen Gewalten zuordnen." [1]

    Unser heutiges politisches System ist das Ergebnis der verfassungsrechtlichen Fehler der Weimarer Reichsverfassung und dementsprechend ist das Amt des Bundespräsidenten und der Wahlvorgang durch die Bundesversammlung ausgestaltet.

    Persönlich freue ich mich sehr über die Wiederwahl FWS für eine zweite Amtszeit und hoffe darauf, dass noch mehr queerfreundliche Zeichen und Veranstaltungen seinerseits kommen werden.

    ----
    [1]
    www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE
    /2014/06/es20140610_2bve000209.html

    (Abschnitte 92-94, weitere Ausführungen bis Abschnitt 100 zur Rolle des BP)
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#7 LothiAnonym
#8 GrummelAnonym
  • 13.02.2022, 23:04h
  • Antwort auf #6 von Sakana
  • Vielen Dank für diese präzise Klarstellung! Das war eine Punktlandung!

    @Angelikaa: Meine persönliche Wunschkandidatin ist Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Eine (ehemalige) Politikerin mit vorbildlichem Charakter, die dieses Amt sehr gut ausfüllen würde.
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#9 KenshiroProfil
#10 bigbenAnonym
  • 14.02.2022, 01:08h
  • Aber nicht vergessen, dass sich Schröder am meisten freut, dass er seinen alten Kumpel vor Jahren zurecht plaziert hat. Neben all den anderen: Schwesig, Sellering, Scholz, Klingbeil....
    Die andere SPD hat keine Chance mehr. Da wird es wohl doch - auch in Brüssel - wohl was werden mit der Umkehrgleichung: wenn... Ukraine nicht besetzt, dann... Gashahn offen in "unsere" halbleeren Gastanks im Besitz der Gazprom. Putin ist nirgends bedroht, es geht allein um Spieltheorie und um das Aufgehen seines Spiels. Wahrscheinlich ist Schröder der spieltheoretische Experte hinter Putin.
    Da gehört wohl auch das Handheben unseres (alten) Präsidenten dazu. Schon merkwürdig, dass das bei den Grünen ausreicht, um den Wettbewerb für eine BPräsidentin abzublasen. Gegen Schröder tritt man nicht an. Wofür gibt es sonst Hinterzimmer ?
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