Die Coronapandemie ist für viele transgeschlechtliche Personen bisher keine leichte Zeit gewesen. Mit dem häufigen Vorzeigen von digitalen Impfnachweisen tritt bei ihnen jedoch zu vielen anderen Gründen ein weiterer hinzu.
Denn wer sich nicht erfolgreich dem Verfahren nach dem Transsexuellengesetz oder der Variante im Personenstandsgesetz unterzogen hat, muss beim Vorzeigen von Impfnachweisen immer auch den Deadname offenbaren. Das kann im Zweifelsfall ziemlich unangenehm werden.
Doch in vier Bundesländern gibt es bereits offiziell die Möglichkeit, Nachweise auch auf den richtigen Namen ausstellen zu lassen. Berlin kommt, als fünftes Land, inoffiziell hinzu. Dazu bedarf es eines Ergänzungsausweises der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität. Mit dem lässt sich nicht nur die Impfung, etwa über die Corona-Warn-App, mit dem richtigen Namen im Display nachweisen. Auch die digitalen Test- und Genesenennachweise können so ausgestellt werden.
BaWü, NRW, Brandenburg und Hessen gehen voran
Offiziell möglich ist das in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Hessen. Sie haben eindeutige Hinweise auf den Ergänzungsausweis und die Lage von trans- und intergeschlechtlichen Personen in ihre Corona-Verordnungen beziehungsweise in den Erläuterungen aufgenommen.
In Berlin wurden laut dem Antidiskriminierungsprojekt StandUp der Schwulenberatung Berlin die Leitungen der Berliner Ordnungsämter mit einer entsprechenden Anweisung durch die Innenverwaltung angeschrieben. Das zeigt die prinzipielle Rechtsauffassung des Berliner Senats. Doch in den meisten Fällen dürften Kontrollen der entsprechenden Nachweise durch andere Stellen, etwa Kellner*innen, erfolgen. Das Wissen um das interne Rundschreiben nützt den Nutzer*innen dann im Zweifelsfall wenig.
Rheinland-Pfalz hat zudem eine Umsetzung der Möglichkeit, den Ergänzungsausweis als Identitätsnachweis bei den Corona-Dokumenten zu verwenden, gegenüber der dgti zugesagt. Öffentlich bekannt gemacht wurde darüber allerdings noch nichts.
Öffentlichmachung entscheidend
Petra Weitzel ist Vorsitzende des Trans- und Inter-Verbandes, der den Ergänzungsausweis ausgibt, und hat mit ihren Mitstreiter*innen auf die offiziellen Regelungen hingewirkt. Sie weist darauf hin, dass letztlich entscheidend ist, ob ein Bundesland die Regelung auch öffentlich macht, etwa in der eigenen Corona-Schutzverordnung. Dann nämlich können sich die Nutzer*innen darauf berufen.
Im Fall von Hessen antwortete der Minister für Soziales und Integration, Kai Klose, Weitzel auf entsprechende Nachfrage. Die Antwort liegt queer.de vor: "Stimmen die Personalien im Ausweis bei transidenten oder intergeschlechtlichen Personen nicht mit den Angaben auf dem jeweiligen Negativnachweis überein, kann die Identität mit dem Ergänzungsausweis trotzdem zweifelsfrei nachgewiesen werden." Diese Möglichkeit sei von der aktuellen Regelung in der Corona-Verordnung gedeckt.
In Reaktion auf das Schreiben der dgti habe Klose veranlasst, einen Hinweis auf den Ergänzungsausweis in den Auslegungshinweisen zur Coronavirus-Schutzverordnung aufzunehmen und auf der Internetseite der Landesregierung zu veröffentlichen. Klose weist jedoch auch darauf hin, dass das "in der Praxis zu Unsicherheiten führen" oder auf Unkenntnis stoßen könne.
Weitzel rät darum, zum Beispiel den Link zur Verordnung auf dem Smartphone abzuspeichern und aufzurufen, falls es Diskussionen gibt. Alternativ dazu könne man die Verordnungen von Brandenburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen sowie die FAQ zur Verordnung in Baden-Württemberg auch ausdrucken. Bei den Fragen und Antworten zur Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg befindet sich der Eintrag etwas versteckt unter dem Unterpunkt "Wie müssen Nachweise kontrolliert werden?", der erst ausgeklappt werden muss.
Die Umständlichkeit ist nötig, denn im Zweifelsfall dürfte der Nachweis von Menschen kontrolliert werden, die nicht wissen, was ein Ergänzungsausweis ist. In vielen Fällen wird zwar in der Praxis, neben dem Blick auf die Corona-App, kein weiteres Dokument verlangt. Wenn doch, muss dann allerdings der Ergänzungsausweis ran.
Perso-Kontrolle weiterhin möglich
Der ist wiederum offiziell nur in Verbindung mit dem amtlichen Personalausweis gültig. Es kann also durchaus sein, dass Kontrolleur*innen danach noch die Vorlage des zugehörigen Personalausweises verlangen – und damit Einsicht in den Deadname und vielleicht sogar ein altes Passfoto erhalten.
Für trans Personen, die stealth leben, aber noch keine stimmigen Ausweisdokumente haben, funktioniert die Lösung leider noch etwas schlechter. Zwar können sie sich ebenfalls einen Ergänzungsausweis der dgti ausstellen lassen. Als "trans oder inter" zwangsgeoutet werden sie dann aber im Fall eines verlangten Identitätsnachweises natürlich trotzdem, wenn die kontrollierende Person überprüft, um was für einen Ausweis es sich handelt.
Auf entsprechende Kommentare, intime Nachfragen oder Anfeindungen müssten auch sie sich dann also weiterhin einstellen.
In allen Fällen hinzu kommt allerdings noch eine weitere Hürde. Nutzer*innen des Ergänzungsausweises müssen Stellen, zumeist Apotheken, finden, die sich der Landesverordnung gemäß verhalten und einen digitalen Nachweis auf den richtigen Namen ausstellen. Und wer, wenn nicht transgeschlechtliche Menschen, dürfte wissen, dass es manchmal schlicht egal ist, wie die offiziellen Regeln lauten.