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Ukraine-Krise
US-Warnung: Gezielte Tötungen und Entführungen bei Einmarsch in Ukraine – auch von LGBTI
Die Amerikaner*innen befürchten schwere und "weitverbreitete" Menschenrechtsverletzungen an Oppositionellen und gefährdeten Minderheiten, sollte Russland in das Nachbarland einmarschieren.

Drohnen-Regenbogenflagge in Kiew zu einem aufgrund der Corona-Krise größtenteils virtuell gefeierten CSD 2020
- 21. Februar 2022, 11:14h 4 Min.
Die USA haben eigenen Angaben zufolge Informationen über drohende schwere Menschenrechtsverletzungen im Falle eines Einmarsches Russlands in die Ukraine. "Insbesondere haben wir glaubwürdige Informationen, die darauf hindeuten, dass die russischen Streitkräfte Listen mit identifizierten Ukrainern erstellen, die nach einer militärischen Besetzung getötet oder in Lager geschickt werden sollen", schrieb die amerikanische UN-Botschafterin Bathsheba Nell Crocker in Genf an die UN-Menschenrechtsbeauftragte Michelle Bachelet. Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Weiter heißt es, dass die USA Geheimdienstinformationen dazu hätten, "dass die russischen Streitkräfte wahrscheinlich tödliche Maßnahmen anwenden werden, um friedliche Proteste aufzulösen". Die Vereinigten Staaten befürchten zudem, dass wie bei "früheren russischen Aktionen" bei dem Einmarsch und der Zeit danach gezielte Tötungen, Entführungen und "Verschwindenlassen", ungerechtfertigte Verhaftungen und Folter zum Einsatz kommen werden. Ziel seien Menschen, die Russland Widerstand leisten würden, "einschließlich russischer und weißrussischer Dissidenten im Exil in der Ukraine, Journalisten und Anti-Korruptionsaktivisten und gefährdete Bevölkerungsgruppen wie religiöse und ethnische Minderheiten und LGBTQI+-Personen".
Der US-Regierung liegen Medienberichten zufolge Geheimdienstinformationen vor, wonach Moskau seinem Militär den Befehl gegeben haben soll, mit Einmarschplänen in die Ukraine fortzufahren. Russland hat nach US-Angaben etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zusammengezogen.
Hintergrund der Warnung unklar
Unklar bleibt, ob die USA Hinweise auf konkrete Bedrohungen gegenüber LGBTI-Aktivist*innen haben. Verglichen mit dem konkreten aktuellen Vorgehen Russlands gegen LGBTI-Aktivismus und -Aktivist*innen im Inland wirkt die US-Warnung bezüglich queerer Menschen zunächst vage. Allerdings könnten Milizen, Soldat*innen oder "Bürgerwehren" durchaus zufällig wie gezielt Menschenrechtsverletzungen an LGBTI begehen, ohne dass dies Moskau interessieren würde – die Situation in Tschetschenien belegt dies.
Bereits die aktuelle russische Lage wäre eine Verschlechterung gegenüber der Situation in der Ukraine, wo es kein Gesetz gegen "Homo-Propaganda" gibt und Demonstrationen wie CSDs zumindest in den letzten Jahren größtenteils erlaubt und von der Polizei geschützt wurden. In Russland ist das in Prozessen weiter selten genutzte Gesetz gegen "Homo-Propaganda" ein Bußgeldverfahren und dient vor allem Zensur, Selbstzensur und Vorab-Verboten von Protesten. Die Arbeit von LGBTI-Aktivist*innen wird vor allem (und zunehmend) durch ein Vorgehen gegen ihre Organisationen etwa durch das Gesetz gegen "internationale Agenten" unmöglich gemacht – so droht aktuell dem "LGBT Network" die Auflösung (queer.de berichtete).
Wie Proteste insgesamt wurden Kundgebungen von LGBTI konstant verboten und Protestierende festgenommen, diese aber in der Regel nach wenigen Stunden, in Einzelfällen Tagen, wieder freigelassen. Strafrechtliche Verfahren gab es vor allem gegen auch queere Mitglieder der Punkgruppe Pussy Riot, gegen die lesbische Künstlerin Julia Tsvetkova, der wegen Zeichnungen des weiblichen Körpers Herstellung und Verbreitung von Pornografie vorgeworfen wird, und gegen den Putin-kritischen Regisseur Kirill Serebrennikow.
In diesen Tagen wird zudem ein Urteil aus Tschetschenien erwartet, gegen zwei queere und regimekritische Jugendliche, die aus einem anderen Ort Russlands in die Region zurücküberstellt wurden (queer.de berichtete). Ihnen wirft die Anklage vor Unterstützung eines Terroristen vor, was international kritisiert wird. Gefordert werden mehrere Jahre Haft- und Lagerstrafen.
Sorge vor Klima der Rechtlosigkeit in der Ukraine
In der teilautonomen russischen Republik Tschetschenien war es 2017 und danach mehrfach in kleinerem Maße zu einer Verfolgungswelle gegen LGBTI gekommen, bei denen diese außergesetzlich inhaftiert und gefoltert wurden, einige von ihnen starben dabei. Europarat und OSZE hatten dazu Untersuchungen angestellt und die dafür zuständigen russischen Behörden mehrfach aufgefordert, Hintergründe zu ermitteln, Verantwortliche zu bestrafen und das nicht nur gegenüber LGBTI herrschende "Klima der Rechtlosigkeit" in der Region zu beenden, wo der russische Präsident Wladimir Putin seinen Statthalter Ramsan Kadyrow frei gewähren lässt. Bei der zuständigen russischen Staatsanwaltschaft und der russischen Politik prallten entsprechende Forderungen zum Schutz von LGBTI in der Region immer wieder ab. Auch in anderen Regionen wird wegen anti-queerer Hassgewalt nur wenig ermittelt, während diese durch Anti-LGBTI-Rhetorik aus Politik und Medien geschürt wird.
Bei einem russischen Einmarsch in weitere Teile der Ukraine kämen wohl auch tschetschenische Einheiten zum Einsatz. Und weitere Soldat*innen und Milizen, die bei einem gewaltsamen Vorgehen gegen Ukrainer*innen nicht sonderlich auf Menschenrechte achten und einen homo- und transfeindlichen Hintergrund haben könnten. Aus den Separatisten-Gebieten in der Ostukraine, wo Gesetze gegen "Homo-Propaganda" in Kraft sind, wird von Gewalt sowie Erpressungen und Einschüchterungen queerer Menschen durch Milizen, Kosaken und Bataillonen berichtet. Viele LGBTI zeigten sich nicht offen oder flüchteten aus der Region. (dpa/nb)

Woran ich keinen Zweifel habe, ist, dass zumindest die Ermordung von ukrainischen Journalisten, Politikern und LGBTQ's folgenlos bleiben würde, ist die Praxis schließlich schon aus Russland und dem Föderationsmitglied Tschetschenien bekannt. Zur Not übernimmt das "Putins Koch", der Chef der Wagner Söldnertruppe, die schon in Asien und Afrika fleißig Köpfe abschneidet und sich dabei filmen lässt.
Ich würde es auch schätzen, dass Mord, Folter und Unrecht immer verurteilt wird und Konsequenzen nach sich zieht, aber anscheinend schafft man es in den USA von "ungerechtfertigten Verhaftungen und Folter" zu sprechen, ohne an Guantanamo und 1417 zivile Opfer des Drohnenterrors (= Zahl des Pentagons, 2021) denken zu müssen. Eine Doppelmoral und Arroganz, die mich schrecken macht.