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Recht neu interpretiert
Texas ahndet Behandlung von trans Jugendlichen jetzt als "Kindesmisshandlung"
Mit dem Parlament hatte es nicht geklappt, also interpretiert die texanische Regierung geltendes Recht einfach um. Das Ergebnis ist transfeindlich und eine ungeheuerliche Nivellierung von Gewalt gegen Kinder.

Gage Skidmore / wikipedia) Texas-Gouverneur Greg Abbott braucht kein Parlament mehr, um transfeindliche Vorhaben umzusetzen (Bild:
24. Februar 2022, 09:43h 4 Min. Von
Der US-Bundesstaat Texas wird geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Jugendlichen künftig als "Kindesmisshandlung" ("child abuse") einstufen und entsprechend juristisch gegen die Beteiligten vorgehen.
Das ordnete der republikanische Gouverneur des Staates, Greg Abbott, am Dienstag in einer per Brief versandten Direktive an das Texas Department of Family and Protective Services an. Das Amt habe, heißt es da, der Rechtsauffassung des texanischen Justizministers zum Thema "Kindesmisshandlung" Folge zu leisten.
Tags zuvor war bekannt geworden, dass Justizminister Ken Paxton die geltende Rechtslage im Staat entsprechend neu interpretiert. Ein öffentlich gewordenes, 13-seitiges Schreiben, datiert auf den 18. Februar, enthält die Argumentation dafür.
Das Texas Department of Family and Protective Services erfüllt unter anderem Aufgaben, die in Deutschland von kommunalen Jugendämtern übernommen werden.
Nicht einmal Pubertätsblocker erlaubt
Der englischsprachige Ausdruck "child abuse" wird als Oberbegriff für Kindesmisshandlungen benutzt. Eine Übersetzung ins Deutsche als "Kindesmissbrauch" würde daher den Wortsinn verzerren. Sehr wohl gehören zum "child abuse" jedoch sowohl die physische und psychische als auch die sexuelle Misshandlung von Kindern.
In Deutschland haben die AfD und weitere, queerfeindliche Gruppen sogar LGBTI-inklusive Sexualaufklärung immer wieder auch als "Kindesmissbrauch" bezeichnet und so bewusst die Assoziation zu sexueller Gewalt gegen Kinder aufgerufen (queer.de berichtete).
Zu den jetzt in Texas verbotenen medizinischen Maßnahmen gehören die Gabe von Hormonen sowie geschlechtsangleichende Operationen.
Extra aufgeführt sind zudem hormonelle Pubertätsblocker, die es transgeschlechtlichen Jugendlichen ermöglichen, nicht die vom Körper ausgelöste Pubertät zu durchlaufen und mehr Zeit zur Evaluierung einer Transition zu bekommen. Der Grund: Diese Maßnahmen würden "mentale oder emotionale Verletzungen" verursachen.
So steht es jedenfalls in der fragwürdigen Argumentation des texanischen Justizministers. Die Operationen werden im Text durchgehend als "Geschlechtswechsel"-Operationen bezeichnet. "Geschlechtswechsel" ist dabei stets in Anführungszeichen gesetzt. Das entspricht ebenfalls der politischen Interpretation nicht nur der US-amerikanischen Rechten.
Der Begriff weicht von der medizinischen Terminologie, die in den USA "geschlechtsneuzuordnende Operation" ("gender reassignment surgery") lautet, deutlich ab. Eine weitere Kernbehauptung des Republikaners: Das "fundamentale Recht auf Fortpflanzung" der Jugendlichen und Kinder würde durch die Maßnahmen verletzt.
Zwangs-OPs an Inter weiter erlaubt
In Operationen an intergeschlechtlichen Kindern will Paxton jedoch keine "Kindesmisshandlung" erkennen. Diese seien schließlich "aus medizinischer Notwendigkeit geboren" und überdies nur "unter seltenen Umständen" nötig. Als Beispiel nennt der Minister die operative Entfernung der Hoden "bei Hodenkrebs".
Dabei sind in Wahrheit operative Geschlechtsangleichungen bei Kindern und Jugendlichen extrem selten. Rein kosmetische, die Fortpflanzungsfunktionen beeinträchtigende Eingriffe bei intergeschlechtlichen Kindern werden hingegen, trotz international immer lauter werdender Kritik an der menschenrechtswidrigen Praxis, wesentlich häufiger vorgenommen.
Die Eingriffe sollen dazu dienen, Kinder teilweise schon im Säuglingsalter der geschlechtlichen Norm anzupassen. Die Folgen bestehen nicht selten aus lebenslangen Komplikationen und Leiden für die betroffenen Menschen.
Im vergangenen Jahr war noch versucht worden, die transfeindliche Regelung durch ein eigenes Gesetz einzuführen. Der Entwurf mit der Nummer SB 1646 wurde zunächst vom Senat angenommen, schaffte es im Mai dann jedoch nicht, auch den zuständigen Ausschuss zu überzeugen. Die Regierungsmannschaft will das Votum des texanischen Parlaments nun augenscheinlich umgehen.
Sogar Ärzt*innen zur Denunziation verpflichtet
In Gouverneur Abbotts Schreiben heißt es zu diesem Zweck: "Weil das Texas Department of Family and Protective Services dafür zuständig ist, Kinder vor Misshandlung ("abuse") zu beschützen, weise ich hiermit Ihr Amt an, eine sofortige und gründliche Untersuchung jedes gemeldeten Falles dieser misshandelnder Prozeduren im Staate Texas einzuleiten."
Und weiter: "Um texanische Kinder vor Misshandlung zu bewahren, müssen die DFPS sowie sämtliche weitere Ämter dem Gesetz folgen, wie es in der Rechtsauffassung KP-0401 des Büros des Justizministers erklärt ist." Gemeint ist das tags zuvor öffentlich gewordene Schreiben.
Die weiteren Stellen, die sich der neuen, speziellen Definition von Kindesmisshandlung nun fügen sollen: Ärzt*innen, Krankenpfleger*innen und Lehrer*innen. Sollte ihnen nachgewiesen werden, dass sie einen Verdacht auf "Kindesmisshandlung" nicht gemeldet haben, droht ihnen Bestrafung.
Außerdem ist das Department of Family and Protective Services verpflichtet, Untersuchungen gegen Eltern von Kindern und Jugendlichen einzuleiten, die "geschlechtstransitionierenden Prozeduren unterworfen sind". Damit dürften sich vermutlich bereits Eltern verdächtig machen, die einen offen transgeschlechtlich lebenden Teenager haben beziehungsweise ihr Kind nicht via Zwang davon abhalten, es selbst zu sein.
Im Oktober vergangenen Jahres unterzeichnete Abbott bereits ein Gesetz, das es trans Schüler*innen verbietet, am Schulsport ihres Geschlechts teilzunehmen. Stattdessen muss seit Inkrafttreten des Gesetzes im Januar das bei der Geburt in die Geburtsurkunde eingetragene Geschlecht zur Bestimmung der Sportgruppe verwendet werden (queer.de berichtete).

Ich möchte aber zum Thema USA das Buch "Amerikas Gotteskrieger" empfehlen, das viele Fragezeichen im Nu auflöst.