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Section 377A
Singapur: Oberstes Gericht lässt Homosexualitäts-Verbot bestehen
Die Klage dreier Männer bleibe erfolglos, weil das von den Briten eingeführte Gesetz in der Praxis nicht angewandt werde.

Jnzl's Photos / flickr) Im südostasiatischen Stadtstaat Singapur stehen auf homosexuelle Handlungen offiziell ein bis zwei Jahre Haft (Bild:
- 28. Februar 2022, 16:44h 3 Min.
Eine Kammerentscheidung des Court of Appeal, des höchsten Gerichts in Singapur, hat es am Montag abgelehnt, den Strafrechtsparagrafen 377A abzuschaffen. Damit scheiterte auch der jüngste Versuch, das aus der britischen Kolonialzeit stammende Verbot zu kippen.
Das 1938 eingeführte Gesetz sieht in der aktuellen Fassung eine Höchststrafe von zwei Jahren Gefängnis für auch einvernehmliche homosexuelle Handlungen unter Männern vor. Klageführer waren ein Arzt im Ruhestand, ein DJ und ein Anwalt, die bereits vor zwei Jahren in der vorherigen Instanz gescheitert waren und dieses Urteil des High Court angriffen. Bereits 2013 hatte das Gericht das Verbot aufrecht erhalten (queer.de berichtete).
Der High Court hatte im März 2020 argumentiert, dass das Gesetz zwar selten angewandt werde, es aber nicht "überflüssig" sei: "Die Gesetzgebung bleibt wichtig, um die öffentliche Meinung und die Überzeugungen widerzuspiegeln."
Gesetz nicht anwendbar
Auch das höchste Gericht wollte sich nun nicht in die Politik einmischen. "Das Parlament und nicht die Gerichte sind am besten in der Lage, eine pluralistische Vision zu entwickeln, die unterschiedliche Interessen berücksichtigt", heißt es im Urteil. "Das Gericht ist kein Vorreiter für sozialen Wandel oder ein Architekt der Sozialpolitik."
Das Gericht verwies darauf, dass unter anderem die Generalstaatsanwaltschaft 2018 erklärt habe, dass das Gesetz nicht angewendet werde. Damit sei es komplett "nicht durchsetzbar", solange es nicht zu einem großen öffentlichen Sinneswandel der Politik und Behörden komme. Die Kläger würden derzeit nicht durch eine Strafverfolgung nach Paragraf 377A bedroht und hätten dadurch kein "Standing", also keine formale Klageberechtigung,
Die queere Organisation Pink Dot zeigte sich "zutiefst enttäuscht" von der Entscheidung. "Die Anerkennung, dass Paragraf 377A im Sinne der Strafverfolgung nicht durchsetzbar ist, ist ein schwacher Trost." Die "wahre Wirkung von Section 377A" liege darin, wie der Paragraf Diskriminierung in allen Bereichen des Lebens aufrecht erhalte: "zu Hause, in Schulen, am Arbeitsplatz, in unseren Medien und sogar beim Zugang zu lebenswichtigen Diensten wie der Gesundheitsversorgung".
"Dieses antiquierte Gesetz untergräbt das Gleichheitsprinzip in unserer modernen und vielfältigen Gesellschaft", kommentierte Ong Ming Johnson, einer der Kläger. Auch könne sich die Haltung der Behörden ändern: "Wir sind vielleicht heute vor Strafverfolgung sicher, aber in zehn oder zwei Jahren oder sogar im nächsten Monat sind wir vielleicht nicht mehr sicher."
Das ursprüngliche Gesetz zu "Taten gegen die natürliche Ordnung" aus dem Jahr 1938 war 2007 überarbeitet worden. Mit der Reform wurden Oral- und Analsex für Heterosexuelle und Lesben legalisiert, allerdings wurden Schwule von der Liberalisierung ausgenommen. Der Stadtstaat verbietet aktuell auch die "Bewerbung oder Verherrlichung des homosexuellen Lebensstils" in Fernsehen und Radio.
Der erneute Rückschlag durch die Justiz in Singapur steht in starkem Kontrast zu den politischen und gesellschaftlichen Fortschritten, die in anderen Ländern der Region zuletzt in Bezug auf LGBTI-Rechte erzielt wurden. 2018 entkriminalisierte der Oberste Gerichtshof Indiens gleichgeschlechtlichen Sex, indem er die Gesetze aus der Zeit der britischen Kolonialherrschaft aufhob (queer.de berichtete). 2019 öffnete Taiwan die Ehe für lesbische und schwule Paare (queer.de berichtete), in diesem Jahr könnte ein entsprechender Gesetzentwurf der thailändischen Opposition Erfolg haben (queer.de berichtete). Romantische Gay-TV-Serien aus Thailand, Südkorea oder Taiwan sind aktuell in der ganzen Region auf Streaming-Plattformen populär (queer.de berichtete). Vor wenigen Wochen erreichte der Hashtag zum Finale der thailändischen Serie "Bad Buddy" unter anderem auch in Singapur den Spitzenplatz in den Twitter-Trends. (cw)
