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Urteil
Regenbogenfahne zerrissen: Freispruch für Querdenkerin
Bei einer Demo zerriss eine Verschwörungstheoretikerin eine Regenbogenfahne und sagte: "Wir müssen unsere Kinder gegen Kinderschänder schützen."

Die Queerdenker-Bewegung bezeichnet diese Fahne als "Kinderschänderfahne" – wegen dieser "Fehleinschätzung" sprach ein Gericht die Täter*innen frei
- 2. März 2022, 16:37h 2 Min.
Das Wiener Straflandesgericht hat am Mittwoch die 30-jährige Querdenkerin Jennifer Klauninger und einen 44-jährigen mitangeklagten freien Journalisten nach dem Zerreißen einer Regenbogenfahne auf einer Querdenker-Demo vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen. Wie der ORF berichtete, sei nach Ansicht des Gerichts sei zwar der Tatbestand der Herabwürdigung erfüllt, allerdings könne dies den Angeklagten nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden; sie seien schließlich einem "Irrtum" auferlegen und hätten "das Symbol fälschlich zugeordnet".
Der Hintergrund: Im September 2020 hatte eine Regenbogenfahne bei einer Kundgebung des Bündnisses "Querdenken" Empörung ausgelöst (queer.de berichtete). Auf der Bühne zerrissen mehrere Menschen eine bunte Flagge, die angeblich einer teilnehmenden Person weggenommen worden sein soll – Klauninger sagte damals ins Mikrofon: "Wir müssen unsere Kinder gegen Kinderschänder schützen. Wir alle sind dafür verantwortlich." Die Querdenkerin ist laut "Standard" auch für ihre rassistischen Ansichten berüchtigt.
Twitter / PresseWienWie schon berichtet, fand heute in #Wien eine Kundgebung der "Querdenker" statt. Hier ein kurzer Videoabschnitt in dem zu sehen ist, wie auf der Bühne unter tosendem Beifall eine Regenbogenfahne zerrissen wird, da sie als Symbol für "Kinderschänder" verunglimpft wird. pic.twitter.com/csGFFtOehm
Presseservice Wien (@PresseWien) September 5, 2020
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Später argumentierten die Corona-Leugner*innen, dass sich die Aktion angeblich gegen ein auf der Regenbogenflagge angebrachtes Herz gerichtet habe, was von ihnen als geheimes Symbol für Pädophilie gedeutet worden sei. Bei dem gezeigten Symbol, das dem Langnese-Logo ähnelt, handelte es sich aber in Wirklichkeit schlicht um ein Zeichen für Liebe, das bei mehreren Händlern online bestellt werden kann.
Klauninger und der andere Angeklagte erklärten in dem Prozess, dass es sich ihrer Ansicht nach nicht um eine "Homosexuellen-Fahne" gehandelt habe, sondern um eine "Kinderschänderfahne". Der angeklagte Mann behauptete außerdem, er sei selbst Teil der LGBTQ-Community und habe diese nicht verunglimpfen wollen.
Gegen das Zerreißen der Fahne hatte es heftige Proteste gegeben. Bei einer Demo weniger Tage nach der Tat protestierten 1.000 bis 2.000 Menschen gegen die Queerfeindlichkeit der Verschwörungstheoretiker*innen (queer.de berichtete).
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hat bislang offen gelassen, ob sie Rechtsmittel einlegt.
"Dieses Urteil ist ein Rückschlag"
LGBTI-Aktivist*innen kritisierten das Urteil scharf: "Dieses Urteil ist ein Rückschlag, wenn es um den Gewaltschutz von LBGTIQA+ geht. Wir sind enttäuscht, werden uns aber weiterhin für umfassendes Gewaltschutz stark machen", erklärte Katharina Schöll, die Sprecherin der queeren Parteiorganisation "Grüne Andersrum". Ihr Mitsprecher Emir Dizdarević ergänzte: "Gewalt gegen Symbole endet oftmals in Gewalt gegen Menschen – und das leider oft knapp hintereinander."
Ein anderes österreichisches Gericht hatte bereits vor fünf Monaten Nachsicht mit einem Homo-Hasser gezeigt: Der ehemalige Landtagsabgeordnete Martin Rutter wurde vom Klagenfurter Landesgericht vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen (queer.de berichtete). Der "Querdenken"-Pressesprecher hatte das Zerreißen der Regenbogenfahne in aggressivem Ton verteidigt. (dk)

Dazu sollte ihnen auch der Ersatz des materiellen Schadens auferlegt werden.