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Kritik an Aufnahmebeschluss

Lässt die EU einige fliehende LGBTI hängen?

Wer in der Ukraine keinen gesicherten Aufenthaltsstatus hatte, kriegt nun auch in der EU keinen. Darunter leiden nicht nur queere Flüchtlinge. Unterdessen läuft die Solidarität mit LGBTI-Geflüchteten weiter an.


Viele Ukraine-Flüchtlinge kommen in diesen Tagen am Berliner Hauptbahnhof an. Nicht alle haben das Recht, zu bleiben (Bild: LoboStudioHamburg / pixabay)
  • 10. März 2022, 11:01h 2 5 Min.

Die Innenminister*innen der Europäischen Union haben am vergangenen Donnerstag beschlossen, dass für flüchtende Ukrainer*innen ein "vorübergehender Schutz" greifen soll. Doch an der Regelung, die bis zu drei Jahre Aufenthaltsrechte ohne Asylverfahren ermöglicht, entzündet sich nun Kritik.

Die queere Parteigliederung der Linken hält die Regelung für unzureichend. Da sie sich nur an Ukrainer*innen und solche Kriegsflüchtlinge richtet, die in dem Land bisher einen gesicherten Aufenthaltsstatus hatten, bedeutet der Beschluss für manche Menschen nicht mehr als das Recht, einzureisen. Dazu zählen in der Ukraine arbeitende und studierende Ausländer*innen ebenso wie in die Ukraine geflüchtete LGBTI, nicht zuletzt solche aus Russland, dem russischen Tschetschenien oder Georgien.

Auch der grüne Abgeordnete des EU-Parlaments Rasmus Andresen forderte eine besondere Sensibilität für die spezifischen Bedürfnisse queerer Ukraine-Flüchtlinge. Diese müsse sich auch in den Hilfslieferungen niederschlagen. In Berlin und weiteren ostdeutschen Ländern nimmt die queerspezifische Unterstützung unterdessen weiter Gestalt an.

Keine erzwungene Weiterreise in Herkunftsländer

Von der Bundesregierung erwarten die Bundessprecher der queeren Linken, Daniel Bache und Frank Laubenburg, wegen der ungenügenden Beschlusslage die "vollständige Ausschöpfung ihrer rechtlichen Handlungsmöglichkeiten" sowie die Erteilung von deutschen Ausnahmevisa für Flüchtlinge, die vom EU-Beschluss bisher nicht erfasst werden.

Diese müssen nach gegenwärtigem Stand in ihr Herkunftsland weiterreisen, wenn sie die Europäische Union betreten haben.

Die Ampelregierung soll sich in der Sache zudem für ein gemeinsames Vorgehen aller EU-Staaten zum Schutz auch derjenigen einsetzen, die noch keinen gesicherten Aufenthalt in der EU zugesprochen bekommen haben.

LGBTI nicht nur vor Aufenthalt in Polen und Ungarn bewahren

Wie die Linken warnt auch Rasmus Andresen (Die Grünen/Europäische Freie Allianz), Abgeordneter des Europaparlaments und Mitglied der fraktionsübergreifenden Intergruppe LGBTI, davor, dass sich queere Flüchtlinge auch nach der Flucht weiter Diskriminierungen und Übergriffen ausgesetzt sehen könnten.

Obwohl sich die EU im Jahr 2021 zu einem Freiheitsraum für queere Menschen erklärt habe, gelten zum Beispiel viele polnische Gemeinden nach wie vor als "LGBTI-freie Zone". Auch das queerfeindliche Ungarn zählt zu den Anrainerstaaten der Ukraine und zu den Erstaufnahmeländern.

Der EU-Abgeordnete macht zudem auf den besonderen medizinischen Bedarf der queeren Ukraine-Flüchtlinge aufmerksam. Hilfslieferungen an die östliche Grenze müssten darum sowohl HIV-Medikamente als auch Mittel für Hormonersatztherapien beinhalten.

Ohne diese drohen transgeschlechtlichen Flüchtlingen ungewollte körperliche Veränderungen, was weitere Diskriminierungen nach sich ziehen könnte, sowie gesundheitliche Belastungen.

Auch bei der Registrierung durch staatliche Stellen oder dem Bezug von Hilfsleistungen sind transgeschlechtliche Personen, die keine Anpassungen ihrer Ausweisdokumente haben vornehmen lassen können, von Diskriminierung bedroht. Andresen weist deshalb darauf hin, dass den Geflüchteten die Zuweisung humanitärer Hilfsleistungen verweigert werden könnte.

Bei der Verteilung der LGBTI auf Staaten der EU müsse überdies sichergestellt werden, dass sie dort untergebracht würden, wo ihre Rechte geschützt und ihre Versorgung gewährleistet ist. LGBTI sollten daher "nicht in Staaten wie Polen, sondern beispielsweise bei uns in Deutschland aufgenommen werden", forderte Andresen.

Auch die Schwulenberatung Berlin machte auf das Problem aufmerksam und forderte am Mittwoch die sichere Unterbringung von LGBTI aus der Ukraine, und zwar unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.

Queere Flüchtlingshilfe in Deutschland läuft weiter an

In ganz Deutschland organisieren sich Engagierte innerhalb und außerhalb bestehender LGBTI-Vereine für eine Unterstützung nicht nur der queeren Flüchtenden aus der Ukraine (Übersicht auf queer.de).

Unterdessen hat das Land Berlin einen umfassenden Überblick über Beratungs-, Vernetzungs- und Hilfsangebote für LGBTI-Geflüchtete unter anderem auf ukrainisch und russisch veröffentlicht. Diese sind unter der einfachen Adresse berlin.de/ukraine zu finden. Bisher hat sich der Berliner Hauptbahnhof als erstes Reiseziel vieler nach Deutschland flüchtender Menschen herausgestellt.

Dazu betonte die Berliner Senatorin für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung, Lena Kreck (Die Linke), dass die in Berlin seit Tagen sichtbare Hilfe für Ankommende durch einen besonderen Schutz für vulnerable Gruppen ergänzt werden müsse. Es dürfe "nicht wieder passieren, dass in einer Ausnahmesituation die Menschen vergessen werden, die schon vor der Flucht unter Diskriminierung gelitten haben".

Die Senatorin zeigte sich zudem davon beeindruckt, wie LGBTI-Organisationen die Unterstützung der Geflüchteten aus der Zivilgesellschaft heraus organisierten. Das Land müsse jedoch auch noch nachbessern. Besonders dringend: Spezielle Unterkünfte und Schutzräume für queere Flüchtlinge.

Queersensible Unterkünfte auch in Ostdeutschland

In Sachsen-Anhalt und Thüringen vermittelt das queere Jugendnetzwerk Lambda aus dem selben Grund nun ebenfalls queerfreundliche Unterkünfte, allerdings aus privater Hand. Fliehende LGBTI waren in der Vergangenheit in staatlichen Aufnahmeeinrichtungen nicht nur der ostdeutschen Länder weiterhin gefährdet gewesen (queer.de berichtete).

Der Verband hat darum eine Börse für private Wohnungen eingerichtet, die sich an Anbietende und Suchende richtet. Auch den dabei entstehenden Beratungsbedarf, die Vermittlung an Fachstellen und die Aktivierung weiterer Netzwerke im Bedarfsfall möchte der Verband dabei leisten.

Das Netzwerk machte neben der Gefährdung von LGBTI in Polen und Ungarn zudem noch mal auf die Todes- und Deportationslisten aufmerksam, die es auf russischer Seite geben soll und durch die sich queere Menschen in der Ukraine besonders bedroht fühlten (queer.de berichtete).

Zwar ist unklar, ob es diese Listen wirklich – und wenn ja, in welchem Ausmaß – gibt. Entsprechende Meldungen haben die besondere Gefährdung, die eine russische Besatzung für queere Menschen in der Ukraine bedeutet, dennoch unterstrichen.

Das Lambda-Vorstandsmitglied Martin Taube rechnet angesichts dessen vor, wie viele queere Ukrainer*innen von der russischen Invasion besonders bedroht sein dürften. Wenn man "nur von der statistisch niedrigsten Zahl" ausgehe, wie viel Prozent der Gesellschaft einen queeren Hintergrund habe, "also 5 Prozent", dann seien das, auf die ukrainische Bevölkerung von etwa 44 Millionen gerechnet, circa 2,2 Millionen Menschen "mit queerem Hintergrund in der Ukraine". (jk)

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#1 DjangoAnonym
  • 10.03.2022, 11:36h
  • Queersein muss endlich Asylgrund in der gesamten EU werden - und zwar ohne dass ein*e Bürokrat*in es in der individuellen Macht hat zu beurteilen, ob jemand die Bedeutung der Regenbogenfarben kennt oder nicht!
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#2 mytwocentsAnonym
  • 13.03.2022, 11:42h
  • Antwort auf #1 von Django
  • Wir, in Ö, haben schon vor einer Woche bei gemeldet, dass wir 2 LGBT Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen können. Bisher keine Antwort. Entweder es kommen keine durch (gerade junge Männer....) oder die trauen sich nicht, sich zu deklarieren. Wie viele andere aus Verfolgerstaaten ja auch.
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