Die Verfolgung von Eltern und Ärzt*innen in Texas, die transgeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen geschlechtsaffirmierende medzinische Behandlung zukommen lassen, dominiert in den USA gegenwärtig die anhaltende Kontroverse um die Beschneidung der Rechte transgeschlechtlicher Menschen.
Die Republikaner*innen im Bundesstaat Idaho schicken sich nun jedoch an, den Wettbewerb um die kreativsten Unterdrückungs- und Verfolgungsmaßnahmen weiter anzuheizen. Ein Gesetzentwurf, der das Repräsentantenhaus des Bundesstaates passiert hat, legt auf die Kriminalisierung von Helfer*innen noch eins drauf.
Demnach soll nicht nur die geschlechtsaffirmierende Behandlung in dem Bundesstaat selber strafbar sein, sondern bereits der Transport von Kindern und Jugendlichen in einen anderen Bundesstaat zum Zweck der Behandlung. Angepeilte Strafe: Bis hin zu lebenslänglich.
Senat muss noch zustimmen
Das Gesetz, das vergangenen Donnerstag vom Repräsentantenhaus in Boise angenommen und an den Senat weiterverwiesen wurde, zielt auf alle medizinischen Maßnahmen, die für transgeschlechtliche Menschen in Betracht kommen. Die Entfernung von Brustgewebe oder der Gebärmutter fällt genau so darunter wie die Gabe von pubertätsblockenden Hormonen oder Hormonersatztherapien mit Östrogenen oder Testosteronen.
Sogar die Vasektomie, die gar keine geschlechtsanpassende Behandlung darstellt, wurde von den Republikaner*innen rund um Bruce Skaug in den Katalog der verbotenen Behandlungen mit aufgenommen. Bei einer Vasektomie werden nur die Samenleiter durchtrennt und verschlossen. Sie ist ein operativer Eingriff zur Verhütung.
Der Grund für die zunächst zusammenhangslos erscheinende Aufnahme dieses Eingriffs in das Anti-Trans-Gesetz: Die Republikaner*innen suchen bei ihrer nationalen transfeindlichen Kampagne den Schulterschluss zur Pro-Life-Bewegung. Schon bei der Einstufung der geschlechtsaffirmierenden medizinischen Behandlung als "Kindesmisshandlung" durch die texanische Regierung (queer.de berichtete) argumentierten die dortigen Republikaner*innen auch mit einem angeblichen "fundamentalen Menschenrecht auf Fortpflanzung".
So kommentierte etwa die Republikanerin und Abgeordnete in Idaho, Julianne Young, die Auseinandersetzung um das Gesetzesvorhaben und wies darauf hin, dass es sich ihrer Meinung nach um eine "Ausdehnung des 'Pro Life'-Streits" handele. Weiter sagte sie: "Wir reden dabei nicht über das Leben des Kindes, sondern über das Potenzial, einer anderen Generation des Leben zu geben."
Das "Recht auf Fortpflanzung" wird von der Pro-Life-Bewegung und großen Teilen der republikanischen Partei freilich eher als Pflicht betrachtet und führt immer wieder zu grotesken, die Menschenrechte von Frauen und anderen Gebährfähigen verletzenden Gesetzen in den Bundesstaaten der USA. Und: Für LGBTI gilt ein "fundamentales Menschenrecht auf Fortpflanzung" natürlich nicht.
So enthält der Gesetzestext aus Idaho, neben der Aufzählung nun verbotener Praktiken sowie des generellen Verbots aller Eingriffe an Reproduktionsorganen von Kindern zur Veränderung der Geschlechtswahrnehmung eines Kindes, auch explizit formulierte Ausnahmen.
Zu ihnen gehören Operationen an intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen sowie Eingriffe an den Organen von Kindern und Jugendlichen, bevor oder nachdem diese eine Geburt haben oder hatten. Das heißt, dass Ärzt*innen und Eltern zum Beispiel die operative Angleichung von Vulven nach einer Teenagerinnen-Schwangerschaft weiter vornehmen lassen können.
Dass wiederum auch intergeschlechtliche Menschen transgeschlechtlich sein können, scheint den Gesetzesmacher*innen allerdings genau so entgangen zu sein wie die Tatsache, dass einige zwangsweise operierte Kleinkinder bei der von anderen bestimmten Zuweisung entweder zum männlichen oder weiblichen Geschlecht ihre Fortpflanzungsfähigkeit verlieren.
"Kinderschutz" aus der "Pro-Life"-Giftküche
Die Republikaner*innen haben in Idaho eine deutliche Mehrheit in beiden Parlamentskammern. Doch bei der Abstimmung scherte ein einzelner republikanischer Abgeordneter aus und stimmte mit der demokratischen Minderheit: Dr. Fred Wood, der einzige Arzt in der Kammer.
Im Senat, der das Gesetz als nächstes behandelt, sehen die Mehrheitsverhältnisse nicht anders aus. Zuletzt muss das Gesetz dann noch vom republikanischen Gouverneur Brad Little entweder unterschrieben oder per Veto abgelehnt werden.
Auch jede Person, die bewusst an einer "Entfernung" von Jugendlichen oder Kindern aus dem Staat Idaho beteiligt ist, die der Vornahme der aufgelisteten Maßnahmen dient, mache sich laut Gesetzestext des Verbrechens schuldig. Zudem solle jede Person, die der Verletzung des Gesetzes überführt werde, "in einem staatlichen Gefängnis für eine Freiheitsstrafe nicht über lebenslänglich hinaus inhaftiert werden".
Bruce Skaug, der das Gesetz in Idaho eingebracht hatte, verglich das Verbot von geschlechtsaffirmierenden Behandlungen für alle unter 18 Jahren mit Jugendschutzmaßnahmen. Wörtlich sagte Skaug: "Wenn wir Minderjährigen nicht erlauben, eine Tätowierung zu bekommen, Alkohol zu trinken, Zigaretten zu rauchen oder einen Vertrag zu unterzeichnen, warum sollten wir ihnen dann erlauben, wegen ihrer gegenwärtigen Gefühle durch diese physische Verstümmelung hindurch zu gehen?"
Den Betroffenen Jugendlichen riet er stattdessen zu "psychotherapeutischer Behandlung", also zu sogenannten "Konversionstherapien". Dabei wird das Geschlechtsmepfinden der Kinder und Jugendlichen nicht etwa, wie von allen relevanten Richtlinien und ärztlichen Vereinigungen verlangt, bestätigt. Stattdessen erfolgt der als unmöglich geltende Versuch, es wegzutherapieren.
Weil die Republikaner*innen ihren Vorstoß als Ergänzung des Jugendschutzes darstellen, ist das Gesetz auch als Reform eines bestehenden Verbots der Genitalverstümmelung formuliert, also der Praxis der Entfernung und Veränderung der äußerlichen weiblichen Genitalien aus kulturellen Gründen. Beim Ausdruck "female genital mutilation of a child" strichen die Gesetzesmacher*innen dazu etwa einfach das Wort "female" im bisherigen Gesetzestext.
Tritt die Reform in Kraft, müssten alle transgeschlechtlichen Kinder und Jugendlichen, die in Idaho leben und bereits Hormone einnehmen, entweder eine erzwungene, medizinische Detransition über sich ergehen lassen – oder mit ihren Familien den Bundesstaat verlassen. Das selbe gilt für alle, die solche Maßnahmen in Zukunft brauchen. Doch möglicherweise würde dann sogar das Wegziehen bereits eine Straftat darstellen. (jk)