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Queere Kunstgeschichte

Wie lesbisch kann Tiermalerei sein?

Heute vor 200 Jahren – am 16. März 1822 – wurde Rosa Bonheur geboren, die eine erfolgreiche Tiermalerin wurde. Sie durfte ab 1857 offiziell Männerkleidung tragen und wurde von vielen als lesbisch angesehen.


Rosa Bonheur auf einem Gemälde ihrer Lebenspartnerin Anna Klumpke (1898)

Rosa Bonheur (rechts) und ihre Lebenspartnerin Nathalie Micas (1882)

Rosa Bonheur (1822-1899) gehörte zu den wenigen Frauen im 19. Jahrhundert, die ihr Leben jenseits der traditionellen Rollenmodelle selbstbestimmt gestalten konnten. Sie trug sogenannte Männerkleidung, rauchte und verhielt sich "männlich" – nach den früher definierten Rollenmustern. Wie viele andere Malerinnen malte auch sie Tiere – allerdings keine kleinen Schoßhündchen, sondern große und wilde Tiere. Ihr Leben teilte sie mit anderen Frauen. Was sagt ihre Kunst über die Künstlerin aus, und wie wurde sie von anderen gesehen?

Ihre Beziehungen zu Nathalie Micas und Anna Klumpke

Im Jahre 1837 lernten sich die 14-jährige Rosa Bonheur die 12-jährige Nathalie Micas kennen, und beide Mädchen freundeten sich an. Später wurden beide Malerinnen. Als Bonheur kommerziell erfolgreich wurde, erwarb sie 1860 das "Château By" – ein Anwesen im französischen Thomery – und zog gemeinsam mit Nathalie Micas und deren Mutter dorthin. Über mehrere Jahrzehnte bildeten diese drei Frauen eine unkonventionelle Wohn- und Lebensgemeinschaft bis zum Tod von Nathalie Micas (1889) und ihrer schon vorher verstorbenen Mutter.

Zu Bonheurs zweiter Lebenspartnerin wurde die amerikanische Malerin Anna Klumpke, die sie wohl im Juni 1898 erstmals auf "Château By" besuchte, um ein Porträt von ihr zu malen. Zwischen 1898 und 1899 malte sie insgesamt drei Portraits von Bonheur. Auf Wunsch Rosa Bonheurs blieb sie bei ihr, wurde ihre Erbin und schrieb auch Bonheurs Biografie.

Ihre Erlaubnis, Männerkleidung zu tragen


Die Erlaubnis für Rosa Bonheur, Männerkleidung zu tragen (1857)

Von der Pariser Polizei ließ sich Bonheur eine "permission de travestissement" ausstellen – eine Erlaubnis, in der Öffentlichkeit Männerkleidung tragen zu dürfen. Ab 1857 besaß sie diese Erlaubnis, die sie alle sechs Monate neu beantragen bzw. verlängern lassen musste. Auch ihre Lebenspartnerin Nathalie Micas besaß dieses Dokument.

In der Sekundärliteratur werden unterschiedliche Gründe genannt, die Bonheur für ihren Antrag hatte. Nach einigen Angaben soll es vor allem darum gegangen sein, dass Bonheur die Männerkleidung brauchte, um den Pferdemarkt zu besuchen. Nach der französischen Wikipedia bekam sie diese Erlaubnis aus "gesundheitlichen Gründen" ("raison de santé"). Die Kunsthistorikerin Mechthild Fend verweist in ihrem Aufsatz "'Fräulein Rosa malt fast wie ein Mann'. Rosa Bonheur und die Schwierigkeit, als Künstlerin androgyn zu sein" (in: "Querelles. Jahrbuch für Frauenforschung", 4. Band, 1999, S. 72-85, hier S. 80-81) darauf, dass sich die polizeiliche Erlaubnis nur auf Arbeitssituationen bezog und bestimmte öffentliche Veranstaltungen wie Bälle ausgenommen waren. Bonheurs Männerkleidung sei damit – so Fend – "ein Instrument der Mimikry und nicht der exzentrischen Selbstinszenierung" gewesen. Weil sich – so Fend weiter – Bonheur nicht zur "androgynen Persönlichkeit" stilisieren lasse, lehnt sie auch die Annahme des Kunsthistorikers James Saslow ab, der davon ausgeht, dass sich Bonheur mit der männlichen Kleidung eine androgyne und lesbische Identität habe erschaffen wollen, die über die Kleidung auch ihre "sexuellen Absichten" verkörpere. Vor diesen Hintergründen ist das französische Dokument wohl nur sehr bedingt mit dem "Transvestitenschein" vergleichbar, den es ab 1909 in Deutschland gab.

Die lesbische Rezeption in der ersten Homosexuellenbewegung

Es ist aussagekräftig, dass die lesbische Rezeption Bonheurs in der frühen Homosexuellenbewegung erst posthum im Jahre 1900 einsetzte. Bonheur wurde als lesbisch angesehen – man könnte auch sagen vereinnahmt. Die Quellenlage der Autor*innen fußt nicht auf Aussagen von Bonheur oder anderen Personen zu ihrer sexuellen Orientierung. Es wird eine Gleichsetzung einer "männlich" wirkenden Frau mit einer lesbischen Frau vorgenommen, was mit Bezug auf Geschlechterrollen recht klischeehaft wirkt.

Bonheurs letztes Foto wurde im "Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen" abgedruckt. In der Bildunterschrift wird betont, dass sie "seelisch und körperlich" dem "Typus einer sexuellen Zwischenstufe" entspreche (JfsZ, 2. Jg, Frontispiz). In einem späteren Jahrgang des Jahrbuchs wird über eine lesbische US-Amerikanerin berichtet, die Rosa Bonheur bewunderte und deshalb wie sie "männliche Kleidung und Gewohnheiten" angenommen habe (JfsZ, 5. Jg., S. 1182). Die (offen lesbische) Autorin Anna Rüling (d. i. Theodora Anna Sprüngli; 1880-1953) führt Bonheur als Beispiel dafür an, dass "viele bedeutende Frauen" lesbisch gewesen seien (JfsZ, 7. Jg., S. 144). Die besondere positive Betonung, dass ihre Werke einen "hervorragend männlichen Charakter besitzen" (JfsZ, 5. Jg., S. 1188), wirkt dabei schon fast frauenfeindlich.

Für Magnus Hirschfeld ("Die Homosexualität des Mannes und des Weibes", 1914) war Bonheur eine "virile Transvestitin" (S. 660), an deren Werk man erkennen könne, "wie die der homosexuellen Frau eigentümliche virile Wesenskomponente" Bonheur "Kraft und Energie" für ihre künstlerische Ausdrucksweise verliehen habe (S. 508). In eine ähnliche Richtung geht der Sexualforscher Iwan Bloch ("Das Sexualleben unserer Zeit", 1908, S. 585), der Rosa Bonheur als "Prototyp" der "männlichen Tribaden" (Lesben) bezeichnet. Zwei Jahre später nimmt der Sexualforscher Albert Moll ("Berühmte Homosexuelle", 1910, S. 76) auf Bloch Bezug und ergänzt: Bonheur "ging mit Vorliebe in Männerkleidern und hatte auch einen auffallend männlichen Gesichtstypus".

Weitere frühe Sekundärliteratur

In dem Buch "Women painters of the world from the time of Caterina Vigri, 1413-1463, to Rosa Bonheur and the present day" (1905) wird Bonheur als größte Künstlerinnenpersönlichkeit in der damaligen weiblichen Welt bezeichnet. Beim Lesen bin ich über zwei Sätze gestolpert: "Sie gewann einhellige Bewunderung, die nicht auf der Einzigartigkeit ihres Lebens beruhte, nicht auf lockerer Moral […], sondern auf ihrem robusten, männlichen […] Talent […]. Sie nahm einen außergewöhnlichen Platz in der Kunst ein, ähnlich wie George Sand in der Welt der Buchstaben" (S. 180-181). Diese Sätze sind vermutlich gut gemeint, lassen sich jedoch nicht nur als lesbische, sondern auch als moralinsaure und frauenfeindliche Andeutungen interpretieren – was in dieser Form recht typisch für diese Zeit ist.

Drei Biografien


Drei Biografien, deren Umgang mit dem Thema Homosexualität unterschiedlich ist

Ich möchte drei recht unterschiedliche Biografien über Rosa Bonheur herausgreifen. Anna Klumpkes Biografie erschien erstmals als "Rosa Bonheur. Sa vie, son œuvre" auf französisch (1909) und ist heute als "Rosa Bonheur: The Artist's (Auto)Biography" (1997) auch in englischer Übersetzung erhältlich. Der Klappentext bei Amazon (Amazon-Affiliate-Link ) bezeichnet Klumpke als Bonheurs Geliebte, die hier erzähle, wie sie Bonheur kennen und lieben lernte.

Diese Biografie mag durchaus offen sein für lesbische Interpretationen, ich konnte jedoch die lesbische Deutlichkeit nicht erkennen, was für eine Schrift von 1909 auch nicht unbedingt zu erwarten ist. Gefunden habe ich nur Formulierungen, in denen Nathalie Micas als "the artist's companion" bezeichnet wird (Beschreibung Bild 8, o. S.). Anhand der (weitgehend) online verfügbaren Ausgabe von 2019 kann sich jede*r ein eigenes Urteil darüber erlauben.

In diesem Punkt finde ich sogar Theodore Stanton deutlicher, der in seiner Biografie "Rosa Bonheur. Ein Lebensbild" (1914) eine Prinzessin mit der Äußerung zitiert, Nathalie Micas habe im Leben Bonheurs eine wichtige Rolle gespielt, "die nicht auf die Anerkennung gewöhnlicher Menschen rechnete" (S. 93). Er zitiert zudem Rosa Bonheur selbst, die zu einem Mann gesagt haben soll: "Wenn Sie nur wüßten, wie wenig ich mir aus Ihrem ganzen Geschlecht mache […]. In Wirklichkeit interessiere ich mich, was männliche Wesen anbelangt, nur für die Stiere, die ich male" (S. 371). Vielleicht sind auch einige weitere Äußerungen Stantons als dezente lesbische Anspielungen zu verstehen, etwa wenn er Nathalie Micas' Verlangen nach der "Liebe und Freundschaft" Bonheurs erwähnt (S. 77) oder dass Micas Rosa Bonheur "vergötterte", wobei es auch zu Eifersuchtsszenen gekommen sei (S. 98-100).

Dore Ashton und Denise Browne Hare haben in ihrer Biografie "Rosa Bonheur" (1981) im 7. Kapitel "The Question of Sex" behandelt (S. 52-59), wobei "sex" in diesem Kontext als soziales Geschlecht zu verstehen ist. In diesem Kapitel werden die Themen Feminismus und Männerkleidung behandelt und Vergleiche mit George Sand vorgenommen. Es wird aber auch – wie schon bei Stanton – Bonheurs bemerkenswertes Zitat über ihr Desinteresse an Männern, mit Ausnahme der von ihr gemalten Stiere, wiedergegeben (S. 59) – als eine Art ironisches und lesbisch wirkendes Bonmot.

Neuere Sekundärliteratur: Lesbische Elemente in Bonheurs Kunst

Eine Auseinandersetzung mit Rosa Bonheur und Homosexualität aus kunsthistorischer Perspektive nimmt Alina Christin Meiwes in ihrem Buch "Die Tiermalerin Rosa Bonheur. Künstlerische Strategien und kunsthistorische Einordnung im Kontext der Vermittlung" (2020) vor. Meiwes betont, der Fokus der bisherigen Forschung habe auf Bonheurs Biografie und Geschlechterrolle gelegen, auch weil ihre "außergewöhnlich offen gezeigte, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft" das Interesse der aktuellen Genderforschung geweckt" habe (S. 7).

Meiwes weist auf ein Gemälde von Consuélo Fould hin, das Rosa Bonheur mit Hund und Farbpalette zeigt und bei dem sie selber bestimmt hat, wie sie gemalt werden wollte. Das Gemälde verdeutliche zunächst einmal, dass Malerei und Tiere ihr Leben prägten und dass sie beides unter Kontrolle habe. Ihr weiter schwarzer Mantel negiere ihre "Weiblichkeit", ihre Haltung sei selbstbestimmt und ihr Blick streng bzw. autoritär. Anhand von Vergleichen zeigt Meiwes gut auf, dass dieses Bonheur-Porträt nicht in der Tradition von anderen Damenbildnissen mit Hund, sondern eher in der von männlichen Herrscherporträts steht. Unter Berücksichtigung einer jahrhundertealten ikonographischen Tradition von Hundedarstellungen werde deutlich, wie sich Bonheur den "konstruierten visuellen Code des männlichen Geschlechts angeeignet" habe.


Das von der Kunsthistorikerin Meiwes analysierte Bonheur-Porträt von Consuélo Fould (Ausschnitt)

Meiwes vergleicht zusätzlich Bonheurs Löwendarstellungen mit denen des Malers Eugène Delacroix (1798-1863) und kommt zu dem Schluss, dass zwar auch Bonheur ein zum Löwen passendes Bild von Autorität "konstruiert und reproduziert", dabei aber "weitgehend" das Triebhafte und Sexuelle ausblende (S. 92-102, 114). Auch ihre Analyse des Gemäldes, das Bonheur und Micas gemeinsam zeigt, ist aufschlussreich: Micas sitzt in einem Kleid, trägt Schmuck und hält auf ihrem Schoß einen kleinen Hund. Bonheur steht neben ihr und trägt ein figurverhüllendes Kleid, an dem die Medaille der französischen Ehrenlegion befestigt ist (S. 101-102). Micas erscheint hier "weiblich" und passiv, Bonheur als "männlich" und aktiv.

Nach Meiwes hat sich Bonheur nicht nur androgyn inszeniert, sondern auch tatsächlich so gelebt, womit sie sich nicht einem der beiden "Geschlechtsentwürfe von Frau und Mann zuordnen" lässt. Auch die Wahl ihrer Tiermotive sieht Meiwes im Zusammenhang mit Bonheurs "nicht traditioneller Geschlechtsidentität" (S. 125-127). Aus der "Kontrolle über die Tiere" lasse sich ableiten, dass Bonheur "männliche Verhaltensweisen annektierte", womit ihre künstlerischen Strategien und ihre Kunst eine Bestätigung von "Bonheurs (Geschlechts-)Identität" darstellten. Über ihre Kunst – die keinerlei typische "Verknüpfung von weiblicher Sexualität und Schwäche" zeige – habe Bonheur eine "Bestätigung und Anerkennung [erhalten], die ihr im Bereich der Lebensführung" nicht zugestanden worden seien (S. 160-163).

Weitere Sekundärliteratur

Bei der Sichtung der Sekundärliteratur, die sich mit Rosa Bonheur und Homosexualität auseinandersetzt, habe ich mich vor allem an der von Alina Christin Meiwes genannten Literatur orientiert. Nach Meiwes (S. 10) stellt Bethany Tarbell in ihrem (mir nicht vorliegenden) Artikel "Rosa Bonheurs Menagerie" (in: "Art & Antiques", 1993, S. 58-64) "den Lebenslauf der Künstlerin sehr abenteuerlich vor, indem er hauptsächlich Aufsehen erregende biografische Fakten aneinanderreiht – etwa über Bonheurs homosexuelle Lebensgemeinschaft […]. Es gibt aber auch kurze Beiträge, die eine ernsthafte […] Perspektive auf die Künstlerin und ihr Werk einnehmen." Ich stimme Meiwes (S. 11) zu, dass der Artikel von Laurel Lampela "Daring to Be Different: A Look at Three Lesbian Artists" (in: Art Education, 2001, S. 45-51) darauf angelegt ist, Bonheur als eine "Vorreiterin des Crossdressings und der öffentlichen Darstellung einer lesbischen Identität" darzustellen.

James Saslow stellt in seinem Aufsatz "'Disagreeably Hidden'. Construction and Constriction of the Lesbian Body in Rosa Bonheurs 'Horse Faire'" (in: "The Expanding Discourse. Feminism and Art History", 1992, S. 187-204) anhand des Bildes "Pferdemarkt" diverse Bezüge zur Homosexualität her, die nach Meiwes (S. 11) "kontrovers" diskutiert wurden, was vermutlich im Zusammenhang mit seinen recht weitreichenden Vermutungen zur ihrer lesbischen Sexualität steht.


Rosa Bonheurs Gemälde "Pferdemarkt"

Zu den wenigen deutschsprachigen Publikationen gehört der bereits oben zitierte Aufsatz von Mechthild Fend "'Fräulein Rosa malt fast wie ein Mann'. Rosa Bonheur und die Schwierigkeit, als Künstlerin androgyn zu sein" (in: "Querelles. Jahrbuch für Frauenforschung", 4. Band, 1999, S. 72-85). Dazu schreibt Meiwes zu Recht, dass die "Erkenntnisse der Genderforschung […] mit Blick auf bestimmte Werke Bonheurs zentrale Bedeutungsebenen freilegen" können.

Zwei Filme über Rosa Bonheur

Ich konnte Angaben zu zwei Filmen recherchieren, die jedoch beide (noch) nicht verfügbar sind. Unter der Regie von Nicolas Boone wurde in dem französischen Ort Tonneins der Film "Les 200 ans de Rosa Bonheur" ("200 Jahre Rosa Bonheur", 2020) gedreht. Weil ich nur Angaben über die Dreharbeiten gefunden habe – wie im "Le petit journal" -, ist unklar, ob er danach tatsächlich publiziert wurde und ob seine Premiere – vielleicht wegen Corona – möglicherweise verschoben wurde.


Filmaufnahme von "Rosa Bonheur, dame nature"

Der französische Dokumentarfilm "Rosa Bonheur, dame nature" soll am 15. Oktober 2022 seine Premiere haben und wird mit dem Hinweis beworben, dass Rosa Bonheur eine "bedeutende Figur der weiblichen Gleichberechtigung" und ihr ganzes Leben "eine Hymne an die Freiheit" gewesen sei (Werbung). Bei dieser Filmbeschreibung kann nicht nur das Wort Freiheit als sexuelle Freiheit verstanden werden, sondern das mehrdeutige Wort "nature" im Filmtitel kann für Bonheurs Charakter oder auch für ihre "Naturanlage" im Sinne ihrer sexuellen Orientierung stehen. Mit dem englischen Filmtitel "Rosa Bonheur. A feminist mother nature" macht arte bereits Werbung.

Die "Association Rosa Bonheur" und die Aktivitäten im Jubiläumsjahr

Im Jahre 1860 erwarb Rosa Bonheur das Anwesen Château By in der französischen Ortschaft Thomery. Heute ist in diesem Anwesen – mittlerweile unter der Adresse "12 rue Rosa Bonheur" – die "Association Rosa Bonheur" untergebracht, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Andenken an die Künstlerin zu bewahren. Auf der Homepage des Vereins lässt sich nachlesen, welche Aktivitäten im Jubiläumsjahr stattfanden bzw. noch stattfinden. Am 4. März 2022 gab die französische Post eine Briefmarke zu Ehren Bonheurs heraus. Es gibt mehrere Ausstellungen: Zwei in Thomery und eine Bonheur-Retrospektive, die in Bordeaux und Paris zu sehen sein wird. Am 22. März 2022 wird eine Konferenz das Leben und das Werk Bonheurs beleuchten. In Thomery wird außerdem am 9. April 2022 das Musiktheaterstück "Les messagères de Rosa Bonheur" ("Die Botinnen der Rosa Bonheur") aufgeführt. Die von Anna Klumpke verfasste Bonheur-Biografie wurde in drei Bänden neu herausgegeben (Homepage der "Association Rosa Bonheur").

War Rosa Bonheur lesbisch?

Was Bonheurs sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität betrifft, ist die Materiallage dünn, und die Literatur geht in diesem Punkt in unterschiedliche Richtungen. Eine deutliche lesbische Rezeption lässt sich besonders für die frühe Homosexuellenbewegung gut aufzeigen und auch in der deutschen Wikipedia wird Bonheur als "lesbische Frau" bezeichnet. Erkennbar vorsichtiger ist der schwule Aktivist Ulrich Würdemann, der in seinem Artikel "Rosa Bonheur (1822-1899)" (in: "2mecs", 10. März 2015) schreibt: "Rosa Bonheur verneinte bis an ihr Lebensende, lesbisch zu sein." Jedoch sei sie in ihrem "exzentrischen Auftreten" als homosexuell wahrgenommen worden.

Es ist legitim, Bonheurs Homosexualität anzuzweifeln. Befremdlich finde ich allerdings den Hinweis in der französischen Wikipedia, dass die von mehreren Autor*innen erwähnte, aber von anderen widerlegte lesbische Neigung nicht bewiesen sei. Diese Äußerung wirkt so, als könne oder müsse man die Homo- oder Heterosexualität einer prominenten Person unbedingt beweisen. Dabei muss man nichts beweisen, sondern das, was man schreibt, allenfalls gut begründen.

Es ist sehr schade, dass in einem Teil der Literatur über Bonheur Deutlichkeit vermieden bzw. auf das Thema erst gar nicht eingegangen wird, wie in Klumpkes Biografie oder auf der Homepage der "Association Rosa Bonheur". Es bleibt das Gefühl des nicht Ausgesprochenen, wenn nicht wenigstens mit einigen Sätzen auf die belegbare lesbische Rezeption eingegangen wird. Gerade vor ihrem historischen Hintergrund würde eine lesbische Rosa Bonheur nicht nur spannender, sondern auch stärker erscheinen.

Ein recht außergewöhnliches Familiengrab


Familiengrab für Mutter und Tochter Micas sowie Rosa Bonheur

Was von Rosa Bonheut bleibt, sind nicht nur viele beeindruckende Tierbilder, sondern auch die Erinnerungen an eine Künstlerin, die in einem Spannungsverhältnis zu ihrer Zeit gelebt hat und vielleicht lesbisch war.

Nach ihrem Tod wurde Bonheur auf dem berühmten Pariser Friedhof Père-Lachaise begraben. Das Grab hatte sie bereits für die 1875 gestorbene Mutter von Nathalie Micas erworben und dort 1889 auch ihre Lebenspartnerin Nathalie Micas beerdigt. Insofern handelt es sich um ein recht außergewöhnliches Familiengrab.

Die Rezeptionsgeschichte von Bonheurs Leben – das machen alleine schon die beiden oben aufgeführten Filme klar – ist allerdings noch lange nicht abgeschlossen.

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