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Kampagne
Aufregung um trans Uni-Sportlerin: "Das ist frauenfeindlich"
Weil eine trans Sportlerin im amerikanischen Uni-Sport mal ein Rennen gewinnt, laufen Trans-Hasser*innen in aller Welt Amok. Ganz vorne dabei ist die AfD.

Der NCAA-Wettbewerb erfuhr wegen trans Schwimmerin Lia Thomas (re.) dieses Mal viel mehr Aufmerksamkeit als sonst (Bild: Screenshot ABC News)
- 21. März 2022, 14:05h 4 Min.
Ein Uni-Sport-Event vom Wochenende in Atlanta (US-Bundesstaat Georgia) dient transfeindlichen Kräften weltweit als Vorlage, warum trans Frauen nicht als Frauen anerkannt werden dürften – auch die AfD stimmt mit ein. Hintergrund ist der Sieg der trans Schwimmerin Lia Thomas beim nichtolympischen Rennen über 500 Yard (457 Meter).
Dabei deuteten auch einige (deutsche) Medien an, dass Thomas eigentlich in Wirklichkeit ein Mann sei. Die "Bild"-Zeitung titelte am Sonntagabend etwa auf ihrer Website mit "Schwimm-Gold! – Transfrau gewinnt gegen Frauen" (später änderte das Boulevardblatt die Überschrift in: "Große Debatte über Lia Thomas: Wie fair ist dieser Transfrau-Titel?").
Bei der Reaktion aus der Politik geht es dabei freilich nicht um den Erfolg einer trans Frau in einem Amateur-Schwimmwettbewerb für amerikanische Universitätsstudentinnen, sondern um die pauschale Verteufelung von trans Frauen. Ein Beispiel sind die Kommentare von AfD-Vizechefin Beatrix von Storch, die bereits am Samstag auf Twitter den US-Sportwettkampf mit ihrer Kampagne gegen die grüne Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer verband, auf die die stets wortgewaltige Hardlinerin etwa mit deren abgelegten Deadname einging: "#LiaThomas ist wie [...] #Ganserer: ein Mann – auch im Badeanzug. Wer Männern zum Titelgewinn im Frauenschwimmen gratuliert, ist frauenfeindlich Ende der Durchsage."

Am Montagvormittag ließ von Storch außerdem eine transfeindliche Pressemitteilung verbreiten, in der sie mit Verweis auf die US-Sportlerin gegen die "Gender-Ideologie der links-grünen Frauen-Abschaffer" wetterte. Thomas sei "ein Mann" und die "Transgender-Diskussion" führe dazu, "dass Männer Rekorde im Frauenschwimmen brechen, sich Männer in Damenumkleidekabinen aufhalten und Sexualverbrecher in Frauengefängnissen ihre Strafe absitzen, nur weil sie sich gerade als Frauen 'fühlen'".

Die AfD versucht dabei offensichtlich, den Schulterschluss mit transphoben Aktivistinnen wie Alice Schwarzer hinzubekommen. Der Tenor ist, dass Akzeptanz für trans Menschen frauenfeindlich sei. Die AfD-Politikerin Erika Steinbach tweetete etwa: "Es ist frauenfeindlich, wenn Personen, die genetisch Männer sind, zu Frauenwettbewerben zugelassen werden."
Auch in anderen Ländern versuchen transphobe Kräfte, mit Thomas Hass auf trans Menschen zu verbreiten, indem das Sport-Thema mit anderen Themen vermischt wird. Ein Beispiel ist der texanische Senator Ted Cruz, der früher insbesondere Stimmung gegen Homosexuelle machte, jetzt aber auf trans Menschen umgestiegen ist. Er erwähnte Thomas dutzende Male in sozialen Netzwerken – und brachte die Schwimmerin etwa auch mit dem "Don't Say Gay"-Gesetz in Verbindung. In einem Tweet postete er das Video einer ESPN-Moderatorin, die dieses und andere gegen queere Menschen gerichtete Gesetze verurteilte. Dazu schrieb der Republikaner: "Warum zur Hölle denkt ESPN, dass Fünfjährige in öffentlichen Schulen über Sex und Sexualität unterrichtet werden müssten. Solch linker Mut. Jetzt sprecht über Lia Thomas. Oder China."

Hier sei angemerkt, dass das Gesetz in Florida nicht Unterricht über "Sex und Sexualität" von Fünfjährigen verbietet, sondern Gespräche über "sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsidentität" für alle Schulklassen, sollten diese als "nicht altersgerecht" empfunden werden.
Thomas erfüllt NCAA-Voraussetzungen
Bereits zuvor hatte es Kritik an Lia Thomas gegeben, etwa durch den früheren US-Schwimmer Michael Phelps (queer.de berichtete). Allerdings erfüllt Thomas, die sich im Jahr 2019 als trans geoutet hatte, alle Voraussetzungen für trans Sportlerinnen, die vom Amateurverband NCAA vorgegeben worden sind. Diese verlangen unter anderem testosteronsenkende Medikamente für mindestens ein Jahr.
Gegner*innen von trans Frauen im Sport behaupten allerdings, dass sie wegen ihrer Geschlechtsidentität genetische Vorteile – etwa beim Körperbau – habe. Andere erwiderten darauf, dass es auch innerhalb eines Geschlechts Unterschiede gebe und es einen wirklich "fairen" Sport schlicht nicht gebe. Michael Phelps hat etwa genetisch bedingt eine Arm-Spannweite von 2,04 Metern und ist damit fast allen anderen Männern überlegen. Trotzdem sei seine Zulassung zum Schwimmsport nie eine Frage gewesen.
Eine im "British Journal of Sports Medicine" veröffentlichte Studie kam vor gut einem Jahr außerdem zu dem Ergebnis, dass sich die sportliche Leistung von trans Frauen nach zwei Jahren denen von cis Frauen angleicht (queer.de berichtete).
Übrigens: Den Durchmarsch durch Thomas gab es – wie in einigen Medien verbreitet – nicht. So wurde sie etwa im Finale über 100 Yard (91 Meter) Letzte. (dk)
