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Lübbe Sachbuch

Warum schwule Manager sich nicht outen

In seinem neuen Buch "Andersrum in die Chefetage" rechnet Matthias Herzberg mit Vorbildern ab, die keine sein wollen, und beschreibt, wie ein offenes, selbstbewusstes Auftreten der queeren Karriere den Weg bereitet. Wir haben eine Leseprobe!


Trägt eine Mitschuld am Versteckspiel: Thomas Sattelberger war von 2007 bis 2012 im Vorstand der Deutschen Telekom tätig, doch erst 2014 nach seinem Ausstieg outete er sich als schwul. Seit 2017 ist für die FDP Mitglied des Deutschen Bundestages (Bild: Wolfgang Maria Weber)
  • Von Matthias Herzberg
    25. März 2022, 11:54h 12 5 Min.

Der wahrscheinlich bekannteste schwule Manager Deutschlands ist keiner mehr. Thomas Sattelberger hat eine lange, sensationell erfolgreiche Konzernkarriere hinter sich. Viele Jahre lang war er Vorstand der bitteschön nicht pink-, sondern magentafarbenen Telekom. Sattelberger outete sich zu einem Zeitpunkt, als ihm nichts mehr passieren konnte: nach dem Ende seiner Karriere im September 2014.

Wie er dem "Spiegel" wenige Monate später erklärte, hat er es auch dann noch nicht freiwillig getan, sondern auf Druck der Medien. Kurz zuvor hatte sich mit Thomas Hitzlsperger nämlich der erste Fußballprofi geoutet – ebenfalls nach dem Ende seiner Laufbahn als Spieler. Viele wollten darin einen Trend sehen: Wenn sich nun sogar schon die (ehemaligen) Fußballer trauen, muss es doch auch mal dem (ehemaligen) Top-Management gelingen!

In dem Gespräch sprach Sattelberger auch aus, warum er in all den Jahren als Vorstand nie Farbe bekannt hatte. Wenn man sich als Spitzenmanager oute, müsse man "immer damit rechnen, dass diese Information irgendwann gegen Sie verwendet wird". Das Top-Management, so sein Vorwurf, klone seine Nachfolger, und Konzernzentralen seien eine "Schule der Intrigen".

Coming-out ist kein "Marketinggag"


Matthias Herzbergs Buch "Andersrum in die Chefetage" ist seit 25. März 2022 im Buchhandel erhältlich

Einige Beispiele, von denen du hier noch lesen wirst, geben ihm recht. Dennoch sind solche Einlassungen von einem pensionierten Manager zu wenig, zu spät. Im Versteckspiel von Männern wie Thomas Sattelberger ist letztlich auch einer der Gründe zu suchen, warum schwule Manager sich weiterhin bedeckt halten – in einer der erfolgreichsten Volkswirtschaften der Welt, die sonst in so vielen Belangen weltweit eine Führungsrolle einnimmt. Wenn einer wie Sattelberger das Coming-out von Apple-Chef Tim Cook als "Marketinggag" bezeichnet, der den "Voyeurismus" bediene, sendet er damit meiner Meinung nach eine fatale Botschaft an die nachfolgende Managergeneration: Macht es wie ich, alles andere ist unanständig.

Sattelberger betonte in dem Interview, er habe das Coming-out extra so unauffällig wie möglich nebenbei erledigt. Damit habe er reißerische Schlagzeilen vermeiden wollen. Ernsthaft? Die Diskussion um die gesellschaftlich angenehme Lautstärke sogenannter Randgruppen ist so alt wie die Gleichstellungsdebatte selbst. Die Position vieler konservativer Stimmen, und leider auch die mancher Betroffenen wie Sattelberger, findet naheliegenderweise viele Sympathien: Macht doch, was ihr wollt, aber bitte auf Zimmerlautstärke.

Ich will diese Sichtweise niemandem absprechen; man kann zur konkreten Ausgestaltung von Veranstaltungen wie den alljährlichen Paraden zum Christopher Street Day und dem konsequent klischeehaften Habitus mancher schwulen Medien-Ikone stehen, wie man will. Ich laufe da auch nicht in Hotpants durch Köln, so wie ich die Aktenordner in meinem Büro nicht nach Regenbogenfarben sortiere. Doch Meilensteine wie die Abschaffung von Paragraf 175, weitgehende Gleichstellung vor dem Gesetz und die Ehe für alle wurden nicht dadurch erreicht, dass schwule Männer und lesbische Frauen sich möglichst unauffällig verhalten haben. Es gibt einen Grund, warum die Pride-Bewegung so heißt, wie sie heißt. Wenn queere Manager*­innen nicht einmal stolz ihre Identität tragen dürfen – wie sollen sie jemals ihre Unsicherheit überwinden? Wie soll es ihnen gelingen, sich als gleichwertig zu betrachten und sich selbstbewusst im Ego-Spiel Karriere zu behaupten?

Fehlendes Problembewusstsein


Matthias Herzberg ist Diplom-Sozialpädagoge, Diplom-Pädagoge und Kommunikationstrainer (Bild: PicturePeople)

In vielen Führungsetagen gibt es außerdem kein ausreichendes Problembewusstsein. Das liegt zum einen daran, dass zu wenig Druck von außen kommt – politisch und wirtschaftlich. Zum anderen liegt es aber auch daran, dass es an Druck von innen fehlt. Und für den müssen die schwulen Führungskräfte selbst sorgen. Solange wir keinen Dampf machen, herrscht weiter der Eindruck vor, dass jeder offen schwule Kandidat für einen Chefposten leicht ersetzbar ist. Warum sollte man irgendetwas für eine Gruppe verändern, die gefühlt gar nicht existiert? Warum ausgerechnet den Exoten befördern? Warum dem Mann vom anderen Ufer das Ruder überlassen?

Patriarchen und männlich dominierte Aufsichtsräte stellen berechenbare Kandidat*­innen ein. Sie wollen verstehen und kontrollieren können, wie die Führungskräfte in ihrem Unternehmen ticken. In dieses Bild von Führung passt ein schwuler Kandidat nicht rein, der bewiesen hat, dass er für sich einstehen kann und sich im Zweifel nicht wegducken wird, wenn es zu Problemen oder Konflikten kommt. Und Frauen, herrje, kommen in vielen Häusern genauso wenig zum Zug! Die Tendenz, Führungspositionen nach Schema F zu besetzen, macht es anderen Bewerbern leicht, den schwulen Konkurrenten loszuwerden – sei es durch Manipulation im Hintergrund oder durch offenes Mobbing.

Ungebrochenes perpetuum mobile der Karriereangst

Es sei denn natürlich, der Anwärter ist ein Mann ohne Unterleib – ein Führungs-Roboter mit identitärem Vakuum. Ein solcher Manager kann sich für das Unternehmen bis zur Unkenntlichkeit verbiegen und stellt das täglich unter Beweis, indem er mit seiner Persönlichkeit hinterm Berg hält. Wer bereit ist, das Unternehmen vor die eigene Identität zu stellen, kann je nach Führungskultur sogar ein hervorragender Kandidat für einen Chefposten sein. Auf diese Weise kann man in vielen deutschen Unternehmen tatsächlich Karriere machen und schwul sein. Problematisch wird es, wenn man versucht, schwul Karriere zu machen.

Das ist der Grund, warum schwule Manager sich nicht outen. So kommt es, dass diejenigen, die Vorbilder sein könnten, sich dieser Rolle entziehen – Menschen wie Thomas Sattelberger und einige, die du in diesem Kapitel noch kennenlernst. Deshalb fehlt es jungen Männern, die Karriere machen und dabei ihrer Identität treu bleiben wollen, noch heute an Vorbildern. Das Ergebnis: ein ungebrochenes perpetuum mobile der Karriereangst, das sich von einer Managergeneration auf die nächste überträgt. Und das alles, weil schwule und andere Führende eben nicht das tun, wofür sie verantwortlich sind: Menschen unterstützen und mit ihrem Verhalten ein Vorbild sein.

Infos zum Buch

Matthias Herzberg: Andersrum in die Chefetage – Queer Karriere machen in der Männerwirtschaft. 304 Seiten. Lübbe Sachbuch. Köln 2022. Taschenbuch: 16,99 € (ISBN 978-3-431-05028-8). E-Book: 12,99 €

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#1 hugoAnonym
  • 25.03.2022, 15:45h
  • Nun, nach meiner Meinzng ist das Seyualverhalten und die sexuellen Orientierung Privatsache!
    Wem und wieviel ich aus meiner Privarspäre mitteile, isr ausschließlich meine Sache.
    Wer sich öffentlich outet hat meinen Respekt, aber wer die unterlässt aber ebenfall!
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#2 TyranusAnonym
  • 25.03.2022, 17:17h
  • Antwort auf #1 von hugo
  • Was hat das was du schreibst mit dem Artikel zu tun? Es geht darum, dass Manager Karrierenachteile befürchten müssen, wenn sie sich outen. Die von dir so hochgelobte "Privatsache" ist also keineswegs eine freie Entscheidung! Das ist weiterhin ein großes Problem in unserer von heteronormativer Cis-Männlichkeit geprägten Wirtschaftswelt.
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#3 JJEHAnonym
  • 25.03.2022, 18:16h
  • Ich habe ein eigenes Unternehmen mit 30 Mitarbeitern, lebe offen schwul. Und habe damit keinerlei Probleme.
    Gleichzeitig ist es jedermanns Privatsache, ob er das genauso so macht oder auch nicht.
    Es ist anmaßend und übergriffig, dies von jemandem zu erwarten, bzw. eine Bewertung darüber abzugeben, wie laut oder leise, wie transparent oder eben nicht man sein Leben lebt. Was soll das? Es ist meine Entscheidung, wen und ob es jemanden etwas angeht, wie ich lebe.
    Diese Haltung, wie auch immer sie aussieht, moralisch oder wie auch zu bewerten, halte ich für falsch und gefährlich.
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