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Demokratiefördergesetz
Kritik an Ampel-Plänen: Zur Demokratie gehört auch der Schutz queerer Menschen
Das Demokratiefördergesetz soll ein großes Projekt der Bundesregierung werden, doch an den vorgelegten Eckpunkten gibt es Kritik. Drei LGBTI-Institutionen vermissen den Kampf gegen Queerfeindlichkeit.

Bundestag unterm Regenbogen: Zum IDAHOBIT 2017 hatten queere Organisationen den Aufruf "Vielfalt gegen rechts – für eine offene Gesellschaft!" veröffentlicht (Bild: DAH / Johannes Berger)
- Von Michael Louis
27. März 2022, 06:39h 4 Min.
Das Thema ist schon länger auf der Agenda im politischen Berlin. Doch in der letzten Regierung ist das damalige "Wehrhafte-Demokratie-Gesetz" am Widerstand von CDU und CSU gescheitert. Die Union wollte über eine "Extremismusklausel" von Förderwilligen ein schriftliches Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung einfordern, um zu verhindern, dass "linksradikale" Akteure an Fördergelder kämen.
Ende Februar 2022 hat die Ampelkoalition einen Prozess zur Beteiligung der Zivilgesellschaft gestartet, zu dem über 200 Verbände und Personen der Wissenschaft zur Mitwirkung eingeladen wurden. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD), die Akademie Waldschlösschen und der Bundesverband Trans*, die zusammen das Kompetenznetzwerk "Homosexuellen- und Trans*feindlichkeit" des Bundesprogramms "Demokratie leben!" tragen, haben in dieser Woche ihre Stellungnahmen an das Familien- sowie das Innenministerium versandt. Sie liegen queer.de vor.
Begriff "Queerfeindlichkeit" taucht nur einmal auf
Wie sehr es in dem kommenden Gesetzgebungsprozess darum gehen wird, den Demokratiebegriff nicht auf Themen zu verengen, die gegenwärtig in breiten öffentlichen Debatten ohnehin großen Raum einnehmen, zeigt sich daran, dass der Begriff "Queerfeindlichkeit" im Diskussionspapier der Ministerien (PDF) überhaupt nur einmal vorkommt. Dabei zeigte die Kriminalitätsstatistik des Bundesinnenministeriums für das Jahr 2020 immerhin 782 Straftaten aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Identität oder Orientierung der geschädigten Personen.
Und so bemängelt der LSVD in seiner Stellungnahme, dass im Diskussionspapier zum Gesetzentwurf nur die Begriffe "politisch und ideologisch motivierte Gewalt" verwendet werden. Dadurch drohe die Demokratiefeindlichkeit zu sehr auf Rechts- und Linksextremismus sowie Rassismus und Antisemitismus reduziert zu werden. Die klare Benennung von queerfeindlicher und geschlechtsspezifischer Hasskriminalität gehöre viel stärker ins öffentliche Bewusstsein und sollte sich auch im Gesetz wiederfinden.
Das Demokratiefördergesetz solle die Sicherung der vielen regionalen und bundesweiten Bildungsmaßnahmen zur Steigerung von "Regenbogen-" und "Geschlechtervielfaltskompetenz" für verschiedene Zielgruppen und Berufe gewährleisten, fordert die Akademie Waldschlösschen. Wichtig sei, eine hohe Diversität der Projektformen anbieten zu können – etwa Selbsthilfemaßnahmen, "Expert*innen in eigener Sache" oder auch Peer-to-peer-Beratungen.
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Bundesverband Trans* fordert langfristige Förderung
Jenseits der inhaltlichen Ebene ist vor allem die Struktur der bisherigen Förderungen durch den Bund nach Ansicht der drei Verbände problematisch. Der Bundesverband Trans* weist ausdrücklich darauf hin, wie wichtig die Dauerhaftigkeit von Strukturen zur Förderung von Projekten zur Demokratiefeindlichkeit seien. Insbesondere die bisher oft kurzfristigen Förderzeiträume machten verlässliche Planungen für die Organisator*innen und Veranstalter*innen solcher Maßnahmen unmöglich, wodurch den Bedarfen und Anliegen marginalisierter Gruppen nur unzureichend begegnet werden könne.
In ihren Stellungnahmen kritisieren die drei Verbände weiter, dass bestimmte Aspekte, die aus queerer Perspektive wichtig sind, in dem Diskussionspapier der Ministerien bisher vernachlässigt werden. Im künftigen Kampf gegen Queerfeindlichkeit müsse aus Sicht der drei queeren Verbände das Empowerment ein größeres Gewicht bekommen. So sollten zukünftig Projekte gefördert werden, die Räume zur Stärkung der eigenen Identität schaffen, um so eine selbstbestimmte gesellschaftliche Teilhabe von gegenwärtig diskriminierten Gruppen zu gewährleisten. Diese Angebote sollten sich nicht damit begnügen, in der Dominanzgesellschaft Sensibilität hervorzurufen, sondern sich auch und gerade spezifisch an die marginalisierten Gruppen richten.
Verbände fordern mehr Geld für intersektionale Projekte
Ein weiterer Aspekt, den alle drei queeren Verbände in den Mittelpunkt stellen, ist die Intersektionalität. Wie auch aus der Extremismusforschung bekannt ist, sind Menschen, die von Angriffen aus einer "Ideologie der Ungleichwertigkeit" heraus betroffen sind, häufig mehrfachen Diskriminierungen ausgesetzt. Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer bezeichnete dies bereits vor 20 Jahren als "Syndrom gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit". Die drei Verbände fordern, dass die durch dieses Gesetz zukünftig geförderten Maßnahmen besonders Projekte unterstützen sollen, die an diesem Zusammenwirken der parallelen Diskriminierungen ansetzen. Derzeit seien Initiativen, die sich diesem Thema annehmen, häufig besonders schlecht mit finanziellen Mitteln ausgestattet und stünden oft erst noch am Anfang ihrer Arbeit.
So bleibt abzuwarten, ob das Gesetz letztlich so ausgestaltet werden wird, dass die zukünftig geförderten Projekte und Maßnahmen sich auf alle Aspekte der Demokratiefeindlichkeit beziehen werden. Nur so kann dieses Gesetz dann auch den Kampf gegen Queerfeindlichkeit tatkräftig mit angehen.

Links zum Thema:
» Das Diskussionspapier von Familien- und Innenministerium als PDF
www.dw.com/de/aktionsplan-queer-beauftragter-der-bundesregie
rung-lehmann/a-60359624
Gibt es da dann nicht Überschneidungen?
Ansonsten könnte man natürlich noch eine Petition starten, um die Regierung da zum Umdenken zu bewegen.