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HRW-Bericht
Lage von queeren Menschen im Irak katastrophal
Ein neuer Bericht über die Lage von queeren Menschen im Irak zeichnet ein düsteres Bild: Demnach würden queere Menschen wegen ihrer Identität Opfer von Tötungen, Entführungen, Folter und sexuelle Gewalt.

Bewaffnete Gruppen entführen, vergewaltigen, foltern und töten laut HRW queere Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität (Bild: John Holmes / Human Rights Watch)
- 29. März 2022, 15:02h 3 Min.
"Ich will nicht mehr leben. Wofür auch? Jeder will, dass ich tot bin." Mit diesen Worten beschreibt der 21-jährige Jasser aus Bagdad die Situation vieler queerer Menschen im Irak. Er wird im 86-seitigen Bericht "'Everyone Wants Me Dead': Killings, Abductions, Torture, and Sexual Violence Against LGBT People by Armed Groups in Iraq" zitiert, den die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) vergangene Woche veröffentlich hat.
Demnach entführen, vergewaltigen, foltern und töten bewaffnete Gruppen im 40 Millionen Einwohner*innen zählenden Land ungestraft lesbische, schwule, bisexuelle und trans Menschen. Die Polizei wiederum verhafte queere Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität und übe Gewalt gegen sie aus.
In dem Bericht werden unter anderem Fälle von versuchten Tötungen von queeren Personen durch bewaffnete Gruppen dokumentiert, vor allem aus den Reihen der Popular Mobilization Forces (PMF), die nominell dem Premierminister unterstellt sind. HRW dokumentierte auch Fälle von Entführungen, außergerichtlichen Tötungen, sexueller Gewalt und Online-Angriffen auf LGBT durch die Polizei und bewaffnete Gruppen. Die irakische Regierung versäume es, die Verantwortlichen für die Gewalt zur Rechenschaft zu ziehen, beklagt die Menschenrechtsorganisation.
Queere Menschen leben "in ständiger Angst"
"LGBT-Menschen im Irak leben in ständiger Angst davor, von bewaffneten Gruppen ungestraft verfolgt und getötet zu werden, sowie in der Angst vor Verhaftung und Gewalt durch die irakische Polizei. Das macht ihr Leben unerträglich", erklärte Rasha Younes, LGBT-Rechtsforscherin bei Human Rights Watch. "Die irakische Regierung hat nichts getan, um die Gewalt zu stoppen oder die Täter zur Rechenschaft zu ziehen."
HRW und IraQueer, eine irakische LGBT-Gruppe, sprachen für den Bericht mit 54 LGBT-Iraker*innen, die Gewalt durch bewaffnete Gruppen und die Polizei erfahren haben. Die Human Rights Watch befragte zudem Vertreter*innen von neun Menschenrechtsorganisationen und internationalen Agenturen sowie sieben Vertreter*innen ausländischer Missionen im Irak und sprach mit Rechtsanwält*innen. Die Befragten hatten Übergriffe in Bagdad und anderen irakischen Städten sowie in der Region Kurdistan erlebt. Die Human Rights Watch untersuchte auch die Online-Dokumentation von Angriffen auf LGBT, darunter Videos, Bilder und Online-Drohungen.
Dem Bericht zufolge begünstigten die "Moral"-Klauseln im irakischen Strafgesetzbuch, das Fehler zuverlässiger Beschwerdesysteme und das Fehlen von Antidiskriminierungsgesetzen die Gewalt. Dies habe ein Umfeld geschaffen, in dem bewaffnete Regierungsbeamte queere Menschen ungestraft misshandeln könnten.
Auch Gewalt durch Verwandte
Auch im privaten Umfeld gebe es antiqueere Gewalt. Die meisten der Befragten gaben an, mindestens einmal extreme Gewalt durch männliche Verwandte aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität erfahren zu haben. Zu dieser Gewalt gehörte, dass sie über längere Zeit in einen Raum eingesperrt worden seien, dass ihnen Nahrung und Wasser verweigert worden sei oder dass ihnen Verbrennungen zugefügt worden seien. Sie seien außerdem geschlagen, vergewaltigt, mit Elektroschocks traktiert worden, mit vorgehaltener Waffe überfallen und zu Konversionspraktiken und Hormonbehandlungen gezwungen worden. Zudem seien sie zwangsverheiratet und gezwungen worden, viele Stunden ohne Entlohnung zu arbeiten.
"Wenn die irakische Regierung der Gewalt und der Straflosigkeit nicht sofort ein Ende setzt, werden weiterhin LGBT-Menschen im Irak sterben", so Younes. "Die irakischen Behörden sollten die Gewalt gegen LGBT-Personen öffentlich verurteilen und ihr Recht auf Schutz im eigenen Land gewährleisten." (cw)














