Hauptmenü Accesskey 1 Hauptinhalt 2 Footer 3 Suche 4 Impressum 8 Kontakt 9 Startseite 0
Neu Presse TV-Tipps Termine
© Queer Communications GmbH
https://queer.de/?41581

"Stern"-Interview

Kardinal Marx über queere Menschen: "Wir sind gefordert, uns gegen Diskriminierung zu stellen"

Im katholischen Katechismus heißt es, dass Homosexualität nie akzeptiert werden dürfe. Jetzt sagt einer der mächtigsten deutschen Kirchenvertreter offen: "Man darf auch in Zweifel ziehen, was da drinsteht."


Reinhard Marx fordert mit seinem "Stern"-Interview den Vatikan heraus (Bild: StagiaireMGIMO / wikipedia)

  • 30. März 2022, 11:39h 6 4 Min.

Der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx geht weiter auf queere Menschen zu – und auf Distanz zum Vatikan. Im Interview mit dem am Donnerstag erscheinenden "Stern" konkretisiert der hochrangige Kirchenmann laut einer Vorabmeldung des Hamburger Magazins seine Ideen für eine weltoffene Kirche. Marx hatte vergangenen Monat für Aufsehen gesorgt, als er sich bei einem Queer-Gottesdienst in München für den Umgang der Kirche mit sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten entschuldigte (queer.de berichtete).

Im "Stern"-Gespräch stellte der 68-Jährige seine Idee einer "inklusiven Ethik" vor, und will mit der Ausgrenzung queerer Glaubenden in seiner Kirche aufräumen: "Homosexualität ist keine Sünde", betonte Marx. "Es entspricht einer christlichen Haltung, wenn zwei Menschen, egal welchen Geschlechts, füreinander einstehen, in Freude und Trauer. Ich spreche vom Primat der Liebe, gerade in der sexuellen Begegnung." Er müsse sich allerdings eingestehen, sich "vor zehn oder fünfzehn Jahren selbst noch nicht hätte vorstellen können, eines Tages diesen Gottesdienst so zu feiern".

"LGBTI-Menschen sind Teil der Schöpfung und von Gott geliebt"

Marx sei sich bewusst, dass er damit konservative Kreise der Katholischen Kirche vor den Kopf stoße. Er fühle sich aber freier, "zu sagen, was ich denke". Sein Ziel sei es, "die kirchliche Lehre weiterbringen". "LGBTI-Menschen sind Teil der Schöpfung und von Gott geliebt, und wir sind gefordert, uns gegen Diskriminierung zu stellen", so der Erzbischof. "Ich glaube: Gott sucht die Gemeinschaft mit ihnen, wie er sie mit allen Menschen will. Für mich ist es eher Sünde, andere aus der Kirche drängen zu wollen."

Wer Schwulen und Lesben und generell "mit der Hölle droht, hat nichts verstanden." Marx erklärte, er stelle sich dabei bewusst gegen den bestehenden Katechismus der Katholischen Lehre, in der homosexuelle Handlungen als "in sich nicht in Ordnung" beschrieben werden, und "in keinem Fall zu billigen" wären. "Der Katechismus ist nicht in Stein gemeißelt. Man darf auch in Zweifel ziehen, was da drinsteht."

Als erste Schritte kündigte er an, das katholische Arbeitsrecht diesbezüglich anzupassen: "Natürlich muss es noch verlässlich festgeschrieben werden, dass man nicht aufgrund sexueller Orientierung oder einer Wiederverheiratung entlassen werden darf. Es kann ja nicht sein, dass das vom Wohlwollen des amtierenden Bischofs oder Generalvikars abhängt."

"Bin wie jeder andere ein sexueller Mensch"

Im Gespräch mit dem stern sprach Marx ungewohnt offen über seine persönlichen Gefühle und sein Leben mit der Ehelosigkeit: "Natürlich bin ich – wie jeder andere – ein sexueller Mensch. Ich habe auch eine Sexualität, auch wenn ich in keiner Beziehung lebe", so Marx. Als junger Priesteranwärter habe es "durchaus auch den Reiz gegeben, das Liebesleben zu entdecken, aber das andere war für mich stärker." Auf die Frage, ob er sich in all den Jahren nie verliebt habe, sagte Marx: "Zumindest nicht so, dass ich gesagt hätte, für diesen Menschen werfe ich alles hin. Aber natürlich finde auch ich Personen attraktiv, es wäre unaufrichtig, das zu leugnen. Zölibat bedeutet nicht, ohne menschliche Beziehungen zu leben, man wäre dann sehr arm."

Grundsätzlich könne er sich vorstellen, die Kirche auch für verheiratete Priester zu öffnen: "Es wird nicht alles zusammenbrechen, wenn "es ehelose und verheiratete Priester gibt. Das zeigt der Blick auf andere Kirchen."

"Konzept des Gehorsams muss überprüft werden"

Marx äußerte sich auch zu anderen Themen. Er ging etwa darauf ein, dass er bei einer unabhängigen Anwaltskanzlei ein Gutachten in Auftrag gegeben hatte, um die Verfehlungen seiner Diözese in Missbrauchsfällen offenzulegen. In dem Gutachten waren einige seiner Vorgänger schwer belastet worden, auch ihm selbst wurden Fehler attestiert. "Das System insgesamt, die ganze Atmosphäre müssen sich ändern", sagte Marx dazu. "Diese geschlossenen Systeme und ein möglicher Missbrauch klerikaler Macht sind eine Gefahr. Der Zölibat ist sicher nicht automatisch eine Ursache für Missbrauch, aber wir müssen bekennen: Das Verschweigen und das Interesse, primär die Institution und deren Ruf zu schützen – und dann erst die Opfer zu sehen, das gibt es leider bis heute! Die Kirche muss transparenter werden, es muss Teilhabe an der Macht geben, Möglichkeiten zu wirken und zu gestalten. Das in Teilen falsche Konzept des Gehorsams muss überprüft werden. Es darf keine Hierarchie mehr geben, bei der man den Oberen nur nach dem Munde redet."

Für den Krieg zwischen Russland und der Ukraine erwarte er sich, "dass der Papst gut überlegt, was er tun kann. Er hat den Krieg klar verurteilt. Und so wie ich ihn kenne, ist er nicht ängstlich, auch ungewöhnliche Zeichen zu setzen."

Zuletzt hatten die deutschen Bischöfe insbesondere im Umgang mit queeren Menschen die Vorgaben aus dem Vatikan in Frage gestellt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sprach sich etwa dafür aus, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen – und lehnte sich damit gegen eine Anweisung aus dem Vatikan auf (queer.de berichtete). Deshalb forderte kürzlich George Kardinal Pell, der ehemalige vatikanische Finanzchef, den Vatikan auf, Konsequenzen gegen Bätzing zu ziehen (queer.de berichtete). (pm/dk)

#1 stephan
  • 30.03.2022, 11:50h
  • Es gibt hier keinen Grund zu euphorischem Lob für Marxens Erkenntnisse und Einsichten, aber Lernfähigkeit ist auf jeden Fall eine gute Eigenschaft!
  • Antworten »  |  Direktlink »
#2 hugoAnonym
  • 30.03.2022, 11:59h
  • Nun, der Kardinal Pell ist ja ebenso wie der Kardinal Müller, auf dem Abstellgleich gelandet!
    Daher sollten die sich fragen, ob etwad Demut nicht angebrahter wäre, als agresives verhalten!
  • Antworten »  |  Direktlink »
#3 SakanaAnonym
  • 30.03.2022, 12:00h
  • Antwort auf #1 von stephan
  • In der Tat ist ein Schritt in die richtige Richtung schon mal ein guter und wichtiger Schritt, aber eben erst auch nur ein Schritt am Beginn einer beschwerlichen Wanderung hin zum Guten. Und Marx muss aufpassen, nach dem ersten Schritt nicht ins Straucheln zu geraten. Warten wir seine weiteren Schritte geduldig ab.
  • Antworten »  |  Direktlink »