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TV-Kult
25 Jahre "schwule" Teletubbies: Verlacht, verteufelt – aber ein Riesenerfolg
"Ah-oh!" Als die BBC am 31. März 1997 die erste Folge der Teletubbies ausstrahlte, brach eine neue Ära des Kinderfernsehens an. Nicht alle fanden das gut – und vermuteten gar die "Gay-Agenda" am Werk.

Vorne steht Tinky Winky, der von einem US-Eiferer als schwul geoutet wurde, hinten sind seine drei Freund*innen (Bild: BBC)
- 31. März 2022, 03:50h 4 Min.
Rundlich, knuddelig, immer gut gelaunt: Seit 25 Jahren erfreuen die Teletubbies Kleinkinder auf der ganzen Welt – und auch in vielen schwulen Bars wurden die Tinky Winky, Dipsy, Laa-Laa and Po zu unverhofften Stars, aber dazu später mehr.
Als das Quartett am 31. März 1997 erstmals beim britischen Sender BBC Two zu sehen war, war die Aufregung erst einmal groß. Ein Fernsehprogramm speziell gemacht für die ganz Kleinen – das löste erregte Debatten aus. Nicht nur in Deutschland galt Fernsehen dem Bildungsbürgertum als schädlicher Zeitvertreib, von dem Kinder möglichst lange ferngehalten werden sollten.
Übersetzt in 45 verschiedene Sprachen
Doch die Teletubbies eroberten die Welt im Sturm und erreichten inzwischen eine Milliarde Kinder in 120 Fernsehmärkten, übersetzt in 45 verschiedene Sprachen. Der Teletubbie-Song mit dem eingängigen Laut "Ah-Oh" stürmte 1997 sogar die britischen Charts und behauptete sich zwei Wochen lang auf Platz eins. Teletubbie-Spielsachen wurden zu einem Verkaufsschlager. In Deutschland kam die Serie erst zwei Jahre später ins Fernsehen.
Erwachsene konnten dem Programm oft nicht viel abgewinnen. Die vier pummeligen Wesen mit ihren koboldhaften freundlichen Gesichtern, großen Ohren, Antennen auf dem Kopf und Bildschirm auf dem Bauch hopsen, laufen und purzeln umher und wiederholen oft immer wieder ähnliche Abläufe. Einzelne Szenen sind oft langgezogen, um den Kindern Zeit zu geben, das Gesehene zu verarbeiten. Mit-Schöpfer Andrew Davenport ließ sich nach Angaben der heute verantwortlichen Produktionsfirma Wildbrain für die Figuren von dem Erscheinungsbild und den Bewegungen der Astronauten bei der Mondlandung 1969 inspirieren.
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Teletubbies (@TeletubbiesHQ) March 28, 2022
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Eltern waren auch besorgt, ihre Kinder könnten durch die Sendung in ihrer Sprachentwicklung beeinträchtigt werden. Die vier Figuren sprechen meist in einer Art Babysprache. Mit "Ah-oh" begrüßen sie ihre Zuschauer und zur Verabschiedung heißt es "Winke, Winke".
Doch die Sorgen seien unbegründet gewesen, sagt Professorin Sonia Livingstone im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Die Sozialpsychologin lehrt an der Abteilung für Medien und Kommunikation an der London School of Economics. "Die Produzenten haben sich viel mit kindlicher Entwicklung und frühkindlicher Bildung beschäftigt, um die Inhalte lehrreich und nützlich zu machen", erläutert sie. Erwachsene dürften sich nicht selbst zum Maßstab machen und glauben, Zweijährige würden neue Wörter auf dieselbe Weise lernen wie sie selbst, so die Wissenschaftlerin. Es komme nicht auf die Wörter an, die gesagt würden, sondern auf die Freude an der Kommunikation und das Hin und Her des Dialogs.
"Er ist lila, das ist die 'Gay Pride'-Farbe"
Manch frommer Eiferer sah in der Sendung eine Gefahr für die Unschuld der kleinen Zuschauer*innen. Das Magazin des US-Fernsehpredigers Jerry Falwell bezeichnete Tinky Winky gar als schwul und Gefahr für eine gesunde sexuelle Entwicklung von Kindern. "Er ist lila, das ist die 'Gay Pride'-Farbe. Und seine Antenne ist zu einem Dreieck gebogen, das ist das 'Gay Pride"-Symbol'", so der 2007 verstorbene Homo-Hasser. Und dann sei da ja noch die rote Handtasche. Ein Sprecher der damals für die Teletubbies verantwortlichen Produktionsfirma Itsy Bitsy Entertainment zeigte sich daraufhin empört: "Das ist eine Kindersendung, Leute", sagte er. Einen Teletubbie in einer Sendung für Kinder im Vorschulalter als schwul zu bezeichnen, sei "absurd".
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Wenn auch nicht geplant, wurde Tinky Winky tatsächlich für manche schwulen Erwachsenen zu einer Figur, mit der sie sich identifizieren konnten – und plötzlich liefen auf Fernsehbildschirmen in Gay Bars statt sich räkelnder halbnackter Männer die Teletubbies. Die "Washington Post" prophezeite dem als "schwulen Teletubbie" bezeichneten lila Helden in ihrer jährlichen In/Out-Liste, in Mode zu sein. Doch auch das zog die Kritik der Teletubbie-Verantwortlichen auf sich, die offensichtlich Angst hatten, dass sich ein "schwules" Kinderprogramm schlechter international verkaufen würde.
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Die Macher*innen der Sendung hatten unterdessen ganz andere Sorgen: Die im Hintergrund herumhoppelnden Riesenkaninchen waren nicht kastriert. Immer wieder mussten einzelne Szenen neu gedreht werden, weil darauf Kaninchen beim Liebesspiel zu sehen waren.
Teletubbies-Crew hat Frieden mit "schwulem" Tinky Winky geschlossen
Inzwischen geht die Crew hinter der Teletubbies-Sendung ganz entspannt mit dem Thema sexuelle Orientierung um. Im vergangenen Jahr wurde die erste Pride Fashion Collection der Teletubbies vorgestellt (queer.de berichtete). Zu dem Motto "Teletubbies love pride" gibt es unter anderem T-Shirts, Corona-Masken und Mützen mit dem Schriftzug "Big Love Big Hug" zu kaufen, jedes der vier Worte in der Farbe eines Teletubbies. Die Erlöse gehen an eine Organisation, die sich für LGBTI-Akzeptanz einsetzt.
Ein Vierteljahrhundert nach der ersten Ausstrahlung dürften viele der ersten Teletubbie-Fans inzwischen selbst Eltern sein. Für sie wird die Aufregung von damals wohl nur schwer nachvollziehbar sein (dpa/dk)

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- In einer Folge von den Simpsons (11/6) imitiert Homer Simpsons mit einer Antenne auf dem Kopf Tinky-Winky und sagt: - Ich bin ein echter Mensch (dt. UT: voll und ganz ein Mann) falls Du was anderes gehört hast . Durch den DVD-Kommentar wird deutlich, dass das eine Anspielung auf die angebliche Homosexualität von Tinky-Winky sein soll. In Polen und den USA wurde das ernsthaft dikutiert.
- Der offen schwule Monty Arnold ist übrigens seit 1997 die deutsche Stimme von Tinky-Winky. Ist das wirklich nur ein Zufall? Ich denke nein.