https://queer.de/?41599
Großbritannien
Boris Johnson lässt Pläne für Verbot von "Homo-Heilung" fallen
In Großbritannien wird es doch kein gesetzliches Verbot von Pseudo-Therapien gegen Homosexualität oder Transgeschlechtlichkeit geben. Die Regierung begründete ihren Rückzieher u.a. mit der "Krise in der Ukraine".

Boris Johnson ist seit dem 24. Juli 2019 Premierminister des Vereinigten Königreichs (Bild: U.K. Prime Minister / wikipedia)
- 1. April 2022, 03:43h 3 Min.
Zu Update springen: Verbot soll doch kommen – aber nicht von Trans-"Heilungen" (11.26 Uhr)
Die britische Regierung hat Pläne zur Einführung eines gesetzlichen Verbots sogenannter Konversionstherapien fallengelassen. Das Kabinett von Premierminister Boris Johnson prüfe stattdessen, inwiefern bestehende Gesetze effektiver genutzt werden könnten, um gegen solche "Behandlungen" vorzugehen, erklärte ein Regierungssprecher am Donnerstag. Auch Maßnahmen, die kein Gesetz erforderten, würden ausgelotet. Sogenannte Konversionstherapien haben das Ziel, die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität vermeintlicher "Patient*innen" gezielt zu ändern.
Ein Gesetz zum Verbot von Konversionstherapien war in Großbritannien erstmals 2018 angekündigt worden. Im vergangenen Oktober erklärte die Johnson-Regierung dann, ein entsprechender Gesetzentwurf könnte Anfang dieses Jahres vorgelegt werden (queer.de berichtete). Im Februar hatten 2.500 Pfarrer*innen und kirchliche Mitarbeiter*innen aus Großbritannien in einem Offenen Brief gegen ein Verbot der "Heilung" von queeren Menschen protestiert (queer.de berichtete).
Zwei Prozent der queeren Brit*innen wurden gefoltert
Laut einem Bericht des Senders ITV lehnte Premierminister Boris Johnson es zuletzt ab, die Pläne für das Verbot weiter voranzutreiben. In einem Regierungsdokument hieß es demnach, es bestehe angesichts des "massiven Drucks auf die Lebenshaltungskosten und die Krise in der Ukraine" die "dringende Notwendigkeit, unser gesetzgeberisches Programm zu rationalisieren".
Laut einer von der britischen Regierung in Auftrag gegebenen Untersuchung aus dem Jahr 2017 wurde etwa fünf Prozent der im Vereinigten Königreich lebenden LGBTI einmal eine Konversionstherapie angeboten. Zwei Prozent der queeren Menschen durchliefen in ihrem Leben eine solche "Behandlung".
In Deutschland gilt ein Teilverbot
Aktivist*innen kritisieren die vor allem in religiösen Gemeinschaften verbreitete Praxis als zutiefst traumatisierend für die Betroffenen. Der Weltärztebund betont bereits seit Jahren, dass "Homo-Heilung" Menschen in die Depressionen, den Drogenkonsum oder sogar in den Suizid treiben kann und deshalb eine Menschenrechtsverletzung darstelle (queer.de berichtete). Trotzdem gibt es vor allem aus religiösen Kreisen Widerstand gegen derartige Verbote: So sprach sich die nationale katholische Bischofskonferenz in Kanada 2020 gegen ein von der liberalen kanadischen Regierung geplantes Verbot aus. Die Bischöfe befürchteten, dass ein derartiges Verbot "die legitime Vielfalt bezüglich Ansichten zu Sexualität" beschädigen könne (queer.de berichtete). Die Regierung setzte das Verbot am Ende dennoch um. Es wurde einstimmig im Parlament beschlossen (queer.de berichtete).
Auch Frankreich, Israel und Neuseeland beschlossen in den letzten Wochen entsprechende Verbote. In Deutschland war bereits 2020 ein Teilverbot von "Konversionstherapien" verabschiedet worden (queer.de berichtete). (cw/AFP)
Update 11.26h: Verbot soll doch kommen – aber nicht von Trans-"Heilungen"
Nach heftiger Kritik aus der eigenen Partei, von Oppositionsabgeordneten und LGBTI-Organisationen machte die britische Regierung eine erneute Kehrtwende. Wie die BBC am Freitagmittag berichtete, soll das geplante Verbot nun doch kommen – allerdings nur noch für homo- und bisexuelle, nicht für transsexuelle Menschen.
Johnsons Konservative Partei ist wegen anstehender Wahlen auf lokaler Ebene am 5. Mai zunehmend im Wahlkampfmodus. Der wegen illegaler Lockdown-Partys im Regierungssitz Downing Street unter Druck stehende Premier sucht immer wieder den Beifall erzkonservativer Kreise mit einer Strategie, die als "war on woke" bezeichnet wird. Dabei geht es um die Bekämpfung von gesellschaftlichen Strömungen, die sich gegen die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder sexuellen Orientierung einsetzen. (cw/dpa)














