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Ungarn
Viktor Orbán gewinnt Wahl, Referendum gescheitert
In Ungarn hat die rechte Fidesz-Partei von Regierungschef Viktor Orbán die Parlamentswahl überraschend deutlich gewonnen. Das queerfeindliche Referendum hat dagegen das vorgeschriebene Quorum verfehlt.

Ungarns queerfeindlicher Ministerpräsident Viktor Orban steht vor einer vierten Amtszeit (Bild: Miniszterelnöki Kabinetiroda)
- 4. April 2022, 03:26h 4 Min.
In Ungarn hat die rechtspopulistische Fidesz-Partei des queerfeindlichen Regierungschefs Viktor Orbán die Parlamentswahl mit überraschend deutlichem Vorsprung gewonnen. Das parallel stattgefundene Referendum über ein "Homo-Propaganda"-Gesetz ist hingegen gescheitert.
Nach Auszählung von 94 Prozent der Stimmen kam die Fidesz-Partei nach Angaben des ungarischen Wahlbüros vom Sonntagabend auf 53 Prozent. Das Sechs-Parteien-Bündnis der Opposition erreichte 35 Prozent. Damit behält die Regierungspartei ihre Zweidrittelmehrheit im Parlament und Ministerpräsident Orbán steht vor einer vierten Amtszeit.
Das Ergebnis fiel deutlicher aus als Umfragen es vor der Wahl prognostiziert hatten (queer.de berichtete). "Wir haben einen großartigen Sieg errungen – einen so großen Sieg, dass man ihn womöglich vom Mond sehen kann, und ganz sicher in Brüssel", sagte Orbán vor jubelnden Anhänger*innen.
Marki-Zay räumte Niederlage ein

Herausforderer Peter Marki-Zay
Oppositionsführer Peter Marki-Zay räumte am Abend seine Niederlage ein. "Ich werde meine Traurigkeit und meine Enttäuschung nicht verbergen", sagte er vor Unterstützer*innen. Der Regierungspartei warf er vor, den Wahlkampf mit "Hass und Lügen" geführt zu haben. Es sei ein "ungleicher Kampf" gewesen, da er und andere Oppositions-Politiker*innen aus den staatlichen Medien nahezu verbannt worden seien.
Hinter Marki-Zay steht ein breites Bündnis, das von der rechten Jobbik-Partei über die Liberalen bis zu den Grünen und den Sozialdemokraten reicht. Durch die Bündelung ihrer Kräfte hatten die Oppositionsparteien gehofft, den seit 2010 regierenden Orbán aus dem Amt drängen zu können.
Der 49-Jährige, ein gläubiger Katholik und Vater von sieben Kindern, bezeichnet sich selbst als "traditionellen Konservativen". Er geht aber offen auf sexuelle Minderheiten zu: So wünsche er sich ein Land, in dem "die Liebe regiert" und nicht die "Hasskampagnen", mit denen Orbán Minderheiten wie Homosexuelle und Migranten angreife (queer.de berichtete).
Wahlbeteiligung bei 68,7 Prozent
Die Wahlbeteiligung betrug 68,7 Prozent und reichte damit fast an die Rekordbeteiligung bei der Parlamentswahl 2018 heran. Auch die rechtsextreme Partei Mi Hazank schnitt besser als erwartet ab und wird voraussichtlich erstmals in Parlament einziehen.
Orbán hat das Land zunehmend autoritär umgebaut und Wahlreformen zugunsten seiner eigenen Partei umgesetzt. Zudem stehen die meisten Medien in Ungarn inzwischen unter staatlicher Kontrolle.
Aktivist*innen warnten bereits vor der Abstimmung vor erheblichem Wahlbetrug. In einem für ein EU-Land höchst ungewöhnlichen Vorgang hatten erstmals mehr als 200 internationale Wahlbeobachter*innen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) den Wahlprozess in Ungarn überwacht.
Wahlkampf vom Krieg in der Ukraine überschattet
Der Wahlkampf war zuletzt vor allem vom russischen Krieg in der Ukraine dominiert gewesen. Orbán , der unter anderem wegen seiner Nähe zu Kreml-Chef Wladimir Putin in der EU seit langem am Pranger steht, hatte zwar die EU-Maßnahmen zugunsten Kiews offiziell unterstützt. Im Wahlkampf hob er aber die neutrale Haltung Ungarns in dem Konflikt hervor und untersagte unter anderem die Lieferung von Waffen an die benachbarte Ukraine über ungarisches Staatsgebiet (queer.de berichtete).
Der Opposition warf Orbán "Kriegshetze" vor. Marki-Zay sagte seinerseits, das Land stehe vor einer Entscheidung "zwischen Putin und Europa".
Referendum über "Homo-Propaganda"-Gesetz gescheitert
Parallel zu den Wahlen fand ein LGBTI-feindliches Referendum statt, mit dem sich Orbán unter anderem sein im letzten Juni beschlossenes "Homo-Propaganda"-Gesetz, das die Darstellung von queeren Menschen in den Medien und der Öffentlichkeit stark einschränkt und teilweise untersagt, nachträglich absegnen lassen wollte (queer.de berichtete). Eine von insgesamt vier Suggestivfragen lautete etwa: "Unterstützen sie, dass minderjährige Kinder uneingeschränkt eindeutig sexuellen Medieninhalten ausgesetzt sind, die ihre Entwicklung beeinflussen?"
Mit dem Referendum werde man den "Gender-Wahnsinn" stoppen, so Orbán im März bei der Wahlkampfrede vor dem Parlament. "Der Vater ist ein Mann, die Mutter eine Frau, das Kind wird in Ruhe gelassen" (queer.de berichtete).
Das Referendum verfehlte jedoch das notwendige Quorum. Zwar stimmten über 95 Prozent gegen die Sichtbarkeit von LGBTI, doch hätten mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten eine gültige Stimme abgeben müssen, damit das Ergebnis wirksam wird. Notwendig gewesen wären 4.107.652 gültige Stimmen – nach Auszählung von 98,4 Prozent der Wahlzettel gab es laut dem Portal index.hu aber nur rund 3,5 Millionen gültige Stimmen.
Damit konnte die ungarische LGBTI-Community zumindest einen kleinen Erfolg erringen. Aktivist*innen und Oppositions-Politiker*innen, darunter Budapests Mitte-Links-Bürgermeister Gergely Karacsony, hatten im Vorfeld der Abstimmung über das "Homo-Propaganda"-Gesetz dazu aufgerufen, ungültige Stimmen abzugeben. Karacsony bezeichnete das Referendum als "Schwindel". (cw/AFP)
Der Artikel wurde aktualisiert.
