Hauptmenü Accesskey 1 Hauptinhalt 2 Footer 3 Suche 4 Impressum 8 Kontakt 9 Startseite 0
Neu Presse TV-Tipps Termine
© Queer Communications GmbH
https://queer.de/?41648

Literatur

Julian Mars vollendet Felix-Trilogie – die Leseprobe

Über drei Jahre mussten Fans auf den dritten und letzten Teil der Felix-Romantrilogie von Julian Mars warten. Jetzt ist er endlich da. Wir haben einen Auszug aus "Was wir schon immer sein wollten"!


Der Schriftsteller Julian Mars lebt nach prägenden Jahren in Hamburg und Köln inzwischen in Berlin (Bild: fraeulein-fotograf.de)
  • 6. April 2022, 02:24h 2 7 Min.

Mit seinen ersten beiden Romanen "Jetzt sind wir jung" und "Lass uns von hier verschwinden" über Ich-Erzähler Felix und seine Freunde hat sich Julian Mars eine große Fangemeinde aufgebaut. Über drei Jahre musste sie auf den dritten und letzten Teil der Romantrilogie warten – jetzt ist er endlich da.

In "Was wir schon immer sein wollten" laufen Felix und Co. noch einmal zu Höchstform auf, und alle Fragen, die die Vorgängerbände aufwarfen, gipfeln in einem stimmigen, wenn auch nicht unbedingt erwartbaren Finale. Wir haben eine exklusive Leseprobe:

- w -

Auszug aus "Was wir schon immer sein wollten"


"Was wir schon immer sein wollten" ist Ende März 2022 im Albino Verlag erschienen

Ein paar Stunden später saßen wir auf Barhockern im Foyer herum, während im Saal immer noch die Party tobte. Wir waren müde und ich wäre schon längst gegangen, doch Emilie meinte, wir müssten bis zum Ende bleiben, um Niki zu unterstützen. Die saß wie ein gelangweilter Sonnenkönig in unserer Mitte und schien sich zu fragen, was er sich da angetan hatte.

"Sagt mal, der hat 'nen ganz schön runden Hintern bekommen, oder?", fragte Em und zeigte indiskret auf Elias, der ein paar Meter entfernt engumschlungen mit Lisa tanzte.

"Er macht ja jetzt auch viel mehr Krafttraining als früher", sagte ich.

"Hmmm", machte Emilie langgezogen. "Also, wenn ihr mich fragt, sind Typen mit 'nem derart prallen Arsch meistens schwul."

"Wir fragen dich aber nicht", sagte ich schnell und linste zu Martin rüber. Doch der saß auf einem abgewetzten Sofa und quatschte mit einem jungen Typen. Interessant.

"Männerärsche sind nicht wie deine Lippen, Teuerste", sagte Niki zu Em. "Die werden nicht dicker, je öfter man reinspritzt."

"Meine Güte, das war einmal!", rief die. "Ich wollte es halt ausprobieren!"

Danach schwieg sie zum Glück eingeschnappt. Um mich wach zu halten, blätterte ich zum fünften Mal den Programmflyer des Haus of the Saint-Phallus durch, während ich mit einem halben Auge beobachtete, wie mein Freund und dieser andere Typ abwechselnd auf Martins Handy herumtippten. Von Dienstag bis Donnerstag hatte Niki Theateraufführungen oder Vorträge geplant, während die Wochenenden für wechselnde Partyreihen reserviert waren.

Den Anfang machte gleich am nächsten Abend eine Sause für alle Balkan-Queers namens Ton, Steine, Serben. Und in zwei Wochen stand mit Mashallah, ma Chère, der Fortsetzung von Allahu Akbar, Chérie, die erste Schauspielpremiere ins Haus. Den ersten Teil hatte Niki in Paris aufgeführt, wobei das Stück streng genommen nicht selbstausgedacht gewesen war, sondern eine Abwandlung von Priscilla – Königin der Wüste. Nur dass bei Niki drei französische Tunten in einem VW-Bus durch Syrien fuhren, um gegen den IS zu kämpfen.

"In Kapitel zwei geht es nun hauptsächlich um Kiki, die dümmste, aber auch schönste der drei Mesdames", erklärte Niki mir, die gesehen hatte, was ich mir da gerade durchlas. "Wir werden Zeuge, wie sie Monate nach Ende des ersten Teils in den Orient zurückreist, um Ahmed zu finden, den gutbestückten Folterknecht, der sie über Monate in einer Höhle festhielt. Denn ihr ist klargeworden, dass sie ohne ihn keinen Halt mehr findet im Leben. Weder in ihrer Arbeit im Crazy Horse, noch in den vielen Schwänzen, an denen sie sich jede Nacht festkrallt wie die CDU an Friedrich Merz."

"Ich spiele die Schwänze", ergänzte Gabriel.

"Ich dachte, das ist ein Einpersonenstück", sagte ich.

"Ist es auch" bestätigte Niki. "Mit lebenden Requisiten."

"Geziemt sich das denn für einen Professor?", fragte ich Gabriel.

"Mein Gesicht sieht ja keiner."

"Das Kostüm ist der Wahnsinn", sagte Niki. Dann fiel ihr Blick auf den schönen jungen Mann mit dem Babyspeck, der gerade zum Eingang reinkam und sich suchend umblickte.

"Adieu to my ennui", flüsterte sie und glitt anmutig von ihrem Barhocker.

"Wer ist denn das?", fragte ich.

"Das ist Jérôme", erklärte Emilie. "Nikis Freund."

"Er hat die Schenkel von Beyoncé und den Schwanz von Jay-Z", wollte Niki noch gesagt haben, bevor sie davonging, Jérôme mit einem Zungenkuss begrüßte und mit ihm das Theater verließ.

"Bei Tinder heißt er TheBootyAndTheBeast", ergänzte Emilie. "Und er ist die ganze Nacht aus Köln durchgefahren, um heute hier bei Niki zu sein. Echt romantisch, oder?"

"Und wer schließt jetzt den Laden ab?", fragte ich.

"Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd, Honey. Wenn die zwei zurückkommen, sind die Party Peoples noch da."

"Meinst du, der auch?", fragte ich und nickte in Richtung des Jungen, der inzwischen ein ganzes Stück näher an Martin gerückt war.

"Eifersüchtig?", fragte Em süffisant.

"Lass das."

"Was denn?"

"Wir brechen dann mal auf", sagte Gabriel, nachdem er kurz im Theatersaal verschwunden war und dort Shaun eingefangen hatte. Der hatte sich den Pulli ausgezogen, damit alle seinen sehr binär behaarten Oberkörper sehen konnten, aber zum Ausgleich hatte ihm jemand grobmotorisch Glitzerschminke übers Gesicht geschmiert. Jetzt hing er wie ein übermüdeter Welpe an Gabriel dran und schmiegte sich glücklich an dessen Schulter. "In fünf Stunden kommt schon Petra für den nächsten Befruchtungsversuch", erklärte Gabriel nach einem Blick auf die Uhr.

"Wenn du das sagst, klingt es so romantisch", grinste ich.

"Also, nach dieser Nacht würde ich lieber erst mal die Leitung durchspülen", gackerte Emilie. "Sonst kriegst du nachher ein Einhorn statt einem Kind."

Als die beiden gegangen waren, sagte ich zu ihr "Du kannst auch bei uns schlafen, wenn Niki nicht mehr zurückkommt."

"Danke", erwiderte die. Dann nickte sie Richtung Martin, der gerade diesem Jungen ins Ohr flüsterte. "Aber ich glaube, ihr habt schon einen Übernachtungsgast."

"Niemals", sagte ich.

Sie zuckte mit den Schultern. "Ich gehe mal noch eine Runde tanzen. Dann könnt ihr die Bedingungen aushandeln."

Sie verschwand im Saal. Und eine halbe Minute später stand Martin vor meinem Barhocker. Er legte die Hände auf meine Schultern und gab mir einen langen Kuss.

"Hi", grinste er dann besoffen.

"Hi", sagte ich, doch ich grinste kein bisschen.

"Das da drüben ist Arnas."

"Aha." Ich schielte verstohlen zu ihm rüber, während er sehr viel weniger diskret zurückstarrte. Er war höchstens zwanzig, sehr schlank, blond und hatte eines dieser kantigen Modelgesichter, die ich persönlich aber überhaupt nicht attraktiv fand. Trotzdem hatte er irgendwas an sich, das mich gleichzeitig anzog und schon aus fünf Metern Entfernung nervte.

"Und was läuft so mit Arnas?", fragte ich.

"Er sucht noch eine Übernachtungsgelegenheit", flüsterte Martin und drückte dabei seinen Schritt an mein Knie.

"Weil er seine Wohnung gekündigt hat, um sich den Acne-Pulli leisten zu können?"

"Den was?" Jetzt guckte er irritiert und ich freute mich, ihn zumindest kurz aus seiner angegeilten Weinseligkeit herausgeholt zu haben.

"Okay, Martin, was wird das?", fragte ich.

"Du erinnerst dich daran, was wir besprochen haben, oder?"

"Ja." Leider.

"Er gefällt mir, Felix."

Klar tut er das, dachte ich. Weil er aussieht wie ich vor zehn Jahren.

"Nur, wenn du möchtest", sagte Martin.

Ich möchte nicht!, dachte ich mit jeder Faser meines müden Körpers. Die Vorstellung, diesen Jungen, der uns die ganze Zeit über verschlagen beobachtete, mit in mein Bett zu nehmen und dann mit meinem Freund und ihm … Plötzlich hatte ich am ganzen Körper Gänsehaut. Aber nicht die gute Art. Doch dann lugte ich zu Elias rüber, der immer noch engumschlungen mit Lisa tanzte. Was hatte ich schon für ein Recht, mich jetzt zu verweigern? Eben.

"Und wie soll das ablaufen?", fragte ich.

"Brauchen wir denn einen Plan?"

"Nein, aber es wäre mir lieber."

Er lächelte verliebt. Nur in wen? "Wir gehen nach Hause, trinken vielleicht noch was und gucken, was passiert. Okay?"

Ich seufzte. "Okay."

"Wirklich?", fragte Martin.

"Ja."

"Wie gesagt, nur wenn – "

"Ich sagte: okay!"

Er drückte mir einen Kuss auf die Nase. Dann drehte er sich zu seinem Fundstück und winkte es zu uns. Der ließ sich nicht zweimal bitten, schlenderte lässig zu uns rüber und schob sich gekonnt zwischen Martin und mich. Er gab mir einen salzigen Kuss und flüsterte dann "I am Arnas", während er mir gleichzeitig sanft über den Schritt fuhr.

Arnas, du bist gefährlich, dachte ich …

Infos zum Buch

Julian Mars: Was wir schon immer sein wollten. Roman. 324 Seiten. Albino Verlag. Berlin 2022. Taschenbuch: 18 € (ISBN 978-3-86300-332-6). E-Book: 12,99 €
-w-

#1 AndyAnonym
  • 06.04.2022, 06:40h
  • Teil 1 und Teil 2 waren spitze. Meiner Meinung nach zwei der besten LGBTQ-Bücher der letzten Jahre, weitaus besser geschrieben als 90%, was es ansonsten auf dem Markt gibt und auch weitaus authentischer, was teilweise nicht verwunderlich ist, wenn man den neusten Trend sieht, dass irgendwelche Frauen in letzter Zeit versuchen, auf den Zug aufzuspringen und ihre Liebesromane, die sie im Hetero-Segment nicht platzieren konnten nun einfach als Gay-Romane herausbringen. Unfassbar dieser Trend, man stelle sich vor, weiße Heteromänner aus Wanne-Eickel würden über die Erfahrungen von schwarzen in den USA schreiben. Aber ich schweife ab :-)
  • Direktlink »
#2 elimAnonym

Kommentieren nicht mehr möglich
nach oben
Debatte bei Facebook

Newsletter
  • Unsere Newsletter halten Dich täglich oder wöchentlich über die Nachrichten aus der queeren Welt auf dem Laufenden.
    Email: