Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) hat am Mittwoch scharfe Kritik an der deutschen Abschiebepraxis geübt. Hintergrund sei, dass kürzlich ein schwuler Mann in einen Verfolgerstaat abgeschoben worden sei, in dem auf Homosexualität die Todesstrafe stehe. Der Verband hatte bereits im Februar auf den Fall aufmerksam gemacht, als der Mann noch in Deutschland war (queer.de berichtete).
Trotz seiner sexuellen Orientierung wurde der Geflüchtete jetzt abgeschoben – mit dem Hinweis, er könne ja seine Homosexualität im Heimatland geheim halten. Dafür wurde er auch von seinem Lebenspartner getrennt, dem paradoxerweise der Aufenthalt in Deutschland gestattet worden sei – zumindest vorläufig. Um das Abschiebeopfer zu schützen, gab der LSVD den Namen des Geflüchteten nur mit A. an – auch das Heimatland oder sein Aufenthaltsort in Deutschland wurden nicht genannt.
LSVD fordert Bundesregierung auf, Mann in Sicherheit zu bringen
"Es ist skandalös, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie das Innenministerium an der europarechtswidrigen Abschiebung von A. festhielten. Sollte der Mann nun schwulenfeindliche Verfolgung in seinem Herkunftsland erfahren, tragen BAMF und Bundesinnenministerium hieran eine Mitschuld", erklärte LSVD-Vorstandsmitglied Patrick Dörr. Sein Verband fordere daher die Bundesregierung auf, "Maßnahmen zu ergreifen, um den Mann in Sicherheit zu bringen und das Paar wieder zusammenzuführen". Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) müsse das Festhalten am "Diskretionsgebot" im BAMF endlich stoppen. "Indem die Bundesregierung an der Abschiebung queerer Geflüchteter in schlimmste LSBTI-Verfolgerstaaten festhält, tritt sie den erklärten queerpolitischen Aufbruch mit Füßen."
Im Fall von A. hatte nach Angaben des LSVD das zuständige Verwaltungsgericht wiederholt argumentiert, dass A. zwar schwul sei, er aber das öffentliche Ausleben seiner Homosexualität nicht hinreichend wichtig fände – angeblich anders als sein Partner. Ihm wäre somit das Geheimhalten seiner sexuellen Orientierung bei einer Rückkehr ins Herkunftsland zuzumuten, seinem Partner hingegen nicht. Das Gericht hatte sich hier auf Aussagen gestützt, die von den beiden getroffen worden seien, als das schwule Paar in einer Flüchtlingssammelunterkunft untergebracht war. Dort hätten sie aber laut LSVD "aus gutem Grund Angst vor einem Coming-out" gehabt, da sie Übergriffe von queerfeindlichen Geflüchteten gefürchtet hätten.
"Diskretionsgebot" verstößt gegen Europarecht
Der LSVD weist auch darauf hin, dass Deutschland mit dieser Abschiebung gegen Europarecht verstoße. Der Verband verweist auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg aus dem Jahr 2013. Demnach ist es vollkommen irrelevant für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ob jemand in seinem Herkunftsland ungeoutet leben möchte oder nicht. Wichtig sei nur, dass Schwulen wegen ihrer sexuellen Orientierung Gefängnis oder Schlimmeres drohe.
69 Länder der Welt lassen Homosexuelle laut der queeren Organisation ILGA noch heute strafrechtlich verfolgen, in 11 Ländern droht sexuellen Minderheiten sogar die Todesstrafe. (cw)