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Buchtipp
Dreißig, aber noch lange nicht erwachsen
Julian Mars hat mit "Was wir schon immer sein wollten" seine Roman-Trilogie über den schwulen Felix und seine Freund*innen vollendet. Sie gehört zum Besten, was deutsche queere Literatur seit Langem hervorgebracht hat.

Symbolbild: Felix ist angekommen – in Berlin, in der Beziehung mit Martin. Wird ja auch Zeit mit 30. Doch natürlich läuft nichts in seinem Leben nach Plan… (Bild: whynottogoforit / unsplash)
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10. April 2022, 04:37h - 3 Min.
Eigentlich läuft alles wie immer. Nur dass das bei Felix heißt, dass nichts so funktioniert, wie er sich das eigentlich vorgestellt hat. Er ist 30, und diese in der schwulen Community magisch aufgeladene Schwelle lässt auch ihn nicht kalt. Obwohl er nie ein konventionelles Leben führte, hat er plötzlich das Gefühl, ankommen zu müssen. Doch wer kein richtiges Ziel hat, der wird auch den Weg dorthin kaum finden.
Einiges hat Felix ja schon vorzuweisen auf der Erwachsenen-Checkliste: Mit Martin eine für seine Verhältnisse stabile Beziehung, mit Berlin eine Stadt, in der er sich wohlfühlt. Und sogar ein Job kommt plötzlich in Sicht, als er einen leerstehenden Laden in seiner Nachbarschaft entdeckt. Seine Idee: ein Geschäft für Produkte aus queerer Hand.
Wenn Felix nicht übers Leben grübelt, hat er Sex mit irgendwem

"Was wir schon immer sein wollten" ist Ende März 2022 im Albino Verlag erschienen
Doch natürlich bleiben genug Konflikte übrig für den dritten und letzten Teil von Julian Mars' Felix-Trilogie. Der Streit mit Emilie schwelt nach wie vor, und Elias übt immer noch eine Anziehung auf Felix aus, der er kaum entkommen kann. Ganz so stabil scheint die Beziehung mit Martin dann doch nicht zu sein…
"Was wir schon immer sein wollten" (Amazon-Affiliate-Link ) baut damit auf dem Erfolgsrezept der beiden Vorgängerromane auf: Eine ganze Fülle an Figuren, die in ihren Eigenheiten verrückt und unterschiedlich genug sind, um interessant, aber gleichzeitig authentisch genug, um sympathisch zu sein. Felix hat sich zwar weiterentwickelt, doch ist er immer noch dabei, die wichtigen Fragen des Lebens zu ergründen. Oder mit irgendwem Sex zu haben, während er gerade nicht grübelt – wenn auch weniger als früher.
Wer die ersten beiden Romane gelesen hat, wird vom dritten nicht enttäuscht – außer von der Tatsache, dass er der letzte ist: Endlich geht die Geschichte all dieser skurrilen, aber herzensguten Personen weiter. Über die Jahre – der Erstling "Jetzt sind wir jung" erschien 2015 – sind sie einem ans Herz gewachsen. Wie eine richtig gute Soap, ein in sich geschlossener Kosmos, in dem immer etwas los ist. Nur dass der Kosmos und die echte Welt sich überlappen. So durchkreuzt die Corona-Pandemie Felix' Laden-Pläne, und auch die erzwungene Einsamkeit macht ihm zu schaffen. Dass Julian Mars die Pandemie nicht ausspart, macht seinen Roman noch nahbarer und unmittelbarer.
Wichtige Themen in unverkrampftem Stil
Die große Stärke ist aber natürlich der Witz, mit dem Julian Mars all das aufschreibt. Keine seiner Figuren nimmt sich zu ernst, eine liebe, aber treffsichere Ironie bildet das konstante Grundrauschen seines Romans. Sein Ton ist in den richtigen Momenten aufrichtig, nur um kurz danach völlig umzuschlagen. In einer Zeit, die immer verbissener zu werden scheint, in der tiefe Gräben gezogen werden, wo es eigentlich keine braucht, ist es eine wohltuende Tat, relevante Themen rund um Homophobie, Identität und Zusammenleben so unverkrampft und lustig verhandelt zu lesen.
Sein Spannungsbogen – Emilie warnt Felix vor dem größten Fehler seines Lebens – ist vielleicht durchschaubar, aber er funktioniert. Wie überhaupt der ganze Roman vor Einfällen sprüht, die einen das Buch nicht weglegen lassen wollen.
"Was wir schon immer sein wollten" bildet einen großartigen Abschluss einer Trilogie, die wohl zu dem besten gehört, was deutschsprachige queere Literatur seit langer Zeit hervorgebracht hat. Julian Mars verfügt über einen eigenen, unverkennbaren Stil, seine Themen sind unverbraucht wie universell. Hat sich schon jemand die Filmrechte an der Reihe gesichert?
Julian Mars: Was wir schon immer sein wollten. Roman. 324 Seiten. Albino Verlag. Berlin 2022. Taschenbuch: 18 € (ISBN 978-3-86300-332-6). E-Book: 12,99 €
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Mehr zum Thema:
» Julian Mars vollendet Felix-Trilogie – die Leseprobe (06.04.2022)
» Besprechung von Teil eins: Von der Darkroom-Sehnsucht eingeholt (20.12.2015)
» Besprechung von Teil zwei: Noch immer jung, schwul und auf der Suche nach sich selbst (16.12.2018)
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