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"Dialog" mit TERFs?
Streit um Trans-Rechte in der SPDqueer
Nach Ansicht der SPDqueer Neukölln müssen auch Gegner*innen der Selbstbestimmung von trans Menschen bei der innerparteilichen Debatte um eine Gesetzesreform einbezogen werden. Dem widerspricht der Bundesverband der queeren Sozialdemokrat*innen.

Innerhalb der SPDqueer gibt es offenbar beim Thema Trans-Rechte noch Redebedarf
- 11. April 2022, 12:00h 3 Min.
In der SPDqueer ist es am Wochenende zu einem öffentlich ausgetragenen Streit um Trans-Rechte gekommen. Der SPDqueer-Bundesverband hat den Verband in Berlin-Neukölln wegen eines geplanten Treffens mit Aktivist*innen, die Selbstbestimmung für trans Menschen ablehnen, scharf kritisiert. Die Neuköllner SPDqueer beharrt aber darauf, dass Transsexuellenrechte nicht nur aus Sicht von trans Menschen betrachtet werden dürften.
Hintergrund ist ein Austausch zwischen SPDqueer Neukölln und "Emma"-Aktivistin Chantal Louis sowie Autor Till Randolf Amelung. Der Verband hatte sich laut in sozialen Medien veröffentlichten Screenshots mit ihnen über anstehende Reformen im Transsexuellenrecht "abstimmen" wollen. Louis ist die Co-Herausgeberin von Alice Schwarzers viel kritisierten Buch "Transsexualität: Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? – Eine Streitschrift". Louis behauptet unter anderem, dass junge Lesben angeblich zur Transsexualität getrieben würden (queer.de berichtete). Amelung ist selbst trans, steht aber unter anderem wegen eines Buches in Kritik, in dem er Verständnis für die Argumentation von transfeindlichen Feminist*innen (sogenannten TERFs) zeigt (queer.de berichtete).
Der SPD-Bundesverband erklärte am Samstag, nachdem das geplante Treffen publik wurde: "Aus aktuellem Anlass: Der Bundesvorstand der #SPDqueer distanziert sich deutlich von allen Veranstaltungen einer SPDqueer-Untergliederung, bei denen TERFs eine Plattform geboten wird!" Weiter heißt es, dass die SPD und SPDqueer eine "klare Beschlusslage" zur Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes für trans Menschen hätten. "Wir stehen klar an der Seite unserer trans*Geschwister und unterstützen ihren Kampf um geschlechtliche Selbstbestimmung!", so der SPDqueer-Bundesverband.
Twitter / SPDqueer(2) @SPDqueer und @spdde haben eine klare Beschlusslage, die die Einführung eines #Selbstbestimmungsgesetz|es vorsieht. Wir stehen klar an der Seite unserer trans*Geschwister und unterstützen ihren Kampf um geschlechtliche Selbstbestimmung!
SPDqueer (@SPDqueer) April 9, 2022
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Unterstützung erhielt der SPDqueer-Bundesverband vom direkt gewählten Neuköllner Bundestagsabgeordneten Hakan Demir. Der Berichterstatter für das Selbstbestimmungsrecht im Innenausschuss wies auf Twitter ebenfalls auf die Beschlusslage für ein Selbstbestimmungsgesetz hin.
Twitter / HakanDemirNKAus Gründen: Wir haben uns in unserem Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass wir das #Transsexuellengesetz durch ein #Selbstbestimmungsgesetz ersetzen. Es ist auch Beschlusslage der @spdde und damit von über 400 000 Mitgliedern im ganzen Land.
Hakan Demir (@HakanDemirNK) April 10, 2022
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Die SPDqueer Neukölln beharrt auf ihrer Position. Man spreche sich zwar für ein "modernes Selbstbestimmungsgesetz" aus. Es sei aber sinnvoll, "das Thema [Transsexuellengesetz] nicht nur aus der Sicht von Trans*Menschen zu beleuchten, sondern z. B. auch aus feministischer und gesamtgesellschaftlicher Perspektive näher zu betrachten", heißt es in einem Facebook-Eintrag vom Sonntag. Die derzeitige öffentliche Debatte werde als Versuch wahrgenommen, einen "breiten Diskurs" unterbinden zu wollen. Der Neuköllner SPDqueer-Chef Ramin Rachel solle in "Misskredit" gebracht werden, mutmaßte der Bezirksverband.
Rachel würde es nach Ansicht der queeren Neuköllner Genoss*innen dabei u.a. wie Wolfgang Thierse gehen; Hintergrund ist, dass der frühere SPD-Bundestagspräsident letztes Jahr eine aggressive Debatte über "Identitätspolitik" startete, die in der queeren Community scharf kritisiert wurde (siehe queer.de-Standpunkt). Thierse behauptete später, er sei ein Symbol für "normale" Menschen und Opfer von antiweißem Rassismus.
Berlin, den 10.04.2022 Stellungnahme der AG SPDqueer Neukölln ?SPDqueer Neukölln wirbt für die Rechte von...
Posted by SPDqueer Neukölln on Sunday, April 10, 2022
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In Kommentaren wurde diese Haltung aus Neukölln auch kritisiert. Auf Facebook erklärte etwa eine Nutzerin: "Was soll denn bitte ein breiter Diskurs zum [Transsexuellengesetz] sein – sowas wie 'Menschenrechte pro und contra'?"
Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung sieht vor, das 1981 eingeführte in großen Teilen vom Bundesverfassungsgericht für grundgesetzwidrig erklärte Transsexuellengesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Eckpunkte dafür sollen bereits vor der Sommerpause vorgestellt und das Gesetz bis Jahresende beschlossen werden (queer.de berichtete). (dk)

Schade, dass ich polemisch werden muss, nur: Anders geht es mittlerweile nicht mehr. Hier wird Dialog über etwas eingefordert, worüber es keinen Dialog zu führen gibt. Oder stellen wir als nächstes auch in Abrede, dass Regen nass ist und Mensch Luft zum Atmen braucht (das Beispiel mit der Erde, die eine Kugel ist, spare ich mir - da werden ja bereits "Dialoge" geführt).