Blau, nichts als Blau. Ich musste blinzeln, um die schwebenden Möwen über mir im wolkenlosen Himmel beobachten zu können. Schweißperlen liefen mir über die Brust, als uns zwei kühle Getränke an die Sonnenliegen gebrachte wurden. Irgendwo zwischen Lanzarote und Gran Canaria bräunte ich mir gerade meinen – im Vergleich zu Karls Teint – weißen Körper in der spanischen Sonne.
"Ich muss gestehen, dass ich so eine entspannte Zeit wirklich nötig gehabt habe. Einfach nur faul in der Sonne liegen. Herrlich." Karl nahm einen genüsslichen Schluck aus seinem mit einem Stückchen Ananas verzierten Cocktail. "Der gestrige Tag mit unserer Spritztour einmal quer über die vulkanische Insel Lanzarote war anstrengender, als ich angenommen hatte." Er lugte unter seinem Strohhut hervor, den er der Sonne wegen etwas tiefer ins Gesicht gezogen hatte.
"Die Landschaft war faszinierend, nein, spektakulär. So etwas Schönes, Minimalistisches habe ich noch nie gesehen. Und obwohl die Kanarischen Inseln auch vulkanischen Ursprungs sind, sieht die Natur hier im Vergleich zu Japan oder Island ganz anders aus. Karg und trocken, mit ein paar besonders leuchtenden Höhepunkten zwischendurch." Langsam sank ich zurück auf meinen Sonnenstuhl.
"Die Lavagrotte Jameos del Agua war mein Favorit. Und was war deiner?"
Keine Antwort. Karls Augen waren geschlossen, er war eingenickt. Ich atmete tief durch und begann dem Meer und der Lounge-Musik zu lauschen, die vom Pool zu uns herüberwehte.
Die Zeit auf See war tatsächlich eine willkommene Verschnaufpause. Nach vier abenteuerlichen Tagen auf verschiedenen Inseln erlebten wir gerade einen typischen Urlaubsmoment auf einem Kreuzfahrtschiff, mit Nichtstun als Hauptaufgabe. Es war unsere zweite Kreuzfahrt (nach einer ersten im westlichen Mittelmeer im Jahr zuvor, also 2016), allerdings keine gewöhnliche, also mit Familien und Kindern an Bord oder einem allgemeinen Animationsprogramm, sondern eine Kreuzfahrt für Schwule. Eine Woche lang waren wir zusammen mit über 2.000 Männern aus über achtzig Ländern auf dieser gemächlich über den Atlantik schippernden Insel unterwegs. In regelmäßigen Abständen ging das Schiff unter maltesischer Flagge im Hafen eines anderen Eilands vor Anker, und wir konnten, je nach Laune und Energielevel, zwischen Landausflügen oder dem Sonnendeck wählen. Überdies gab es täglich zwei Themenpartys mit wechselndem Dresscode, einen Darkroom, in dem sich die Reisenden im Dunkeln beschnuppern konnten, sowie verschiedene Theater- und Kabarettvorstellungen. Ein Team aus angesagten DJs der europäischen Clubszene sorgte für die musikalische Untermalung. Wir hatten also viel zu tun – oder auch nichts.
Das niederländisch-deutsche Reiseblogger-Paar Karl Krause und Daan Colijn hat zusammen über 50 Länder auf fünf Kontinenten erkundet (Bild: Couple of Men)
Wenn ich heute so darüber nachdenke, hatten wir vor der ersten Schiffsreise, auch nur mit Männern, keine wirkliche Vorstellung von einer Schwulenkreuzfahrt. Perfekte Muskeltypen mit winzigen Speedos in scheinbar niemals endender Partylaune? Ältere Paare, die ganz auf Genuss, Entspannung und ihren persönlichen Urlaub fokussiert waren? Laute Männergruppen, die sich einem Saufgelage hingaben? Oder doch Männer wie wir, mit dem ein oder anderen Schönheitsmakel, die eine gute Mischung bevorzugten? Wie auch immer, wir bereiteten uns damals auf eine außergewöhnliche Reise vor, auf der wir hofften, neue Freunde kennenzulernen und vielleicht auch eine gänzlich unbekannte Seite an uns zu entdecken.
Auch in diesem Jahr war die Atmosphäre an Bord entspannt, mit einem bunten Mix aus Männern verschiedener Gruppierungen innerhalb der schwulen Community, von haarig-muskulös über bärig-gemütlich bis jung und queer, natürlich auch mit sportlichem Waschbrettbauch. Man(n) grüßte sich im Aufzug, war neugierig über das Herkunftsland des Gegenübers und flirtete an der Bar oder am Buffet. Und auch wenn sich das Wochenprogramm wie eine große Party angehört hatte und wir mit zahlreichen Kostümen, Outfits und sogar ein paar knallroten Gummi-Pumps angereist waren, lautete unser Reisemotto wieder: "Alles kann, nichts muss."
Infos zum Buch
Karl Krause, Daan Colijn: Couple of Men. Ein Männerpaar reist um die Welt. Reisetagebuch. 256 Seiten. Polyglott. München 2022. Taschenbuch: 16,99 € (ISBN 978-3-8464-0879-7). E-Book: 13,99 €
Für mich wäre ein solches Gay-Only-Schiff die absolute Hölle und purer Stress. Ich setze eher auf "Diversity", fahre also lieber in gemischten Gruppen mit Heteros ...
Aber wie gesagt ...