Vor dem Landgericht Bremen wird am Freitag das Berufungsverfahren gegen den queerfeindlichen evangelikalen Pastor Olaf Latzel mit der Befragung von zwei "Sachverständigen" fortgesetzt. Nach Informationen von epd hat die Kammer dazu die liberale Professorin für Praktische Theologie Isolde Karle aus Bochum sowie den konservativen Wiener Bibelwissenschaftler Ludger Schwienhorst-Schönberger bestellt. "Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung haben keine Einwände erhoben", erklärte ein Gerichtssprecher.
Latzel war im November 2020 vom Amtsgericht der Hansestadt wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 8.100 Euro verurteilt worden (queer.de berichtete). Dagegen legte er Rechtsmittel ein. Das Urteil im Berufungsverfahren darf nicht härter ausfallen als in der ersten Instanz.
"Diese Verbrecher vom Christopher Street Day"
Anlass für den Prozess gegen den Bremer Pastor der St.-Martini-Gemeinde sind Äußerungen des 54-Jährigen in einem "Eheseminar" im Oktober 2019, das auf Youtube veröffentlicht wurde. Darin hatte er Homosexualität als "Degenerationsform von Gesellschaft" und als "todeswürdig" bezeichnet, die LGBTI-Community als "Gender-Dreck" herabgewürdigt und erklärt: "Überall laufen diese Verbrecher rum, von diesem Christopher Street Day" (queer.de berichtete). Ein Disziplinarverfahren der Bremischen Evangelischen Kirche gegen Latzel ist bis zu einem rechtskräftigen Urteil ausgesetzt.
Die Berufungsverhandlung findet erst mehr als anderthalb Jahre nach der Verurteilung durch das Bremer Amtsgericht statt. Grund war unter anderem die gescheiterte Bestellung eines ausgesprochen homofeindlichen Gutachters: Ursprünglich hatte das Landgericht den Theologie-Professor Christoph Raedel als "Sachverständigen" bestellt, obwohl dieser für "Homo-Heilung" wirbt. Raedel sollte Aufschluss darüber geben, ob die Äußerungen von Latzel von der Bibel gedeckt seien. Nach öffentlicher Kritik und einem Befangenheitsantrag zog er sich zurück (queer.de berichtete).
Gericht prüft "theologische Berechtigung" von Latzels Aussagen
Zur Begründung, warum das Landgericht nun zwei neue "Sachverständige" bestellt hat, sagte der Gerichtssprecher, es solle der Eindruck vermieden werden, die Kammer würde sich einseitig von einer Person beraten lassen. Im Verfahren gehe es nicht darum, die einzig "richtige" theologische Auslegung herauszufinden. "Es geht tatsächlich nur darum, herauszuarbeiten, ob die Aussagen des Angeklagten in ihrem Kontext überhaupt eine theologische Berechtigung haben oder ob der Angeklagte hier nur seine persönliche Meinung unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit getätigt hat."
Laut epd unterstützt die evangelische Theologieprofessorin Isolde Karle die kirchliche Trauung lesbischer und schwuler Paare. Dagegen behaupte der katholische Alttestamentler Ludger Schwienhorst-Schönberger, dass die Bibel nur zwei Geschlechter kenne.
Latzel: "Mein Glaube ist an die Bibel gebunden"
Am ersten Verhandlungstag am Montag sah Latzels Verteidiger die Äußerungen seines Mandanten durch die Religionsfreiheit gedeckt, da dessen Positionen die der Bibel wiedergäben. Bestimmte biblische Positionen könnten nicht unter Strafe gestellt werden, argumentierte er. Auch Latzel selbst bestritt, dass er homosexuelle Menschen abwerten wolle. Die Bibel stufe Homosexualität klar als Sünde ein, unterscheide aber zwischen der Sünde und dem Sünder. Die Heilige Schrift sei für ihn das "unfehlbare Wort Gottes". Auch wenn man ihm eine harte Sprache nachsagen könne, sei er zutiefst gegen die Ausgrenzung von Menschen (queer.de berichtete).
Für den Berufungsprozess unter Vorsitz von Richter Hendrik Göhner sind insgesamt vier Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil soll am 20. Mai verkündet werden. Der Gemeindevorsteher von Latzels St.-Martini-Gemeinde hatte im Vorfeld des Prozesses die Gläubigen dazu aufgerufen, für einen Freispruch zu beten (queer.de berichtete). (cw)
Man könnte dann höchstens ein Verbot der Bibel als volksverhetzende Schrift daraus konstruieren. Es geht doch im Kern darum, ob eine Person, die als Leitfigur agiert, öffentlich andere Menschen das Recht zu Leben absprechen darf, sie also als todeswürdig bezeichnen darf.