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Neuer Bericht
Rainbow Europe: Deutschland macht einen Platz gut
Bei der rechtlichen Situation queerer Menschen gibt es in Europa widersprüchliche Entwicklungen. In Deutschland zeigt die Tendenz aber nach oben. Es hängt nun an der Ampelregierung, ob es weiter bergauf geht.

In der Landkarte ist deutlich ein Nord-Süd- und Ost-West-Gefälle zu sehen (Bild: ILGA Europe)
12. Mai 2022, 11:03h 4 Min. Von
Deutschland wird queerfreundlicher: In der von ILGA Europe jährlich erstellten Rainbow-Europe-Rangliste ist die Bundesrepublik an Irland vorbeigezogen und liegt nun auf dem 15. Platz unter 49 Ländern. Insgesamt erreichte Deutschland 53,34 von 100 Punkten. Damit ist auch Großbritannien in Reichweite, das um vier Plätze auf den 14. Platz abgerutscht ist und nur 0,05 Punkte mehr erhalten hat.
Als Grund für den Aufstieg nannte ILGA Europe, dass Deutschland vergangenes Jahr ein Gesetz zum Schutz intersexueller Kinder durchgesetzt hat (queer.de berichtete). Sollten die im Ampel-Koalitionsvertrag enthaltenen queerpolitischen Versprechen tatsächlich durchgesetzt werden, könnte Deutschland bald die Top Ten anpeilen.
Der "Rainbow Europe"-Bericht wurde am Donnerstag bereits zum 13. Mal von ILGA Europa vogestellt. Dabei handelt es sich um eine detaillierte Analyse der rechtlichen Lage von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten in den europäischen Nationalstaaten. Generell gilt seit Beginn der Berechnungen, dass Länder im Norden und Westen besser abschneiden als im Süden oder Osten.
100 Punkte würden der vollen Gleichbehandlung von queeren Menschen entsprechen. Dieses Ideal am nächsten kommt erneut Malta, das 92 Punkte erreichte. Danach folgen Dänemark, Belgien, Luxemburg und Schweden.
Aserbaidschan ist Schlusslicht
Auf dem letzten Platz steht erneut Aserbaidschan mit katastrophalen zwei Punkten. Ganz unten tummeln sich außerdem die Türkei, Armenien, Russland und Belarus. Die Auswertung bezieht sich auf den Stand zum Ende letzten Jahres.
Einige Länder konnten größere Sprünge machen: Dänemark verbesserte sich etwa um ganze neun Plätze auf den zweiten Rang. Als Grund für den Aufstieg nannte ILGA Europe Verbesserungen in den Gesetzen gegen Hassverbrechen und Diskriminierung. Frankreich verbesserte sich von Rang 13 auf sieben. Grund war insbesondere das Verbot von "Konversionstherapien" (queer.de berichtete). ILGA lobte außerdem ausdrücklich gesetzliche Verbesserungen in Island, Griechenland, Serbien, der Slowakei und Lettland.
Twitter / IcelandCoE | Die isländische Vertretung beim Europarat zeigte sich stolz über die Verbesserungen ihres Landes#Iceland is proud to have climbed up five places on the @ILGAEurope #RainbowEurope map which benchmarks 49 European countries on their legal and policy situation for #LGBTI people which was just presented at #IDAHOTForum2022 pic.twitter.com/0exV7dmnRB
Iceland at CoE (@IcelandCoE) May 12, 2022
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Für manche Länder ging es steil nach unten: Großbritannien verlor etwa neun Punkte. Grund sei, dass das Gleichbehandlungsbüro der populistischen Johnson-Regierung queere Menschen nicht ausreichend schütze, obgleich dies sein Mandat sei. ILGA Europe verwies dazu auf weit verbreitete Transphobie in Medien und Regierung (queer.de berichtete). Portugal verschlechterte sich um fünf Punkte, weil ein Aktionsplan zum Schutz queerer Menschen ausgelaufen sei. Ungarn verlor wegen seines "Homo-Propaganda"-Gesetzes drei Plätze. Schlechtestes EU-Land bleibt aber Polen, das sich auf Rang 44 nur knapp vor Belarus halten konnte.
Das Kriegsland Ukraine hat sich in der Liste um einen Platz auf Rang 39 verbessert. ILGA Europe merkte an, dass es vor der russischen Invasion Hoffnung auf Verbesserungen der Situation queerer Menschen gab. So sei das Blutspendeverbot für schwule und bisexuelle Männer abgeschafft worden und in der Politik habe es offene Diskussionen über Reformen gegeben.
All diese Ergebnisse zeigten, wie fragil die Situation queerer Menschenrechte in Europa sei, erklärte ILGA-Europe-Kampagnenchefin Katrin Hugendubel. Zwar gebe es einige positive Entwicklungen, allerdings gebe es insbesondere im Osten der Europäischen Union Verschlechterungen. "Die Lage im Vereinigten Königreich ist außerdem eine traurige Erinnerung daran, dass Hass um sich greift, wenn eine Regierung ihren Verpflichtungen zum Schutz von Minderheitenrechten nicht nachkommt", so Hugendubel. Sie warnte davor, dass Missachtung der Rechte queerer Menschen ein Symptom einer erkrankten Demokratie sei. "Die jüngere Geschichte hat uns gelehrt, dass als erster Schritt, um eine Demokratie zu schwächen, oft queere Menschen zu Sündenböcken gemacht werden." Dies betreffe aber nicht nur LGBTI, sondern die Freiheiten aller Menschen seien in Gefahr.
Twitter / khugendubelA new dynamic in the #RainbowEurope 2022, but progress remains extremely fragile. A downward spiral of hostile political discourse, legislative stagnation and, in some countries, even withdrawal of LGBTI rights and freedoms is worrying," is my comment @ILGAEurope https://t.co/kab2x52knU
Katrin Hugendubel (@khugendubel) May 12, 2022
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1. (1.) Malta (92 / -2)
2. (9.) Dänemark (74 / +10)
3. (2.) Belgien (72 / -2)
4. (5.) Norwegen (68 / +1)
5. (2.) Luxemburg (68 / -4)
6. (7.) Schweden (68 / +3)
7. (13.) Frankreich (64 / +7)
8. (11.) Montenegro (63 / unv.)
9. (14.) Island (63 / +9)
10. (4.) Portugal (62 / -6)
11. (8.) Spanien (62 / -3)
12. (6.) Finnland (62 / -5)
13. (12.) Niederlande (56 / -5)
14. (10.) Großbritannien (53 / -9)
15. (16.) Deutschland (53 / +1)
16. (15.) Irland (53 / unv.)
17. (18.) Griechenland (52 / +5)
18. (17.) Österreich (48 / -2)
19. (19.) Kroatien (45 / -1)
20. (20.) Slowenien (42 / unv.)
21. (22.) Schweiz (42 / +3)
22. (21.) Bosnien-Herzegowina (38 / -2)
23. (28.) Serbien (37 / +4)
24. (23.) Estland (36 / -2)
25. (24.) Kosovo (35 / unv.)
26. (30.) Slowakei (34 / +4)
27. (25.) Andorra (32 / -3)
28. (26.) Albanien (32 / -1)
29. (29.) Zypern (31 / unv.)
30. (27.) Ungarn (30 / -3)
31. (31.) Nordmazedonien (27 / unv.)
32. (33.) Tschechien (26 / unv.)
33. (35.) Italien (25 / +3)
34. (32.) Georgien (25 / -2)
35. (34.) Litauen (24 / +1)
36. (41.) Lettland (22 / +5)
37. (36.) Moldawien (21 / +1)
38. (39.) Liechtenstein (20 / +1)
39. (40.) Ukraine (18 / unv.)
40. (37.) Bulgarien (18 / -2)
41. (38.) Rumänien (18 / -1)
42. (42.) San Marino (14 / +1)
43. (45.) Monaco (13 / +2)
44. (43.) Polen (13 / unv.)
45. (44.) Belarus (12 / unv.)
46. (46.) Russland (8 / -2)
47. (47.) Armenien (8 / +1)
48. (48.) Türkei (4 / unv.)
49. (49.) Aserbaidschan (2 / unv.)

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