Die Bibel kann laut Alttestamentler Ludger Schwienhorst-Schönberger als Werk gegen queere Menschen gelesen werden (Bild: freepik.com)
Die Äußerungen des wegen Volksverhetzung in erster Instanz verurteilten evangelischen Pastors Olaf Latzel sind nach Darstellung eines Gutachters von der Sache her bibeltheologisch korrekt. Die Irritationen über die zugespitzte und scharfe Wortwahl des Geistlichen seien verständlich, die Schriften in der Bibel aber eindeutig. Sie stuften gelebte Homosexualität als Sünde ein, sagte der Universitätsprofessor und katholische Alttestamentler Ludger Schwienhorst-Schönberger am Freitag im Berufungsverfahren am Landgericht Bremen. Allerdings sei Homosexualität in der Bibel nur ein Randthema.
Der evangelische Geistliche Latzel war 2020 vom Amtsgericht Bremen wegen abwertender Äußerungen über queere Menschen in einem online veröffentlichten "Eheseminar" zu einer Geldstrafe in Höhe von 8.100 Euro verurteilt worden, dagegen hatte er Berufung eingelegt.
Latzel hatte mit Verweis auf die Heilige Schrift Homosexualität etwa als "Degenerationsform von Gesellschaft" und als "todeswürdig" und die "Homo-Lobby" als "teuflisch" bezeichnet. Die Anerkennung von Transsexualität zerstöre ferner "unsere gesamte Zivilisation und Kultur". Schuld an all diesen Entwicklungen sei die "zunehmende Gottlosigkeit". Zudem erklärte er: "Überall laufen diese Verbrecher rum, von diesem Christopher Street Day."
Gutachter sieht keine Anstachelung zum Hass
Latzel vertrete konservative Positionen, sagte Schwienhorst-Schönberger. Diese stellten aber keinen privaten abwegigen Sonderweg dar, sondern seien auch in theologischen Kreisen, bei Wissenschaftler*innen und der katholischen Kirche zu finden. Im Mainstream der liberalen, modernen und säkularen Gesellschaft seien solche Positionen aber nicht akzeptabel und plausibel. Er könne aber in den Äußerungen keinen Aufruf zum Handeln gegen Homosexuelle sehen und auch keine Anstachelung zum Hass, sagte der Theologe mit Blick auf die Eheseminar-Äußerungen Latzels im Oktober 2019.
Ob die Bibel tatsächlich Homosexualität und Homosexuelle verdammt, ist umstritten. Bibelwissenschaftler Volker Grunert argumentiert etwa, dass es in viel zitierten Bibelstellen wie Levitikus 18:22 ("Du sollst nicht beim Knaben liegen wie beim Weibe") keineswegs um gleichgeschlechtliche Liebe gehe, sondern vielmehr um Machtverhältnisse (queer.de berichtete). In dem Verfahren wird das Gericht noch die liberale Professorin für Praktische Theologie Isolde Karle aus Bochum hören.
Bis vor wenigen Wochen hatte die evangelische Landeskirche Württemberg auf ihrer Website behauptet: "Die Bibel lehnt Homosexualität ab". Inzwischen wurde der Eintrag aber gelöscht (queer.de berichtete). (dpa/dk)
Dazu hätte niemand einen Gutachter gebraucht, der mit offenen Augen durch die Welt geht.