Die sissy ist was ganz Besonderes: Ein (Online-)Magazin, das sich so leidenschaftlich wie kenntnisreich dem nicht-heteronormativen Film widmet. Die Nische in der Nische also, wo es doch schon der "klassische" Filmjournalismus wahnsinnig schwer hat. Die deutschsprachige Filmlandschaft kann sich glücklich schätzen, die sissy als Ort zu haben, wo Filme entweder so besprochen werden wie anderswo nicht – oder überhaupt Erwähnung finden.
Damit hat die sissy eins gemein mit ihrem Herausgeber, dem Filmverleih Salzgeber: Sie ist aus der Not heraus entstanden, um eine Lücke zu füllen, und versteht sich dabei durchaus aktivistisch. Das zeichnen Jan Künemund und Christian Weber im Vorwort von "Queer Cinema Now" (Amazon-Affiliate-Link ) eindrucksvoll nach.
Queeres Kino wird vielfältiger
"Queer Cinema Now" ist seit Ende März 2022 zum Preis von 50 Euro im Buchhandel erhältlich
Der im wahrsten Sinne des Wortes gewichtige Band tritt an, um die "wichtigsten queeren Filmen der Jahre 2009 bis 2020" zu versammeln. Kein leichtes Unterfangen, doch die 211 Besprechungen erfüllen diesen Anspruch. Format und Gewicht lassen sich durchaus auf den Inhalt übertragen: Da ist ein ganz schöner Brocken zusammengekommen in zwölf Jahren sissy. Dass ausgerechnet nach christlich aufgeladenen zwölf Jahren eine Zwischenbilanz gezogen wird, lässt verzeihen, den Band als queere Film-Bibel zu bezeichnen.
Die chronologisch geordneten Besprechungen lassen eine Entwicklung erkennen: Queeres Kino wird vielfältiger – in seinen Geschichten, Formen und Menschen, die Verantwortung tragen. Eine vielleicht zu einfache Feststellung, mit einer wichtigen Einschränkung: Es geht um Filme, die hierzulande erschienen sind – womit mehr als genug weiterhin unter dem Radar laufen.
Der Band gehört in jedes Regal
Denn genau das ist die große Stärke der sissy und damit auch von "Queer Cinema Now": Mit den vorgestellten Filmen lässt sich mehrmals um die ganze Welt reisen, wie es im Vorwort sehr charmant heißt. Kino aus Hongkong und Island, Argentinien oder Thailand – alles dabei, was anderswo untergeht.
Natürlich sind auch die großen Erfolge der vergangenen Jahre vertreten, "Moonlight" oder "Carol", moderne Klassiker wie "Herzensbrecher" und "Weekend", umstrittene Filme, "The Danish Girl" genau wie "Stonewall", aber natürlich ganz viele Perlen, die zu Lieblingsfilmen werden. "Xenia", "Messer im Herz", "Nevrland" oder "Lose Your Head", nur so als subjektive Beispiele.
Und so lädt das Buch ein, in Erinnerungen zu schwelgen, verblasste Bilder neu einzufärben, und natürlich ganz viele sehenswerte Filme zu entdecken. Statt quälend lang durch Netflix zu scrollen: In Zukunft einfach den Band an einer zufälligen Seite aufschlagen. "Queer Cinema Now" gehört in das Regal aller Filmfans.
Infos zum Buch
Björn Koll, Jan Künemund, Christian Weber (Hrsg): Queer Cinema Now. 352 Seiten, ca. 200 Abbildungen in Farbe. Salzgeber Buchverlage. Berlin 2022. Gebundene Ausgabe: 50 € (ISBN 978-3-95985-620-1)