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Interview
"Nacktszenen sollten nie Selbstzweck sein"
Der Thriller "Firebird", der zum IDAHOBIT ins Kino kommt, erzählt von einer schwulen Liebe in der Roten Armee. Wir sprachen mit Hauptdarsteller und Ko-Autor Tom Prior über die Verfilmung der wahren Geschichte aus dem Kalten Krieg.

tompriorthesecond / instagram) Der britische Film- und Theaterschauspieler Tom Prior zeigt auf Instagram gerne seine Muskeln (Bild:
15. Mai 2022, 05:13h 5 Min. Von
Tom Prior wird 1990 in England geboren und macht 2012 seinen Abschluss an der Royal Academy of Dramatic Art (RADA) in London. Auf der Kinoleinwand tritt er erstmals in James Marshs Biopic "Die Entdeckung der Unendlichkeit" (2014) als 17-jähriger Sohn von Stephen Hawking in Erscheinung. Seine weiteren Filme sind Matthew Vaughns Actionkomödie "Kingsman: The Secret Service" (2014), Betsan Morris Evans' Familienkomödie "Dusty and Me" (2016), Max Newsoms Coming-of-Age-Film "Iceland Is Best" (2020) sowie Davide Ferrarios Kriegsdrama "Just Noise" (2021), wo er an der Seite von "Uhrwerk Orange"-Ikone Malcolm McDowell und Harvey Keitel zu sehen ist. Seit 2013 steht Tom Prior zudem oft auf der Theaterbühne in Großbritannien. 2014 schreibt er das Skript zum Kurzfilm "Breaking the Circle".
Auch das Drehbuch zu "Firebird" verfasste Prior zusammen mit dem Regisseur Peeter Rebane. Erzählt wird nach einer wahren Geschichte die geheime Liebe zwischen dem jungen Soldaten Sergey und dem erfahrenen Kampfpiloten Roman auf einem auf einem Luftwaffenstützpunkt der Sowjetunion, Salzgeber bringt den bewegenden Film, der auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges spielt, zum IDABOBIT am 17. Mai 2022 in die deutschen Kinos (ausführliche Filmkritik von Fabian Schäfer).

Poster zum Film: "Firebird" startet am 17. Mai 2022 im Kino
Tom, in der Abschlussszene von "Firebird" sieht man dich in Großaufnahmen lächeln und wenig später rollen die Tränen über das Gesicht – wie gelingt diese Achterbahn der Gefühle?
Ich weiß es gar nicht. (lacht) Diese Szene ist schon ziemlich gnadenlos für einen Schauspieler. Zumal du dabei ja von den ganzen Komparsen und der Crew umgeben bist, das sind locker 50 Leute, die dir dabei zuschauen. Es sind viele Proben für Kamera und Licht notwendig, was die Sache auch kaum leichter macht. Der Trick besteht in der Konzentration. Es war fast surreal für mich, in dieser Szene lief mein ganzes Leben vor meinen Augen ab – also nicht mein eigenes, sondern jenes von Sergey, dem jungen Soldaten, den ich spiele. Wenn ich diese beiden echten Tränen nun auf der großen Leinwand sehe, frage ich mich schon, wie das möglich gewesen ist. (lacht)
Vom Heulen zum Küssen: Wie entspannt fühlst du dich bei den intimen Szenen mit deinem Lover?
Als Schauspieler sollte man immer möglichst entspannt sein und sich wohlfühlen mit dem Kollegen und dem ganzen Team. Nur so gelingt es, sich wirklich emotional und auch maximal verletzlich zu zeigen. Man hatte mich vorher gewarnt, nichts im Leben wäre so unsexy wie das Drehen von intimen Szenen. Doch wenn das Umfeld stimmt, ist es tatsächlich befreiend, auf diese Art die Gefühlswelten zu erforschen.
Gibt es eine Grenze, wie weit man bei Nacktszenen gehen soll?
Entscheidend dabei ist, dass die Nacktszenen eine dramaturgische Funktion haben. Wenn sie notwendig sind, gibt es für mich keine Grenzen. Sie müssen das Erzählen der Geschichte und die Reise der Figuren voranbringen. Sind Nacktszenen nur bloßer Selbstzweck, fühlen sich die Zuschauer schnell unangenehm berührt. Das ist dann bloßer Porno, bei dem es um das Körperliche geht. Wir wollten mit den intimen Szenen zeigen, wie zwei Seelen auf wunderbare Weise zueinanderkommen.
Was hältst du von der Forderung, wonach queere Rollen nur von queeren Menschen gespielt werden sollten?
Der Schlüssel für die Schauspielerei liegt darin, die größtmögliche Wahrheit in einer Figur zu finden. Es gibt gewisse Rollen, die ich freundlich ablehnen würde, weil ich mir nicht zutraue, diese Wahrhaftigkeit liefern zu können. Mir würde die Erfahrung fehlen, um diese Rolle authentisch zu verkörpern. Gleichzeitig bin ich der Überzeugung, je weniger man von einem Schauspieler weiß, desto besser ist es für das Publikum. Ich zum Beispiel hasse Sushi. Wer würde mir mit diesem Hintergrundwissen abnehmen, einen leidenschaftlichen Sushi-Koch zu spielen?

Tom Prior (r.) und Oleg Zagorodnii zeigen in "Firebird" viel nackte Haut (Bild: Salzgeber)
Da kommt es ganz gelegen, wenn man als Hauptdarsteller zugleich der Ko-Autor ist. Wie sah die Zusammenarbeit aus?
Wir hatten einen Teaser gedreht, um damit Investoren für das Projekt zu finden. Bei dieser Gelegenheit machte ich ein paar Vorschläge zu den Dialogen, die Regisseur Peeter Rebane nicht ganz übel fand. Wir unterhielten uns später über die Struktur und das Konzept von "Firebird", was schließlich zum gemeinsamen Schreiben führte. Es war für mich als Autor und Schauspieler ein faszinierender Prozess, bei dem ich meine Fähigkeiten als Schauspieler mit dem kombinieren konnte, was ich gerade als Autor zu lernen begann. Es war anders als alles, was ich davor gemacht habe.
Was ändert sich beim Dreh, wenn man als Hauptdarsteller zugleich der Autor ist?
Am Set haben Peeter und ich genau darauf geachtet, wann wir über das Skript reden und wann über das Schauspiel. Als der Dreh begann, blieben wir bei der finalen Version des Skripts. Seltsam war für mich als Schauspieler, wie sehr ich das Material kannte. Ich hatte drei Jahre mit der Geschichte verbracht, aber nun musste ich sie als Schauspieler neu entdecken und meine Mitwirkung als Autor ausblenden.
Der Film beruht auf einer wahren Geschichte. Wie verlief das Treffen mit dem echten Sergey Fetisov?
Als ich an Bord des Projekts kam, hatte ich Sergeys Buch, das Peeter als Vorlage des ersten Entwurfs diente, noch nicht gelesen. Sergey sprach kein Englisch und ich kein Russisch, deshalb übernahm Peeter das Übersetzen. Sergey erzählte uns Geschichten über Roman, über seine Zeit bei der Luftwaffe, aber er war zurückhaltender, uns von seiner Freundin Luisa zu erzählen. Es war für ihn immer noch schmerzhaft, über sie zu reden. Ich hatte Monate damit verbracht, zu verstehen, was in Sergey vor sich geht, daher war es eine wertvolle Erfahrung, mit ihm zu sprechen.
Wie wertvoll waren die Erfahrungen als Rekrut?
Für das körperliche Training wurden wir in ein Boot Camp in Ostestland geschickt. Ich habe bei zwei Boot Camps mitgemacht. Oleg, Jake Henderson und ich mussten die gleichen Übungen machen wie die anderen Soldaten. Wir haben Schützenlöcher gegraben, Zelte aufgestellt und waren an Schießständen. Es war schon heftig.
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Firebird. Drama. Estland, Großbritannien 2021. Regie: Peeter Rebane. Darsteller*innen: Tom Prior, Oleg Zagordnii, Diana Pozharskaya, Jake Thomas Henderson, Margus Prangel. Laufzeit: 107 Minuten. Sprache: englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 12. Verleih: Salzgeber. Kinostart: 17. Mai 2022

Links zum Thema:
» Die Special Screenings von "Firebird" zum IDAHOBIT 2022
Mehr zum Thema:
» Ausführliche Filmkritik: Eine heimliche schwule Liebe in der Roten Armee (30.10.2021)
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Ich finde, der Schauspieler Tom Prior ist wirklich ein hübscher Junge. Der ältere Schauspieler scheint mir weniger glaubwürdig in seiner Rolle. Wie dem auch sei, der Film ist ein Muss.