Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Sieg seines Landes beim Eurovision Song Contest in den sozialen Medien gefeiert. Er erklärte, dass das vom Krieg erschütterte Land sein Bestes tun werde, um das Finale im nächsten Jahr in der Hafenstadt Mariupol auszurichten.
Nachdem die Band Kalush Orchestra am Samstagabend den Musikwettbewerb gewonnen hatte, schrieb der ukrainische Präsident in einem Post: "Unser Mut beeindruckt die Welt, unsere Musik erobert Europa! Nächstes Jahr wird die Ukraine den ESC ausrichten!" Er fügte hinzu: "Wir werden unser Bestes tun, um eines Tages die Teilnehmer und Gäste des Eurovision Song Contest im ukrainischen Mariupol zu begrüßen. Frei, friedlich, wieder aufgebaut!" Zudem bedankte er sich bei Kalush Orchestra und allen, "die für uns gestimmt haben".
Bei der Sieger-Pressekonferenz hatte der Eurovision-Supervisor Martin Österdahl der Vertreterin des ukrainischen Senders UA:PBC die Unterlagen zur Austragung im nächsten Jahr gegeben, wie es Tradition hat, und die gute Zusammenarbeit beim ESC 2017 in Kiew gelobt. In der Praxis müsste aber wohl ein baldiger Frieden herrschen, um einen ukrainischen ESC mit der notwendigen Vorlaufzeit zu ermöglichen. So müsste rechtzeitig die Nutzung einer passenden Halle, die Verfügbarkeit ausreichender Hotelbetten und weiterer Infrastruktur und vor allem die Sicherheit der Teilnehmenden, Fans und Mitarbeiter*innen garantiert werden können. Aktuell herrscht in der Ukraine Kriegsrecht und ein Verbot von Großveranstaltungen – russische Raketen könnten zudem mögliche Austragungsorte im ganzen Land erreichen.
In einigen Jahren hatte die EBU Notfallverträge mit einem weiteren Land neben dem Ausrichter geschlossen. Möglich scheint eine direkte Zusammenarbeit der Ukraine mit einem anderen EBU-Sender bei einer Austragung in dessen Land. Fans spekulieren bereits über eine ukrainisch-polnische Veranstaltung wie bei der EM 2012.
EBU: Keine Sanktionen wegen Band-Äußerungen
Der Frontmann von Kalush Orchestra, Oleh Psiuk (27), hatte das Millionenpublikum genutzt, um auf der Bühne ein politisches Statement abzugeben. Er forderte die Menschen nach dem Wettbewerbsauftritt auf, der Ukraine, Mariupol und den Menschen im Asow-Stahlwerk zu helfen. In der Nacht kam es offenbar zu einem weiteren Angriff Russlands auf das Gelände, bei dem auch verbotene Phosphorbomben zum Einsatz gekommen sein sollen. Der Stadtratsabgeordnete Petro Andrjuschtschenko veröffentlichte im Nachrichtenkanal Telegram zu einer entsprechenden Meldung ("Die Hölle ist auf die Erde gekommen") Videos – und auch Fotos, die Aufschriften auf einigen Bomben zeigen sollen. Auf einer sei etwa auf Russisch zu lesen gewesen: "Kalusha, wie gewünscht! Auf Azovstal". Die Herkunft der Aufnahmen ist laut Agenturen noch unklar.
Politische Statements sind auf der ESC-Bühne untersagt. Die European Broadcasting Union, die den Wettbewerb ausrichtet, erklärte aber laut Medienberichten, dass keine Maßnahmen gegen die Band ergriffen werden. Man glaube, dass die Kommentare eher humanitärer als politischer Natur waren, heißt es demnach von der EBU. Mehrere weitere ECS-Teilnehmende hatten bei ihren Auftritten Solidarität mit der Ukraine gezeigt, etwa Deutschlands Kandidat Malik Harris (24), der die ukrainischen Farben und den Spruch "Peace" auf der Rückseite seiner Gitarre zeigte.
Das ESC-Finale am Samstagabend in Turin stand unter dem Motto "The Sound of Beauty". Mit 439 von 468 möglichen Televoting-Punkten siegte die Ukraine klar vor dem Jury-Gewinner, Großbritannien mit Sänger Sam Ryder (32), der beim Televote nur den fünften Platz holte. Im Gesamtergebnis folgten auf sie Spanien, Schweden und Serbien. Deutschland landete auf dem letzten Platz. Die Ukraine hatte den ESC seit der ersten Teilnahme 2003 bereits zweimal gewonnen, 2004 mit Ruslana auf Englisch und 2016 mit Jamala auf Krimtartarisch. Der neue Siegessong, "Stefanija" auf Ukrainisch, war bereits vor Kriegsbeginn von Wettbüros in den Top Ten gesehen worden.
Die EBU hat inzwischen alle Voting-Ergebnisse veröffentlicht, darunter die Jury- und Zuschauerstimmen aus Deutschland. Für Diskussionen dürfte noch sorgen, dass die EBU die Jury-Ergebnisse aus ganzen sechs von 40 Ländern wegen Auffälligkeiten stornierte und durch statistische Mittelwerte ersetzte. (cw/spot/dpa)