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Homosexualität "todeswürdig"
Prozess wegen Volksverhetzung: Anklage hält queerfeindlichen Pastor für schuldig
Am Freitag soll das Urteil im Fall Latzel vor dem Bremer Landgericht fallen. Die Auffassung einer evangelischen Theologin, wonach Homosexualität keine Sünde sei, wird das Gericht aber nicht berücksichtigen.

Pastor Olaf Latzel hatte CSD-Besucherin einem Youtube-Video als "Verbrecher" gebrandmarkt und Homosexualität als "todeswürdig" beschrieben
- 16. Mai 2022, 14:09h 3 Min.
In einem Berufungsprozess wegen Volksverhetzung hat die Staatsanwaltschaft erneut einen Schuldspruch gegen den Bremer Pastor Olaf Latzel von der evangelischen St.-Martini-Gemeinde gefordert. Zwei Verteidiger des Geistlichen plädierten dagegen am Montag vor dem Bremer Landgericht auf Freispruch (AZ 51 Ns 225 Js 26577/20).
Der konservative Theologe hatte 2019 bei einem Eheseminar, das später auf Youtube veröffentlicht worden war, abwertende Äußerungen über queere Menschen gemacht, die das Amtsgericht im November 2020 als Volksverhetzung einstufte. Es hatte den 54-Jährigen zu 8.100 Euro Geldstrafe verurteilt (queer.de berichtete).
"Ich wollte niemanden und werde niemanden als Mensch diskreditieren", sagte Latzel in seinem Schlusswort. Die Vertreterin des Staatsanwaltschaft hielt ihm dagegen seine Äußerungen vor wie: "Überall laufen diese Verbrecher rum, von diesem Christopher Street Day". Damit werde zu Hass aufgestachelt und "unmittelbar in die Menschenwürde einzelner Menschen eingegriffen". In dem Seminar hatte er Homosexualität außerdem als "todeswürdig" beschrieben.
Das Urteil der ersten Instanz sei fehlerfrei, so die Staatsanwaltschaft. Die von Latzel geäußerte Reue nehme sie ihm nicht ab. Latzel hatte unter anderem behauptet, er bedaure den Begriff "Verbrecher". Konkret sagte er: "Ich wollte und werde niemanden als Menschen angreifen und diskreditieren – egal, welche sexuelle Einstellung er hat." Gleichzeitig beharrte er darauf, dass sexuell aktive Homosexuelle grundsätzlich als Sünderinnen und Sünder angesehen werden müssten.
Die Verteidigung forderte Freispruch für den Pastor und argumentierte, dass Latzels theologische Einstellung zu Homosexualität bibelkonform sei. Zwar gestand sie ein, dass Latzel mit seiner Bibelauffassung heutzutage in der Minderheit sei. Doch man müsse Menschen noch sagen können, was im biblischen Sinne Sünde sei. "Wenn man darauf nicht mehr hinweisen darf, ist die Glaubensfreiheit in Deutschland gestorben", so Anwalt Sascha Böttner. Die Äußerungen seien zudem erst ein halbes Jahr später im Internet öffentlich gemacht worden und nach Bekanntwerden von Kritik auch sofort wieder zurückgezogen worden. Ein Urteil des Landgerichts ist für kommenden Freitag angesetzt.
Befangenheitsantrag der Verteidigung angenommen
Der konservative Universitätsprofessor Ludger Schwienhorst-Schönberger hatte während des Verfahrens Latzel als Gutachter attestiert, dass seine Äußerungen bibelkonform seien (queer.de berichtete). Die Bochumer Professorin Isolde Karle hatte als zweite Gutachterin allerdings eine andere Auffassung: Demnach sei es weitgehender Konsens in der evangelischen Theologie, dass Homosexualität keine Sünde sei (queer.de berichtete).
Ihre Expertise wird allerdings im Prozess nicht berücksichtigt: Das Gericht gab am Montag einem Befangenheitsantrag der Verteidigung Recht, die der Sachverständigen vorgeworfen hatte, parteiisch zu sein. Demnach habe Karle ihre theologischen Gutachterauftrag mit Aussagen zu rechtlichen Fragen überschritten und damit Latzel vorverurteilt.
In der als liberal geltenden Bremischen Evangelischen Kirche gibt es seit längerem Konflikte mit der Gemeinde St. Martini, in der sich konservative Christen um Latzel versammelt haben. Eine Abspaltung der Gemeinde will die Landeskirche aber möglichst vermeiden. Wegen der Äußerungen läuft ein Disziplinarverfahren gegen den Pastor, das aber ruht, bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. (dpa/dk)
