"Das werde ich nie vergessen! Schwulenpolitik wurde Überlebenskampf!" So erinnert sich der queere Aktivist und Ex-Bundestagsabgeordnete Volker Beck an einen Beschluss der bayerischen Landesregierung vor genau 35 Jahren, am 19. Mai 1987: Auf Initiative des damaligen Staatssekretärs Peter Gauweiler erließ die Regierung einen Maßnahmenkatalog, nach der Schwule – ebenso wie Drogenabhängige und Prostituierte – zu einem Aids-Test gezwungen werden konnten. Denn all diese Gruppen seien "Ansteckungsverdächtige".
Diese Maßnahmen öffneten damals Tür und Tor für Denunziantentum. In den Köpfen vieler Menschen wurden Schwule zu Tätern. Die Regelungen blieben bis 2001 gültig. Glücklicherweise schloss sich aber kein anderes Bundesland diesem Weg an.
Die Rhetorik, die in der CSU Ende der Achtziger verbreitet wurde, ist nach heutigem Maßstab unvorstellbar für Politiker*innen demokratischer Parteien. Sie erinnerte oft an alte Zeiten: Der damalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair verteidigte laut "Spiegel" etwa das Vorgehen gegen Schwule, indem er Homosexualität im "Randbereich der Entartung" einordnete. Weiter erklärte er: "Das Umfeld der ethischen Werte muss wiederentdeckt werden, um diese Entartung auszudünnen".
Kultusminister Hans Zehetmair (1987)
Ferner sagte der studierte Germanist, es dürfe nicht mehr um Verständnis für Homosexuelle gehen, vielmehr müsse man "klarmachen, dass dies contra naturam ist, nicht nur contra deum … also naturwidrig und im Grunde in krankhaftes Verhalten hineingeht." Nicht Aids ist demnach die Krankheit, sondern Homosexualität.
Seehofer: "In speziellen Heimen ... konzentrieren"
Andere stimmten in diese Hassattacken ein: Der Nachwuchs-Bundestagsabgeordnete Horst Seehofer (CSU) äußerte damals etwa den Plan, HIV-Positive in "speziellen Heimen" zu "konzentrieren". Er wurde später unter Kanzler Helmut Kohl Bundesgesundheitsminister, war zehn Jahre lang bayerischer Ministerpräsident und von 2018 bis 2021 Bundesinnenminister.
Staatssekretär Peter Gauweiler gab damals offen zu, dass er auch die schwule Subkultur zerschlagen wolle. Damals führten Razzien in Kneipen oder anderen schwulen Treffpunkten zu erheblicher Verunsicherung. Zu Aids-Kranken fiel dem CSU-Politiker in einem im Februar 1987 im "Stern" veröffentlichten Interview nur ein: "Mei, des sind halt Aussätzige." Der "Spiegel" bezeichnete Gauweiler damals als "eine Art Hoher Kommissar für Hygiene und Hysterie".
(Bild: Spiegel)
Glücklicherweise konnte sich auf Bundesebene die damalige Gesundheitsministerin Rita Süßmuth (CDU) durchsetzen. Die Erziehungswissenschaftlerin setzte auf Aufklärung und Prävention. Der Weg der heute 85-Jährigen erwies sich als segensreich: Nach großangelegten Aufklärungskampagnen über Aids hat Deutschland eine der niedrigsten HIV-Quoten in Europa. Noch heute ist die Zahl der HIV-Neudiagnosen etwa in Frankreich oder Großbritannien viel höher. Hätte sich der bayerische Weg durchgesetzt, wären wohl Schwule viel mehr ausgegrenzt worden und tausende Menschen mehr an der Immunschwäche gestorben.