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Anthologie

Neun queere Theaterstücke, die auf die Bühne gehören

Das Buch "Surf durch undefiniertes Gelände – Internationale queere Dramatik" stellt wichtige Theaterstücke aus aller Welt vor, die unterschiedliche Aspekte des Lebens aus queerer Perspektive beleuchten.


Gehört zu den Empfehlungen: Szene aus dem Stück "She He Me" von Raphael Amahl Khouri, das 2019 am Wiener Kosmos Theater uraufgeführt wurde (Bild: Kosmos Theater / Franzi Kreis)

Am 7. Mai sind im Ruhrgebiet die Mülheimer Theatertage in ihre 47. Festivalausgabe gestartet. Im Zentrum des Festivals steht noch bis zum 26. die deutschsprachige Gegenwartsdramatik. Hier wird jedes Jahr eine Auswahl neuer Theaterstücke für Kinder und Erwachsene gezeigt. Die Preise des Festivals gehören zu den renommiertesten Auszeichnungen für neue Dramatik. Mit "Zeugs" von Raoul Biltgen, "Als die Welt rückwärts gehen lernte" von Lena Gorelik und "Der fabelhafte Die" von Sergej Gößner sind in diesem Jahr auch drei Stücke für den KinderStückePreis 2022 nominiert, die Fragen nach Identität, Selbstbestimmung, Normen, Geschlechterrollen, Vieles- und Anders-Sein und Diversität stellen.

Auch in anderen Ländern fanden in den letzten Jahren spannende queere Texte den Weg auf die Bühne. Am 30. März erschien hierzu im Neofelis Verlag ein neuer Titel in der Reihe "Drama Panorama – Neue internationale Theatertexte" (Amazon-Affiliate-Link ), in dem Stücke aus queerer Perspektive im Fokus stehen. "Surf durch undefiniertes Gelände – Internationale queere Dramatik" heißt die Anthologie, die von Charlotte Boy und Lisa Wegener herausgegeben wurde und insgesamt neun Theaterstücke aus neun Ländern präsentiert, die unterschiedliche Aspekte des Lebens aus queerer Perspektive beleuchten. Dabei unterscheiden sich die Texte nicht nur thematisch, sondern auch in Genre, Stil und Zielpublikum.

Aus 130 Einsendungen wurden neun Stücke ausgewählt


Die Anthologie "Surf durch undefiniertes Gelände" ist im Berliner Neofelis Verlag erschienen

Anfang 2018 starteten die beiden Herausgeberinnen einen Aufruf zur Einsendung aktueller internationaler Texte mit queeren Positionen. Aus 130 Einsendungen wurden schließlich neun Stücke gewählt und in dieser Anthologie zusammengestellt. Der Band "Internationale queere Dramatik" versammelt Theatertexte, die neue Erzählungen und Erzählformen von Geschlecht und Identität wagen. Dabei werden nicht nur die heterosexuelle Norm aufgebrochen, sondern auch nichtbinäre Lebensrealitäten greifbar gemacht. Und das auf wertschätzende Art, ohne das Anders-Sein zu exotisieren oder gar zu fetischisieren.

Dabei stehen auch die Übersetzer*­innen im Mittelpunkt, die mit ihrer Arbeit den Weg dafür geebnet haben, dass diese Texte ihren Weg auf deutschsprachige Bühnen finden können. Denn das queere Körper, Geschichten und Biografien hier weiterhin unterrepräsentiert sind, ist unbestritten.

Zu den einzelnen Stücken:

"Schatten und Lippen" von Marine Bachelot Nguyen
Die französische Autorin und Regisseurin Marine Bachelot Nguyen untersucht in ihren Arbeiten die Wechselbeziehungen zwischen Fiktion und Dokumentation und zwischen Individuum und Politik. In ihrem Stück "Schatten und Lippen" (Übersetzung: André Hansen) nimmt sie Begegnungen und Interviews mit vietnamesischen Aktivist*innen und Künstler*innen zum Ausgangspunkt für einen sehr persönlichen Stücktext über die Verwirklichung persönlicher und politischer Wünsche junger vietnamesischer Mitglieder der LGBTI-Community.

"Wir sind schön, für hässliche Leute" von Dany Boudreault
Der kanadische Autor und Schauspieler Dany Boudreault interessiert sich insbesondere für den Körper als intimes und soziales Gebilde und widmet sich ausgiebig der Dekonstruktion normativer Identitäten, In "Wir sind schön, für hässliche Leute", einem dramatischen wie poetischen Text zugleich, wird eine Jugendsünde zum Ausgangspunkt für das plastische Erleben und Erleiden einer Geschlechtsangleichung. Boudreault inszenierte die Uraufführung seines Stückes selbst. Der Autor und Hörspielregisseur Wolfram Höll hat den Text ins Deutsche übersetzt.

"Der Tag nach dem Tag, an dem niemand starb" von Ebru Nihan Celkan
Die türkische Autorin Ebru Nihan Celkan setzt sich in ihren Stücken mit der türkischen Gesellschaft, deren Tabus und Missständen auseinander und richtet ihren Fokus dabei auf Machtmissbrauch, Militarismus und Genderthemen. In der Türkei werden ihre Stücke viel gespielt, in Deutschland feierte u. a. ihr Stück "Last Park Standing" 2019 Premiere am Staatstheater Stuttgart. "Der Tag nach dem Tag, an dem niemand starb" (Übersetzung: Oliver Kontny) ist ein performativer Monolog einer trans Frau, die von den Widrigkeiten im Leben Istanbuler Sexarbeiter*innen erzählt.

"Mein Du" von Olga Dimitrijević
Olga Dimitrijević ist eine jugoslawische Dramatikerin, Regisseurin und Dramaturgin. Sie beschäftigt sich fortwährend mit Themen gesellschaftlicher Konflikte und Ungerechtigkeiten, mit Freundschaft und Solidarität unter Frauen, queerer Geschichte, den Grenzen politischer Vorstellungskraft und Möglichkeiten einer besseren Welt. Mit "Mein Du" (Übersetzung: Blažena Radas) präsentiert sie ein klassisches Dialogstück über lesbische Liebe und Trauer im Alter in serbischer Sprache.

"Surf durch undefiniertes Gelände" von Marie Henry
Die Belgierin Marie Henry arbeitet als Autorin und Performerin. In ihrem dramatischen Werk geht es oftmals um die Verknüpfung von Geschlecht mit gesellschaftlich geprägten Rollenerwartungen. Ihr experimenteller Text "Surf durch undefiniertes Gelände" (Übersetzung: Lisa Wegener) handelt von der Familiengeschichte um Vater und Sohn in Frauenkleidern. Das Stück wurde 2019 im belgischen Mons uraufgeführt.

"She He Me" von Raphael Amahl Khouri
Raphael Amahl Khouri arbeitet als Dramatiker und Theatermacher. Er ist in den USA geboren und in Jordanien aufgewachsen. In "She He Me" verhandelt er auf dokumentarischer Basis die Lebensgeschichten von trans Personen und Homosexuellen in der arabischen Welt. Im Zentrum steht dabei das Konstrukt der Familie. Die Uraufführung fand im März 2019 am Kosmos Theater Wien statt. Regie führte Paul Spittler, der auch den Text ins Deutsche übersetzte. Darüber hinaus trat Khouri in dem Theaterfilm "Dark Room revisited" von Jchj v. Dussel (Regie: Paul Spittler) mit einer seiner jüngsten Arbeiten als Cameo auf.

"Bühne des Begehrens" von Milja Sarkola
Milja Sarkola ist eine finnische Regisseurin und Dramatikerin, die in ihren Werken Themen wie Narzissmus, Elternschaft, Sexualität, Werbung und die Grenze zwischen dem öffentlichen und dem Privatleben untersucht. Zuletzt trat sie auch als Romanautorin auf. In ihrem sehr persönlichen Werk "Bühne des Begehrens" (Übersetzung: Katja von der Ropp) verhandelt sie die Frage nach der Darstellung von lesbischem bzw. weiblichem Begehren innerhalb der Institution Theater. Die Uraufführung in Helsinki inszenierte sie selbst.

"Collective Rage. Ein Stück in fünf Bettys" von Jen Silverman
Die Komödie "Collective Rage. Ein Stück in fünf Bettys" (Übersetzung: Barbara Christ) stammt aus der Feder der US-amerikanischen Autorin Jen Silverman, die Theaterstücke, Romane und Kurzgeschichten schreibt. Darüber hinaus schreibt Silverman auch für Film und Fernsehen. Ihre Stücke werden an zahlreichen Theatern in den USA gespielt und mit Preisen ausgezeichnet. 2016 wurde in Washington D.C. ihr Werk "Collective Rage. Ein Stück in fünf Bettys" uraufgeführt. Darin geht es um fünf weiße und nicht-weiße privilegierte und weniger privilegierte Versionen der Comic-Figur Betty Boop, die sich aufmachen, mit ihrer "Quelle der Kraft" in Verbindung zu treten. Mittels eines Stücks im Stück – wie in Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" wird "Pyramus und Thisbe" inszeniert – werden Fragen nach Rollenerwartungen aufgrund des eigenen Geschlechts aufgeworfen. Die deutschsprachige Erstaufführung steht noch aus.

"Gender" von Magne van den Berg
Die Niederländerin Magne van den Berg arbeitet als Schauspielerin und Dramaturgin sowie als Drehbuch- und Theaterautorin und lebt in Amsterdam. "Gender" (Übersetzung: Eva M. Pieper und Alexandra Schmiedebach) ist ein Stück für ein junges Publikum, in dem sich zwei Jugendliche in einem intimen Gespräch einen Schlagabtausch über starre Geschlechterrollen liefern. Mit der Verwendung eines jugendlichen Sprachstils, kommen die sensiblen Fragen nach Geschlecht und Gender in einer großartigen Unaufgeregtheit daher.

Neben der wichtigen Repräsentation alternativer künstlerischer Positionen zeitgenössischer internationaler Dramatik, funktionieren die ausgewählten Stücktexte auch wunderbar als Lesedrama. Dass Theatertexte wieder vermehrt publiziert werden, um sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist eine besondere Wertschätzung der Leistung von Dramatiker*innen. Dass es sich hierbei möglicherweise sogar um einen Trend handeln könnte, zeigte zuletzt bereits der Suhrkamp Theater Verlag. Dieser präsentierte bereits im vergangenen Jahr seine neue Buchreihe "Suhrkamp Theater", in der Texte, die für das Theater entstanden sind, nun auch als Lesetexte in der Buchhandlung in einem schicken Design erhältlich sind.

Infos zum Buch

Charlotte Boy, Lisa Wegener (Hrsg.): Surf durch undefiniertes Gelände. Internationale queere Dramatik. Drama Panorama – Neue internationale Theatertexte, Band. 4. 422 Seiten. Neofelis Verlag. Berlin 2022. Softcover: 20 € (ISBN 978-3-95808-329-5). E-Book: 20 €

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