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Jess aus Herne

Fast getötete 15-Jährige: Staatsanwaltschaft widerspricht Polizei

Jugendliche aus Herne brachten das trans Mädchen beinahe um, doch die Polizei verharmloste die Gewalt und sah einen "Streit" als Auslöser. Diese Darstellung kann nun auch die Staatsanwaltschaft nicht bestätigen.


Die zuständige Polizei im Fall Jess gibt kein gutes Bild ab (Bild: augustinfoto / unsplash)

Im Fall der lebensgefährlich verprügelten Jess aus Herne hat die ermittelnde Staatsanwaltschaft Angaben der Polizei zum Tathergang widersprochen. Die hatte zwei Tage nach der Tat von einem "Streit" als Auslöser des Gewaltexzesses gesprochen – zu einem Zeitpunkt, als das Mädchen selbst noch ohnmächtig gewesen war und nicht befragt werden konnte.

Nach Bekanntwerden der Trans­geschlechtlich­keit des Opfers war diese Darstellung gegenüber der "WAZ" vonseiten der Polizei sogar noch bekräftigt worden (queer.de berichtete). Nun ließ die Staatsanwaltschaft wissen, dass man derzeit noch keine Aussagen zu den Hintergründen machen könne.

Ein Streit als Auslöser?

Dass die Polizei von einem Streit als Auslöser gesprochen hatte, ohne die Sichtweise des Mädchens zu kennen, war nur über Umwege bekannt geworden. Die Beamten hatten das Opfer in ihrer Pressemitteilung nämlich misgendert, also als "15-jährigen Herner" beschrieben. Als in einem RTL-Bericht zwei Wochen nach der Tat von Transfeindlichkeit als Tatmotiv die Rede gewesen war, rechtfertigten die Beamten das Misgendern gegenüber der WAZ mit der spärlichen Informationslage.

Man habe bei der Meldung des Vorfalls nur die Daten aus einem mitgeführten Ausweis gehabt. Die Betroffene habe zu dem Zeitpunkt aufgrund der gesundheitlichen Folgen der Tat noch nicht befragt werden können.

Gegenüber der WAZ hatte die in der Sache ermittelnde Polizei Bochum beziehungsweise ihr Pressesprecher außerdem angegeben, dass Transfeindlichkeit zwar "sicherlich eine Rolle" gespielt habe. Das sei jedoch nicht der alleinige Grund für den Gewaltexzess gewesen. Vor dem Angriff hätten die strafunmündigen, jugendlichen Jungs und das Opfer zusammen Zeit verbracht, ehe es zu Streitigkeiten gekommen sei.

In der ursprünglichen Polizeimeldung hatte es geheißen: "Den Ermittlungen zufolge war der 15-Jährige am frühen Samstagmorgen mit drei jüngeren Hernern (12, 13, 13) im Bereich des Friedhofs an der Gartenstraße in Streit geraten. Daraufhin brachten sie den 15-Jährigen zu Fall und traktierten ihn mit Tritten und Schlägen, ehe sie flüchteten."

Worüber wurde sich gestritten?

Doch worüber sich die Tatverdächtigen und das Opfer gestritten haben sollen, konnte ein Polizeisprecher auch auf Nachfrage gegenüber queer.de nicht konkretisieren. Der Streit könne sich durchaus auch um die Transgeschlechtlichkeit des Opfers gedreht haben, wie ein Mitarbeiter der Pressestelle am Telefon sagte. So genau wisse er das nicht. Die Darstellung der Polizei gegenüber der WAZ verteidigte er, ohne nähere Informationen aus den Anhörungen der strafunmündigen Jugendlichen oder den Aussagen des Opfers zu haben.

Die Kritik an der Kommunikation der Polizei sei überdies nicht nachvollziehbar. Man könne ja nur mitteilen, was sich den Beamten bei der Arbeit "objektiv" darstelle und als Polizei auf "subjektive" Aspekte nicht weiter eingehen. Die Tat sei ja auch unabhängig von der Transgeschlechtlichkeit des Opfers verwerflich. Für Polizist*innen spielten solche Eigenschaften der Bürger*innen darüber hinaus sowieso keine Rolle, sondern nur, ob es sich bei jemandem um einen guten oder einen schlechten Menschen handle.

Die Staatsanwaltschaft in Bochum, der die Akten in dem Fall inzwischen übergeben worden sind, antwortet jedoch auf Nachfrage zum Inhalt des angeblichen Streits zwischen Opfer und den drei Jungs: "Hinsichtlich der möglichen Ursache für den Übergriff finden sich in der Ermittlungsakte unterschiedliche Darstellungen." Eine belastbare Aussage zum Tatmotiv sei daher nicht möglich. Die Beteiligten hätten das Geschehen unterschiedlich dargestellt.

Weil die in der Zwischenzeit psychiatrisch untergebrachten tatverdächtigen Jugendlichen strafunmündig sind, dürfte es nicht zu einer gerichtlichen Klärung des Tathergangs und des Motivs kommen – und damit der Inhalt des angeblich dem Angriff vorausgehenden Streits.

Queer-Beauftragter: "Nur die Spitze eines Eisbergs"

In der Nacht zum 26. März sollen die drei ermittelten Jugendlichen die 15-jährige Jess auf einem Friedhof in Herne so heftig verprügelt, am Boden getreten und dann liegengelassen haben, dass Lebensgefahr bestand. Zum Glück wurde das Mädchen am Morgen von einem Spaziergänger gefunden, der die Rettungskräfte alarmierte. Erst nach Tagen im Koma hatte sich ihr Zustand dann verbessert (queer.de berichtete).

Nach Bekanntwerden der Tat hatte sich unter anderem die grüne Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer geäußert. Sie sei zutiefst betroffen über das grausame Hass- und Gewaltverbrechen. Es mache deutlich, wie dringend ein Aktionsplan für die Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt auf den Weg gebracht werden müsse. Man stehe in der Verantwortung, die Welt für junge Menschen besser zu machen.

Auch der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, hatte die Tat als queerfeindliches Hassverbrechen eingestuft. Der schreckliche Fall sei jedoch nur die Spitze eines Eisbergs von immer mehr Hasskriminalität gegen queere Menschen.

#1 PrideProfil
#2 PeerAnonym
  • 30.05.2022, 18:21h
  • Wieso muss man homophobe und transphobe Gewalt immer herunterspielen, relativieren, o.ä.?
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#3 KerstinOAnonym