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"Diskriminierung und Herabwürdigung keine Grundlage für Debatte"
Sticks & Stones: Axel Springer SE bleibt ausgeladen
Die queere Jobmesse lehnt die Bitte von Mathias Döpfner ab, die nach Veröffentlichung eines queerfeindlichen Gastbeitrags erfolgte Ausladung des Verlags zurückzunehmen.

Dieser Gastbeitrag samt Bebilderung und entsprechender Anteaserung in sozialen Netzwerken sorgte für viel Kritik an der "Welt"-Redaktion
- 8. Juni 2022, 14:33h 4 Min.
Auf der für diesen Samstag geplanten diesjährigen queeren Jobmesse "Sticks & Stones" wird die Axel-Springer SE weiterhin nicht anwesend sein. Das bekräftigte Stuart Bruce Cameron, der Geschäftsführer der sie ausrichtenden UHLALA Group, am Mittwoch in einer Stellungnahme unter dem Titel "Die Existenz von LGBTIQ+ Menschen darf nicht verhandelt werden!"
Die Jobmesse hatte den Verlag in der letzten Woche öffentlich ausgeladen, nachdem in der "Welt" ein queerfeindlicher Gastbeitrag erschienen war (queer.de berichtete). Der u.a. vom umstrittenen Jugendpsychiater Alexander Korte verfasste Beitrag "Wie ARD und ZDF unsere Kinder sexualisieren und umerziehen" warnte davor, "dass eine kleine Anzahl von Aktivisten mit ihrer 'woken' Trans-Ideologie den ÖRR unterwandert, Falschdarstellungen als vermeintlichen Stand der Wissenschaft verbreitet und das Leben von Kindern und Jugendlichen nachhaltig beschädigt". Diese "bedrohliche Entwicklung" müsse in der Öffentlichkeit diskutiert "und gestoppt" werden.
Nach anhaltender Kritik hatte der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE, Mathias Döpfner, den Artikel kritisiert: "Der ganze Ton ist oberflächlich, herablassend und ressentimentgeladen", schrieb er in einem auf welt.de veröffentlichten Brief an die Mitarbeiter*innen des Unternehmens. Zugleich verteidigte er die Veröffentlichung des Gastbeitrags unter der Überschrift "Ausgrenzung behindert Debatten", wobei er indirekt auch das Verhalten der Jobmesse als Ausdruck von Ausgrenzung und Canceln kritiserte. Stuart Bruce Cameron sei nun von der Redaktion eingeladen worden, "eine ausführliche Gegenposition in 'Welt' zu vertreten". Auch würde er sich freuen, wenn die Ausladung zurückgenommen werde, so Döpfner: "Wir jedenfalls wären gerne dabei, weil uns die Sache, die die Messe vertritt, wirklich am Herzen liegt." Im globalen LGBTIAQ*-Netzwerk von Axel Springer seien mehr als 800 Personen engagiert und das Unternehmen fördere die Akzeptanz unterschiedlicher sexueller Identitäten und Lebensformen.
Cameron: Gastbeitrag ist Form verbaler Gewalt
In der Stellungnahme vom Mittwoch auf das Angebot Döpfners schreibt der Jobmessen-Chef, der "Welt"-Gastbeitrag sei schwerlich als Meinung in einer zu führenden Debatte zu verstehen. Dessen Aussagen seien "voller Herabwürdigung gegenüber LGBTIQ+ Menschen, besonders trans Personen, und menschenfeindlich. Diese als bloße Meinungsbekundung zu legitimieren ist aus unserer Sicht problematisch." Unter der Zwischenüberschrift "Presse- und Meinungsfreiheit, ja – unkommentierter Hass, nein!" schreibt Cameron, "polarisierenden, populistischen, hetzerischen und nicht zuletzt menschenverachtenden Ansichten ohne Kontextualisierung und einordnender Kommentierung eine Bühne zu bieten, ist problematisch". Döpfner habe sich selbst von dem Beitrag als "ressentimentgeladen" und "grob einseitig" distanziert. "Das war sicherlich auch vor der Veröffentlichung ersichtlich und bekannt."
Beiträge wie der veröffentlichte seien "eine Form (verbaler) Gewalt", so Cameron. "Zudem sprechen sie der LGBTIQ+ Community und trans Personen die Daseinsberechtigung ab, verbreiten Hetze und stehen Dialog im Weg." Auch sei Kritik am Artikel und die Ausladung des Verlags ebenfalls Meinungsfreiheit und ein Beitrag zur Debatte. Die Messe sei eine "Veranstaltung, die sich explizit an LGBTIQ+ Menschen und Straight Allies richtet, und ein Ort, an dem es um die Vernetzung und das Wachstum von LGBTIQ+ Menschen, neue Job-Möglichkeiten und Tipps für die Karriere von Mitgliedern der Community geht". Eines sei sie keinesfalls: "eine Bühne, auf der die mit dem Gastbeitrag in der 'Welt' angestoßene 'Scheindebatte' ausgebreitet und geführt werden kann."
Die Ausladung sei auch eine richtige Entscheidung gewesen, da man eine Verantwortung für die Besucher*innen und die queere Community habe. "In unserem Code of Conduct verpflichten wir uns vor diesem Hintergrund ausdrücklich dazu, nicht mit Unternehmen, Partner:innen oder Akteur:innen zusammenzuarbeiten, die sich LGBTIQ+-feindlich verhalten, positionieren oder äußern", so Cameron. Der "Welt"-Gastbeitrag sei auch "ein Schlag für alle LGBTIQ+ Mitarbeitenden der Axel Springer SE" und für jene, "die sich für (LGBTIQ+) Diversity im Konzern stark machen": "Ihren stetigen und anhaltenden Bemühungen für Wertschätzung und Chancengerechtigkeit fällt der Beitrag in den Rücken. Dieses interne Spannungsverhältnis sollte im Unternehmen gelöst werden. Nicht jedoch durch eine Teilnahme an unserer Job- und Karrieremesse in diesem Jahr."
Auch Sven Lehmann kritisierte Gastbeitrag
Nach Döpfner hatte auch "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt am Wochenende auf Kritik an dem Artikel Stellung genommen und eine Serie von Meinungsbeiträgen zu dem Gastbeitrag und zum Selbstbestimmungsgesetz angekündigt (queer.de berichtete). Inzwischen hat der Grünenpolitiker Sven Lehmann, der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, in diesem Zusammenhang einen Gastbeitrag veröffentlicht: "Homo- und Transfeindlichkeit ist keine Meinung – sondern Menschenfeindlichkeit". (nb)

Wer hetzt oder Hetzern eine Plattform für ihre Hetze bietet, hat auf so einer Messe NICHTS verloren.