Im April triumphierte das Kalush Orchestra in Turin (Bild: EBU)
Zum ersten Mal seit 1980 soll der Eurovision Song Contest nicht im Siegerland des Vorjahres stattfinden: Die Europäische Rundfunkunion (EBU) teilte am Freitag mit, dass die Ukraine wegen des Angriffskrieges Russlands den Wettbewerb nicht ausrichten könne.
"Nach einer objektiven Analyse ist die Reference Group, der Vorstand des ESC, mit tiefem Bedauern zu dem Schluss gekommen, dass angesichts der aktuellen Umstände die Sicherheits- und Betriebsgarantien, die zur Ausrichtung, Organisation und Produktion des Eurovision Song Contest gemäß den ESC-Regeln erforderlich sind, von [der ukrainischen Rundfunkanstalt] UA:PBC nicht erfüllt werden können", so die EBU auf ihrer Website. Die Ukraine hatte den ESC zuvor bereits 2005 und 2017 organisiert. Der erneute Sieg des Landes solle in den Shows im nächsten Jahr angemessen reflektiert werden.
Die Band Kalush Orchestra hatte am 14. Mai den Eurovision Song Contest mit großem Vorsprung gewonnen. Ausschlaggebend waren vor allem die Stimmen im Televoting, während der Song unter den Jurys nur auf dem 4. Platz landete. Nach dem Sieg kündigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an, das Event im kommenden Jahr ausrichten zu wollen (queer.de berichtete). Allerdings gab es Zweifel, dass das Land mit ausreichender Vorlaufzeit eine angemessene Sicherheit und Infrastruktur für das Event garantieren könne.
Großbritannien statt Ukraine
Die EBU erklärte auch, dass der ESC nun zum ersten Mal seit 1998 in Großbritannien ausgetragen werden soll: "Als Ergebnis dieser Entscheidung wird die EBU nun gemäß den Regeln und um die Kontinuität der Veranstaltung zu gewährleisten Gespräche mit der BBC als dem diesjährigen Zweitplatzierten aufnehmen, um den Eurovision Song Contest 2023 möglicherweise im Vereinigten Königreich auszurichten." Hintergrund ist, dass der britische Sänger Sam Ryder mit "Space Man" nach der Ukraine die meisten Punkte holte. Ryders Song war der Favorit der Jurys, landete aber im Televoting nur auf dem fünften Platz.
Das letzte Mal konnte das Siegerland 1980 den Contest nicht austragen. Damals sprang der niederländische Sender NOS für Israel ein, das sich mit der Austragung des Wettbewerbs ein Jahr zuvor finanziell übernommen hatte. Beim Grand Prix in Den Haag gewann damals der Ire Johnny Logan ("What's Another Year") vor der deutschen Bewerberin Katja Ebstein ("Theater").
Glasgow als Austragungsort?
Laut der britischen Tagezeitung "Guardian" sei insbesondere die OVO Hydro Arena im schottischen Glasgow im Gespräch für die Austragung im Mai 2023. In der Mehrzweckhalle finden 14.000 Menschen Platz. Ein BBC-Sprecher bestätigte, dass man die Ausrichtung des Events nun mit der EBU besprechen werde. Sagt der Sender zu, folgt in der Regel eine kurze Bewerbungsphase möglicher Städte.
Der Austragungsort Schottland wäre auch politisch bedeutend, da die schottische Regierung um die linksliberale Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon für Oktober 2023 ein Unabhängigkeitsreferendum plant, um sich vom Vereinigten Königreich abzuspalten. Damit könnte der Landesteil wieder Mitglied der Europäischen Union werden. (dk)
Warum ist ein abgespeckter ESC mit symbolträchtigem Finale in der West-Ukraine keine Option? Warum rückt die EBU nicht von ihren starren Durchführungskriterien ab? Nur aus Sicherheitsgründen? I doubt it!
Wo sind die Kreativen im Orga-Team?