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Widerstand aus Union, FDP und AfD
Wahl der Leiterin der Antidiskriminierungsstelle auf Juli verschoben
Wegen Widerstands von der rechten Seite des Bundestages hat die Ampelkoalition die Wahl von Ferda Ataman zur ADS-Chefin verschoben. Der Posten ist seit mehr als vier Jahren unbesetzt.

Ferda Ataman ist die Kandidatin des Bundeskabinetts für den Posten der ADS-Leiterin (Bild: Heinrich-Böll-Stiftung / flickr)
- 23. Juni 2022, 08:49h 3 Min.
Eigentlich hätte Ferda Ataman diese Woche vom Bundestag zur Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) gewählt werden sollen. Die 42-jährige Politologin war letzte Woche vom Ampel-Kabinett nominiert worden (queer.de berichtete). Wegen Widerstands aus Union, FDP und AfD wurde die Wahl jetzt aber auf zunächst Anfang Juli verschoben. Eine FDP-Sprecherin begründete die Verschiebung damit, dass man Ataman vor der Wahl "kennenlernen" wolle. Die drei Parteien auf der rechten Seite des Parlaments hätten im Bundestag eine Mehrheit, um die Wahl Atamans zu verhindern; die FDP ist allerdings Teil der Regierung.
Grund für die Wut waren kontroverse Aussagen Atamans – etwa, dass die ADS-Kandidatin 2020 im "Spiegel" das Wort Kartoffel als humorvolle Umschreibung für Deutsche ohne Migrationshintergrund verteidigte. AfD-Vizefraktionschefin Beatrix von Storch bezeichnete die in Stuttgart geborene Tochter türkischstämmiger Eltern deshalb vergangene Woche als "migrantische Rassistin".
Auch aus Teilen von Union und FDP kam derartige Kritik. So habe sich Ataman "mit ihren provozierenden und spalterischen Aussagen" selbst für das Amt disqualifiziert, erklärte etwa Torsten Frei (CDU), der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion.
/ MatthiasHauer | Der CDU-Politiker Matthias Hauer will nicht für Ataman stimmenWenn @FerdaAtaman in kommender Sitzungswoche des Bundestages als #Antidiskriminierungsbeauftragte zur Wahl steht, werde ich mit #Nein stimmen. Ich halte sie für Fehlbesetzung, weil sie bisher v.a. durch Polarisierung und Kritik gegenüber Andersdenkenden aufgefallen ist. #Ataman
Matthias Hauer (@MatthiasHauer) June 22, 2022
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FDP-Politikerin wirft Ataman "Identitätspolitik" vor
Das FDP-Bundesvorstandsmitglied Linda Teuteberg sagte im Nachrichtensender "Welt": "Wer glaubwürdig gegen Diskriminierung auftreten will, der muss selbst respektvoll auftreten gegenüber jedermann. Die Äußerungen von Frau Ataman bisher sprechen eine gegenteilige Sprache." Die frühere FDP-Generalsekretärin warf Ataman auch vor, "Identitätspolitik" zu betreiben: "Frau Ataman ist bekannt dafür, dass sie Menschen in Gruppen einteilt und sehr stark einen Status als Opfer oder Privilegierte zuteilt." So fordere sie "Quoten in allen möglichen Bereichen", sagte die brandenburgische Liberale. "Identitätspolitik" ist ein insbesondere in extrem rechten Kreisen beliebter Begriff, mit dem Bürgerrechtspolitik als überflüssig dargestellt werden soll.

Linda Teuteberg verlangt, dass die ADS-Leiterin "gegenüber jedermann" stets respektvoll auftreten müsse (Bild: Screenshot Welt)
In der FDP haben sich bislang nur wenige offen gegen Ataman gestellt. Dazu zählt mit Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki aber auch einer der prominentesten liberalen Politiker des Landes. Die vier FDP-Vertreter*innen im Bundeskabinett – Finanzminister Christian Lindner, Verkehrsminister Volker Wissing, Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Justizminister Marco Buschmann – waren hingegen letzte Woche dem Vorschlag aus dem Bundesfamilienministerium von Lisa Paus (Grüne) im Kabinett gefolgt.
/ PapkeGerhard | Gerhard Papke, der frühere FDP-Fraktionschef in NRW, zeigte sich besonders erbostWie kann sich die Ampelregierung erdreisten, eine Beauftragte gegen Diskriminierung zu ernennen, die Deutsche verächtlich macht, wenn sie aus unserem Land stammen? Was kommt als nächstes? Soll man sich noch entschuldigen, Deutscher zu sein und sich als solcher zu fühlen? #Ataman
Gerhard Papke (@PapkeGerhard) June 17, 2022
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"Orchestrierte Kampagne" gegen Ataman
Es gibt auch viel Unterstützung für Ataman. Ein "Tagesspiegel"-Kommentar lobte etwa "ihr fröhlich-kluges Lobbying". Journalistin Heike Kleffner erklärte in der "taz", dass es eine "orchestrierte Kampagne" gegen Ataman gebe, die auf "misogynen, rassistischen und antimuslimischen Ressentiments" aufbaue. Sie bezeichnete einen derartigen Diskurs als gefährlich und verwies dabei auf den CDU-Landrat Walter Lübcke, der 2019 nach Anfeindungen insbesondere aus der AfD ermordet wurde.
Aufgabe der ADS ist der Schutz vor Diskriminierung von Personen aufgrund ethnischer Herkunft, des Geschlechts (inklusive Geschlechtsidentität), der Religion/Weltanschauung, der Behinderung, des Lebensalters oder der sexuellen Identität. Letzte Chefin war die hochangesehene Pädagogin Christine Lüders, die 2018 ihren Hut nahm (queer.de berichtete).
Das Amt der Leiterin der Antidiskriminierungsstelle war wegen Klagen einer Mitbewerberin vier Jahre lang unbesetzt. Die Ampel-Koalition änderte erst im April gegen die Stimmen von Union und AfD die Richtlinien für die Besetzung des Postens (queer.de berichtete). Der Leiter oder die Leiterin wird daher anders als bisher direkt vom Bundestag gewählt. (dk)















- "the ruling few" vs. "the subject many" (Bentham, James Mill)
- "ceux qui pillent" (solche die plündern) vs. "ceux quis sont pilles" (jene die geplündert werden) (James Mill)
- "the conquerors" (Die Erobernden) vs "the conquered" (Die Eroberten) (Thierry, Spencer, Oppenheimer)
- ...
Die liberale Tradition hatte einmal mehr zu bieten als bloß Klassenpolitik auch noch in eben deren Interesse, die sie historisch so scharf in ihre Kritik einschloss. Sie verfügt über eine genuin radikale Tradition. Benachteiligte, nicht nur wirtschaftlich, waren dabei Ausgangspunkt ihrer Bedenken.
(Quelle: Social Class and State Power, Exploring an Alternative Radical Tradition ed. Gary Chartier, Roderick Long, David M. Hart und Ross Miller Kenyon)