Margot von Renesse in einem Bild aus dem Jahr 1998 (Bild: Deutscher Bundestag / Foto- und Filmstelle)
Die engagierte SPD-Politikerin Margot von Renesse ist vergangene Woche im Alter von 82 Jahren gestorben. Das teilte der Grünen-Politiker Volker Beck am Donnerstag auf Twitter mit. "Das ist sehr traurig. Sie war ein großartiger Mensch und eine aufrechte, kluge, mutige und uneitle Politikerin", so der offen schwule Grünen-Politiker, der von 1994 bis 2017 Mitglied des Bundestages war. "Ohne sie hätte ich das Lebenspartnerschaftsgesetz gegen die damalige Justizministerin so nicht durchsetzen können. […] Sie hat bewiesen, dass man nicht Ministerin sein muss, um politisch viel zu bewegen. Sie ruhe in Frieden", erklärte Beck weiter.
Von Renesse setzte sich in ihrer Zeit im Bundestag von 1990 bis 2002 intensiv für queere Rechte ein – neben der Aufhebung der Nazi-Urteile gegen Homosexuelle insbesondere für die Einführung von eingetragenen Lebenspartnerschaften für schwule und lesbische Paare durch die rot-grüne Bundesregierung. Sie hatte zur Jahrtausendwende ihre Fraktion bei den Verhandlungen über das Lebenspartnerschaftsgesetz vertreten, an der Seite des grünen Verhandlungspartners Volker Beck. Dabei setzte von Renesse das Gesetz auch gegen innerparteilichen Widerstand – etwa der damaligen SPD-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin – durch. Beck und von Renesse wurden 2006 gemeinsam für ihr Engagement auf dem CSD Berlin mit dem Zivilcouragepreis geehrt (queer.de berichtete). Der Lesben- und Schwulenverband bezeichnete sie aufgrund ihres Engagements als "Mutter der Lebenspartnerschaft".
Von Renesse vs. Kardinal Meisner
Nach außen hin verteidigte von Renesse das Lebenspartnerschaftsgesetz mit großem Engagement: "Es ist eine Frage der Menschenrechte und des Grundgesetzes", so ihre Begründung für die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren in einer wilden Bundestagsdebatte im Jahr 2000. Weiter erklärte von Renesse: "Ich sage das in Richtung auf den Dom zu Köln: Mag sein, dass der Katechismus der katholischen Kirche homosexuelle Beziehungen aus ontologischen Gründen oder aus theologischen Gründen als prinzipiell ablehnungswürdig und – wie sagte der Kardinal? – 'unsittlich' ablehnt. Die Verfassung tut das nicht."
Für das aus heutiger Sicht nicht sehr weitführende Lebenspartnerschaftsgesetz war damals noch viel politischer Kampf notwendig: Union und FDP, die heute beide ihren Frieden mit homosexuellen Paaren geschlossen haben, stimmten damals noch gegen die Anerkennung und blockierten auch viele Rechte im Bundesrat.
Auch in anderen Themen gab sich Margot von Renesse kämpferisch: So setzte sie sich für das Selbstbestimmungsrecht der Frau ein und war federführend an der Neufassung des Paragrafen 218 in den Neunzigerjahren beteiligt. Sie trat außerdem jahrelang gegen viele Widerstände für ein Gesetz ein, das Vergewaltigung in der Ehe endlich unter Strafe stellt. Ein derartiges Gesetz wurde schließlich 1997 – gegen den Widerstand u.a. des heutigen CDU-Chefs Frierich Merz – beschlossen. (dk)
Ein interessanter Zufall: Die Justizministerin, die hier erwähnt wird, Herta Däubler-Gmelin ist tatsächlich die Tochter des ehemaligen Tübinger Oberbürgermeisters Hans Gmelin, der im heutigen Leitartikel "Wie ausgerechnet Boris Palmer zum queerpolitischen Vorreiter wurde" erwähnt wurde. Da erkennt man doch Kontinuitäten in der Haltung...