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Türkei

Istanbul und Izmir: Über 370 Festnahmen bei CSDs

In Istanbul ging die Polizei mit Gewalt gegen Teilnehmende des vorab verbotenen Pride vor. Auch in anderen Städten wurden am Sonntag queere Proteste unterbunden.


Trotz des CSD-Verbots versammelten sich hunderte Menschen in der Istanbuler Innenstadt (Bild: KaosGL)

  • 26. Juni 2022, 16:16h 6 4 Min.

(mehrfach aktualisiert) Die Polizei in Istanbul hat auch in diesem Jahr den CSD der türkischen Metropole mit Gewalt und Festnahmen unterbunden. Zuvor hatten die Gouverneursämter der Distrike Beyoglu und Kadiköy alle Veranstaltungen im Rahmen der Pride-Week im öffentlichen und geschlossenen Raum untersagt. Die unter anderem für die öffentliche Ordnung und Polizei zuständigen Gouverneure werden von der nationalen und queerfeindlichen AKP-Regierung direkt bestimmt.

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Queere Gruppen der Stadt hatten das Verbot der 20. Pride-Parade in einer Stellungnahme kritisiert und betont: "Wir weigern uns, uns zu schämen, vergessen zu werden, aufzugeben, zu verlieren und einen Schritt zurückzutreten." Der CSD rief für Sonntag zu einer Kundgebung im Bereich der Siraselviler-Straße und an anderen Orten der Stadt auf. Doch bereits Stunden vor Beginn um 17 Uhr Ortszeit (16 Uhr in Deutschland) riegelte die Polizei laut einem Bericht von kaos.gl das Viertel ab, ging gegen Pressevertreter vor und nahm unter anderem mehrere mutmaßliche queere Personen fest, die in Cafés saßen.

Twitter / zeynokuray
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Dabei sei auch – wie im letzten Jahr – der AFP-Fotograf Bülent Kilic festgenommen worden. Wenig später konnten hunderte LGBTI-Aktivist*innen durch das Cihangir-Viertel ziehen. "Diskriminierung ist ein Verbrechen" skandierten sie oder "Morde an trans Personen sind politisch", als Teil einer an mehreren Orten verlesenen Pressemitteilung des CSD.

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Im Anschluss wurden offenbar erneut etliche queere Menschen von der Polizei festgenommen, während hörbar aus etlichen Wohnungen der Straße aus Protest auf Töpfe und Pfannen geschlagen wurde. In der Regel werden die Festgenommenen auf eine Wache gebracht und nach einigen Stunden wieder freigelassen. Das Katz- und Maus-Spiel zwischen Polizei und CSD-Teilnehmenden dauerte mehrere Stunden an. In den letzten Jahren hatte die Polizei auch Tränengas und Gummigeschosse eingesetzt.

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Stand 16.20 Uhr deutscher Zeit waren laut KaosGL 52 Personen rund um den Pride festgenommen worden. Gegen 18 Uhr löste der CSD seine Versammlungen offiziell auf und rief dazu auf, sich zu verteilen. Auch danach kam es offenbar noch zu Festnahmen, später war von insgesamt über 200 Festgenommenen die Rede.

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Update: Nach einer Mitteilung von KaosGL vom Montagmorgen wurden insgesamt 373 Menschen festgenommen, darunter 34 Minderjährige. Auf den Wachen sei es auch zu Polizeigewalt gegenüber den Festgenommenen und Anwälten gekommen. Inzwischen seien alle Personen auf freien Fuß. So viele Festnahmen habe es in der Geschichte der Pride-Parade in der Türkei noch nicht gegeben, so KaosGL. "Der Staat hat queeren Menschen den Krieg eröffnet."

Polizeigewalt und Verbote auch in anderen Städten

Auch in Izmir ging die Polizei am Sonntag gegen einen CSD vor. Der Gouverneur hatte für das Wochenende allgemein alle Aktivitäten im Freien untersagt. Zunächst wurde am Ort des geplanten CSD auftauchenden queeren Menschen von der Polizei gesagt, sie würden festgenommen, sollten sie eine Kundgebung abhalten. Dann setzten die Beamten Gewalt ein, um sie zu vertreiben.

Twitter / KaosGL
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Twitter / izmirtoplumsal | Wenig später ging das gewaltsame Verdrängen weiter

Später kesselte die Polizei eine queere Menschenmenge am Ufer ein und schob auf einer dann abgesperrten Innenstadt-Einkaufsmeile demonstrierende LGBTI vor sich her. Nach Auflösung der Kundgebung kam es auch in Izmir zu mehreren gewaltvollen Festnahmen durch die Polizei.

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In Antalya konnte am Sonntag eine kleine Pride-Kundgebung hingegen offenbar ungestört staffinden. Zuvor war bereits in der Stadt Gaziantep die vom 23. bis 26. Juni geplante Pride-Woche verboten worden. Die Organisator*innen sagten danach auch von sich aus alle Veranstaltungen ab, nachdem sie Bedrohungen erhalten hatten.

Erst vor wenigen Tagen hatten mehrere islamistische und nationalistische Gruppen Stimmung gegen eine dann untersagte CSD-Demo in der Stadt Çanakkale und ein Pride-Picknick an der Istanbuler METU-Universität gemacht. Vor Ort erschienen in beiden Städten hunderte Anhänger und forderten teilweise den Tod queerer Menschen. In Çanakkale war der CSD von den queeren Aktivist*innen nach dem Erscheinen der Radikalen vor Ort dann auch ihrerseits abgesagt worden. In Istanbul ließ die Polizei die Hassprediger gewähren und schützte nicht die Picknick-Teilnehmenden, sondern nahm 26 von ihnen für mehrere Stunden fest.

Repression ohne Ende

In diesem Jahr hatte die türkische Polizei bereits einen Campus-CSD in Ankara, eine queere Kundgebung in Istanbul und einen weiteren Campus-CSD in Istanbul mit Gewalt und Festnahmen unterbunden.

In den letzten Jahren waren der CSD in Istanbul samt dem Trans-Pride und teilweise CSDs in anderen Städten immer wieder verboten worden und hatte die Polizei Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse gegen Teilnehmende eingesetzt. In den Jahren vor dem ersten Verbot und der ersten CSD-Niederschlagung 2015 hatten noch zehntausende Menschen an den Pride-Demonstrationen der Metropole teilgenommen. Das Istanbuler Büro der Heinrich-Böll-Stiftung hat in diesen Tagen eine Geschichte des Pride auf Englisch und Türkisch veröffentlicht. (nb)

#1 FliegenAnonym
  • 26.06.2022, 17:44h
  • Habe gute Freunde in Istanbul, aber leider will und kann ich sie nicht mehr besuchen, bevor sich einiges tut in Richtung Menschenrechte !!!
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#2 KölnfischAnonym
  • 26.06.2022, 19:08h
  • Was bedeutet "In der Regel werden die Festgenommenen auf eine Wache gebracht und nach einigen Stunden wieder freigelassen. "?
    Wieviele Ausnahmen hat diese Regel? Bleiben die Ausnahmen gesundheidlich unversehrt? Wohin freigelassen? In den Knast? Was geschieht während dieser einiger Stunden? Psychoterror? Erkennungsdienstliche Behandlungen (vielleicht um Familie und Arbeitgeber zu informieren)? Was geschieht in den Stunden, Tagen, Wochen, Monaten, nach diesen einigen Stunden? Der Staat Türkei ist inzwischen ein menschenverachtendes
    Despotenregime geworden, durchaus ähnlich ein paar anderen Staaten nicht nur in Europa, in denen Verbrecher sich als vom Schicksal auserwählt vorkommen, das Land ihrer Geburt zu beherrschen, alleine zu beherrschen, gestützt auf Handlanger, Steigbügelhalter, Mitmacher, von denen es offenbar immer genug gibt.
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#3 seb1983
  • 26.06.2022, 20:17h
  • Und direkt nachdem ein islamistischer Attentäter in Oslo ein Attentat verübt knüppelt man in der Türkei den CSD zusammen.
    Herr Erdogan wird dazu Applaus klatschen, vielleicht sogar zu beidem...
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