https://queer.de/?42450
Studie
Wie Asexuelle auf erotische Bilder blicken
Die Forschung kann klar zeigen, dass eine bestimmte Form der Aufmerksamkeit der Augen auf erotische Bilder mit der sexuellen Orientierung zusammenhängt. Doch gilt das auch für Asexuelle?

Asexuelle müssen häufig noch darum kämpfen, als Teil der queeren Community begriffen zu werden (Bild: Janet Ramsden / flickr)
- 28. Juni 2022, 06:46h 4 Min.
Studien haben in der Vergangenheit gezeigt, dass Menschen dazu neigen, ihre Aufmerksamkeit auf dasjenige zu richten, von dem sie sich sexuell angezogen fühlen. Um den Effekt auszunutzen, haben Forscher*innen an verschiedensten Versuchsreihen experimentiert, um die Aussagekraft der sogenannte Eye-Tracking-Methode zu untermauern.
Klar, dass die Technik in der Vergangenheit auch dazu genutzt wurde, vergleichend auf sexuelle Orientierungen oder Unterschiede unter den Geschlechtern zu blicken (queer.de berichtete). Doch nun verglichen Forscher*innen der Universität von British Columbia in Kanada in einer neuen Studie solche Menschen, die sich als heterosexuell einstuften, mit Menschen, die sich als asexuell identifizieren. Die Ergebnisse wurden im Journal of Sex Research veröffentlicht.
Ein erotisches und ein nicht-erotisches Bild
An der eher kleinen Untersuchung haben 13 asexuelle Männer, 18 asexuelle Frauen sowie acht asexuelle, nichtbinäre Personen teilgenommen. Ihnen gegenüber standen 26 heterosexuelle Männer sowie 30 heterosexuelle Frauen, die sich beim Betrachten verschiedener Bilder ebenfalls in die Augen blicken ließen. Letztere Gruppe lässt sich auch als allosexuelle Vergleichsgruppe zu den asexuellen Partizipiant*innen bezeichnen – ein Wort, das die sexuelle Stimulierbarkeit durch andere Menschen bezeichnet.
Demgegenüber bedeutet Asexualität jedoch nicht das Nichtvorhandensein sexueller Attraktion generell. Die asexuelle Emanzipationsbewegung betont darum immer wieder, dass auch asexuelle Menschen sexuelle und romantische Gefühle erleben – jedoch auf einem Spektrum angesiedelt oder unter bestimmten Voraussetzungen. Die Forscher*innen der vorliegenden Studie gehen auf Grundlage bisher erhobener Daten davon aus, dass in etwa 0,4 bis 1,0 Prozent der Bevölkerung asexuell sein dürfte.
Im Labor nahmen Kameras Augenbewegungen auf, die bei den Teilnehmer*innen entstanden, wenn ihnen bestimmte Motive für zehn Sekunden gezeigt wurden. Diese bestanden im für die Studie gewählten Versuchsaufbau stets aus zwei links und rechts aneinander gelegten Bildern, wobei eines heterosexuelle erotische Motive mit einem Mann und einer Frau zeigte und das andere jeweils einen Mann und eine Frau, die in einer nicht-sexuellen und nicht-romantischen Weise miteinander interagierten.
Durch das Zehn-Sekunden-Fenster konnten die Forscher*innen außerdem zwischen der unwillkürlichen und der kontrollierten Aufmerksamkeit unterscheiden. Denn aus der bisherigen Forschung weiß man, dass Menschen ihre eigene Aufmerksamkeit aus verschiedenen Gründen zwar regulieren können, jedoch immer erst nachträglich. Die eigenen Augen sind häufig einfach schneller. Wie lange die Aufmerksamkeit in den zehn Sekunden auf welchem Bild gelegen hat, ließ sich durch das Vorgehen genau feststellen. Wie lange die initiale Aufmerksamkeit dauerte und wann sie begann, wurde auch gesondert festgehalten. Zum Vergleich der Aufmerksamkeitsmuster wurden insgesamt fünf verschiedene Werte generiert. Zudem sollten die Teilnehmer*innen stets angeben, wie attraktiv sie die gezeigten Bilder auf einer vorgegebenen Skala fanden.
Asexuelle verteilten Aufmerksamkeit gleichmäßiger
Insgesamt zogen die erotischen Stimuli bei allen Beteiligten, wie die Forscher*innen erwartet hatten, mehr Aufmerksamkeit auf sich als die nicht-erotischen. Doch während bei den allosexuellen Teilnehmer*innen die kontrollierte Aufmerksamkeit deutlich auf den erotischen Bildern lag, war dieser Effekt bei den Asexuellen viel schwächer. Sie tendierten stärker dazu, beiden Bildseiten ähnlich viel Aufmerksamkeit zu widmen. Der Überhang auf den erotischen Bildern war bei den allosexuellen Teilnehmer*innen insgesamt fünf mal so stark wie bei den asexuellen Gruppen.
Vergleichbare Studien hatten in der Vergangenheit gezeigt, dass die kontrollierte Aufmerksamkeit nach der initialen Aufmerksamkeit sehr stark mit der angegebenen sexuellen Orientierung von hetero-, homo und bisexuellen Frauen und Männern korreliert. Um die asexuellen Teilnehmer*innen erweitert, bestätigte sich dieser Befund auch unter den Beteiligten der neuen Studie. Und: Auch in der vorliegenden Arbeit hing die initiale Aufmerksamkeit auf einen erotischen Stimulus nicht mit der sexuellen Orientierung der teilnehmenden Personen zusammen.
Die Wissenschaftler*innen stellten ihre Untersuchung in eine Reihe mit zwei früheren Arbeiten, bei denen die Aufmerksamkeitsmuster von Asexuellen mit denen von Frauen verglichen worden waren, die klinisch an einer Störung des sexuellen Interesses oder der Erregung litten. Hier war deutlich geworden, dass die beiden Gruppen erhebliche Unterschiede bei ihrer Aufmerksamkeit auf erotische Stimuli zeigten. Die Gruppe der an der Störung leidenden Frauen hatte durchgehend größere Aufmerksamkeit gegenüber den erotischen Stimuli gezeigt als die Gruppe der asexuellen Teilnehmer*innen.
Die Ergebnisse der neusten Untersuchungen würden sich in das noch kleine, aber wachsende Feld an Forschung einreihen, die eine Unterscheidung zwischen asexuellen und allosexuellen Personen stützt, wie es abschließend heißt. Zwar hatten die Forscher*innen eine Bestätigung der asexuellen Identität auch in den beobachtbaren Aufmerksamkeitsmustern erwartet. Dennoch lässt sich die Arbeit eben auch als Versuch verstehen, zu überprüfen, ob es soetwas wie Asexualität überhaupt gibt.
In zukünftigen Studien zum Thema müssten, wie die Autor*innen anmerkten, nicht nur insgesamt mehr Versuchspersonen rekrutiert werden. Auch müsste die Gruppe der asexuellen Personen stärker in verschiedenen Unterkategorien des asexuellen Spektrums eingeteilt werden, um genauere Ergebnisse zu erhalten. Zudem dokumentierten die Forscher*innen die Kritik einiger asexueller und nichtbinärer Teilnehmer*innen, wonach sich die Nutzung heterosexueller Stimuli, bei denen vorwiegend weiße Personen agebildet waren, negativ auf die Genauigkeit der Ergebnisse ausgewirkt haben könnte. Andere Motive, gaben sie demnach an, hätten sie vermutlich durchaus attraktiver finden können. (jk)














