
https://queer.de/?42464
Schwarz-Grün in Nordrhein-Westfalen
Trotz Homophobie-Vorwürfen: Nathanael Liminski bleibt Wüsts rechte Hand
In NRW steht das Kabinett fest. Der rechte Hardliner Nathanael Liminski erhält mehr Macht, steigt aber nicht zum Schulminister auf. Die Grünen nominieren eine lesbische Integrationsministerin.

Nathanael Liminski bleibt weiter Chef im Hause des Ministerpräsidenten (Bild: Land NRW)
29. Juni 2022, 13:18h 5 Min. Von
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat am Mittwochmittag die Minister*innen seiner Partei für die erste schwarz-grüne Landesregierung im bevölkerungsreichsten Bundesland vorgestellt. Dabei kündigte Wüst an, dass der 36-jährige Nathanael Liminski weiter Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei bleiben werde. Außerdem werde er künftig das in der Staatskanzlei angesiedelte Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien leiten. Auf Twitter bedankte sich Liminski für das Vertrauen Wüsts und erklärte, er werde "eine starke Stimme für unser Land in Berlin und Brüssel sein".
Twitter / n_liminskiDanke für Dein Vertrauen, @HendrikWuest! Es ist mir eine Ehre und Freude, dem Land #NRW als Chef der Staatskanzlei und als Minister #Europa und #Medien dienen zu dürfen. Gerne will ich starke Stimme für unser Land in Berlin und Brüssel sein. (NL) pic.twitter.com/SKojg5BGVe
Nathanael Liminski (@n_liminski) June 29, 2022
|
Der Regierungschef ernannte insgesamt vier christdemokratische Ministerinnen und vier Minister, die alle noch im Laufe des Mittwochs ihren Amtseid ablegen werden. Seinen Job behält unter anderem der populäre Landesinnenminister Herbert Reul, der sich schon in den letzten vier Jahren in der schwarz-gelben Koalition als Kämpfer gegen Kriminalität in Szene gesetzt hatte.
Liminski, der bereits 2017 vom damaligen Landesvater Armin Laschet in die Staatskanzlei geholt worden war, ist in der letzten Monaten unter anderem wegen früherer extrem abwertender Äußerungen über sexuelle Minderheiten scharf kritisiert worden. Dabei wurde insbesondere auf ein "Spiegel"-Interview aus dem Jahr 2007 verwiesen, in dem Liminski gesagt hatte: "Ich kenne viele Homosexuelle, und einige tun mir leid. Der Staat muss schon aus reiner Selbsterhaltung die natürliche Form der Ehe und Familie fördern."
Er trat zu dieser Zeit als Vertreter der "Generation Benedikt" auf, einer Art Fanclub für Papst Benedikt XVI. Dabei verteidigte er insbesondere die kirchliche Sexualmoral, die keinen Platz für Schwule und Lesben oder trans Menschen hat.
Mitte der Nullerjahre war Liminski Praktikant beim erzkonservativen US-Abgeordneten Mark Souter, der Homosexualität mit Alkoholismus gleichsetzte. Außerdem trat der Christdemokrat, dem Verbindungen zu Opus dei nachgesagt werden, mehrfach beim extrem queerfeindlichen Forum Deutscher Katholiken auf. Er schrieb auch als Autor für das rechtsradikale Portal "Freie Welt" von Sven von Storch, dem Ehemann der heutigen AfD-Politikerin Beatrix von Storch. Diese Propaganda-Seite hetzt auch gegen queere Menschen (queer.de berichtete). Bis heute sind dort Liminskis Artikel online, in denen er unter anderem gegen Kondome als Mittel gegen HIV Stimmung macht.
In den Zehnerjahren wirkte Nathanael Liminski dann eher im Hintergrund und äußerte sich gegenüber Medien nicht mehr zu tagesaktuellen Fragen, zu seinem Glauben oder seiner Haltung zu sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten. Erst mit seiner Kandidatur als Direktkandidat für die CDU in Köln-Ehrenfeld bei der Landtagswahl im Mai änderte sich das. Hier versuchte er, sein Image zu ändern. Bereits vor über einem Jahr sagte er etwa der "Süddeutschen Zeitung": "Für die soziale Stabilität einer Gesellschaft ist wichtig, dass Menschen in einer Partnerschaft verbindlich und verlässlich füreinander Verantwortung übernehmen – das gilt selbstverständlich unabhängig von ihrem Geschlecht." Außerdem nahm er dieses Frühjahr kurz vor der Landtagswahl beim Jahresempfang der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) teil.
Twitter / n_liminskiViele gute Begegnungen beim Jahresempfang der @lsu_nrw, gemeinsam mit @HendrikWuest und @Pohlmann_Phil. Große Anerkennung für Fortschritt durch die #NRWKoalition, aber noch viel zu tun. pic.twitter.com/UawJcMYIZw
Nathanael Liminski (@n_liminski) April 22, 2022
|
Die LSU verteidigte daraufhin ihren Parteifreund gegen Vorwürfe der Homophobie. "Toleranz und Respekt fordern, aber selber Vorurteile pflegen: Das ist unanständig und verlogen", schrieb der NRW-Landesverband etwa am Dienstag. "Die Diskussion um Liminski zeigt: Parteipolitisches Feindbild steht über allem. Im Unterschied zu 99,9% der Ankläger:innen stehen wir schon lange mit ihm im Austausch und sind froh, dass alles von dem, was auch wir gehört und gelesen haben, widerlegt ist."
Twitter / lsu_nrwund sind froh, dass alles von dem, was auch wir gehört und gelesen haben, widerlegt ist. Lieber @n_liminski, wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit Dir. Wir als LSU wissen, wie Du Dich für uns und unsere Themen einsetzt. (2/2)
LSU LV NRW (@lsu_nrw) June 28, 2022
|
Liminski war in den letzten Tagen auch als möglicher Schulminister gehandelt worden. Darum gab es vermehrt Kritik an dieser Personalie, insbesondere von SPD und Linken. Die Linkspolitikerin Martina Renner fragte etwa auf Twitter, ob die Grünen wirklich einen "religiösen Fundamentalisten" im Schulministerium akzeptieren würden.
Twitter / MartinaRenner@gruenenrw Ihr macht nicht wirklich einen religiösen Fundamentalisten zum Bildungsminister in #NRW? Ihr bekommt mit was gerade in den USA passiert? Ihr habt den Terroranschlag am Vortag der Pride-Parade in Oslo mitbekommen? Ich frag nur.
Martina Renner (@MartinaRenner) June 25, 2022
|
Der Sozialdemokrat Alfonso Pantisano, der auch im Vorstand des Lesben- und Schwulenverbandes sitzt, griff auf Twitter ebenfalls die Grünen an und warnte vor einem "Tabubruch": "Der Regenbogen der Grünen ist nichts wert, wenn sie es jetzt in ihrer neuen Koalition mit der CDU zulassen, dass der homophobe Nathanael Liminski Schulminister wird", so Pantisano.
Twitter / PantisanoTabubruch bei @gruenenrw: Der Regenbogen der Grünen ist nichts wert, wenn sie es jetzt in ihrer neuen Koalition mit der @CDUNRW_de zulassen, dass der homophobe Nathanael #Liminski Schulminister wird. (1/)https://t.co/vGqoWwLo6i
Alfonso Pantisano (@Pantisano) June 25, 2022
|
Gegen Liminski sprach neben dieser Kritik auch, dass er in seinem Wahlkreis Köln III das NRW-weit schlechteste CDU-Ergebnis erreicht hatte (queer.de berichtete). Er brachte es lediglich auf 13,8 Prozent der Erststimmen.
Wüst kündigte auch an, dass Karl Laumann Gesundheitsminister von NRW bleibt. Der 65-Jährige war in der Vergangenheit ebenfalls durch homosexuellenfeindliche Sprüche aufgefallen, die er aber zuletzt nicht wiederholte. 2012 hatte er etwa Schwulen und Lesben vorgeworfen, nichts für eine "gute Gesellschaft" zu tun. Diese Aussage wurde damals sogar von der LSU kritisiert (queer.de berichtete).
Josefine Paul wird Integrationsministerin
Bereits am Freitag hatte die Grünen ihre vier Minister*innen benannt – wie die CDU besetzten sie die Posten paritätisch mit Frauen und Männern. Die lesbische Politikerin Josefine Paul wurde als Ministerin für Kinder, Jugend und Familie, Gleichstellung, Integration und Flucht nominiert. Die 40-Jährige ist bereits seit 2010 Mitglied des Düsseldorfer Parlaments. Seither fungierte sie als Sprecherin für Queerpolitik für die grüne Landtagsfraktion. Seit Oktober 2020 war sie eine von zwei Fraktionschefinnen im Landtag von NRW.
Instagram / josefine.paul.green | Josefine Paul beim Landesparteitag der Grünen vergangenes Wochenende
|
Wie Ministerinsein geht, kennt Paul bereits von ihrer Lebenspartnerin: Sie ist mit Katja Meier liiert, die seit 2019 Sächsische Staatsministerin der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung ist. Die beiden sprachen letztes Jahr in der "Zeit" über ihre Beziehung – und erklärten, dass sie auch ein Vorbild für andere sein wollten: "Vielleicht hilft das anderen, wenn sie sehen, ah, die sind wie wir. Vielleicht motiviert es sie sogar, bei einer Partei mitzumachen, für ein Amt zu kandidieren", so Meier damals (queer.de berichtete).
Leer ausgegangen ist dagegen der offen schwule Politiker Arndt Klocke, der ehemalige Partei- und Fraktionschef der nordrhein-westfälischen Grünen. Er wäre gern Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr geworden. In einer Erklärung zeigte sich der Kölner sichtlich enttäuscht: "Ich hätte gern nach zwölf Jahren als Fachpolitiker im Landtag diesen Koalitionsvertrag aus der Regierung heraus mit umgesetzt. Unsere Grünen-Spitze hat dies anders entschieden."
Twitter / Arndt_KlockeZur Regierungsbildung, den Inhalten des Vertrags , zur Verteilung der Ministerien und zu meinen künftigen Aufgaben in der Grünen Fraktion habe ich eine Persönliche Erklärung veröffentlicht https://t.co/GnZa7POI5Y pic.twitter.com/kDZvaMrWiJ
Arndt_Klocke (@Arndt_Klocke) June 24, 2022
|
Klocke ist der Lebenspartner des Queerbeauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann. Er erzielte in seinem Wahlkreis Köln III mit 41,6 Prozent der Erststimmen das beste Ergebnis für seine Partei im ganzen Land – sein Gegenkandidat war ausgerechnet Nathanel Liminski.

Pöstchen zählen eben doch mehr als Inhalte.